Georg Joseph Keller

Ab (26) aus: Keller, Georg Joseph: Dichtungen. Selbstverlag, Würzburg 1850. (online)

(1) Verjüngung
Wenn ich von altem Weine trinke,
So werd‘ ich plötzlich wieder jung.
Sei’s, dass mein Näschen rosig blinke,
Wenn ich von altem Weine trinke.
Den Geist beflügelt neuer Schwung,
Das Herz erfüllt Beseligung.
Wenn ich von altem Weine trinke,
So werd‘ ich plötzlich wieder jung.

(2) Süßer Schlummer
Senkt still der Abend sich hernieder,
Erschließt sich mir ein Feenreich.
Der Geist entschwebt auf Aargefieder,
Senkt still der Abend sich hernieder.
Im Traum bin Glücklichen ich gleich,
O Phantasie! Durch dich so reich!
Senkt still der Abend sich hernieder,
Erschließt sich mir ein Feenreich.

(3) Bitteres Erwachen
Gar bitter ist oft das Erwachen,
Hab‘ überselig ich geträumt.
Wenn Morpheus mir die Schläf‘ umsäumt,
Ist oft gar bitter das Erwachen.
Weil Missgeschick gleich gift’gen Drachen
Sich immer mir entgegen bäumt,
So ist gar bitter das Erwachen,
Hab‘ überselig ich geträumt.

(4) Alles ein Traum
Des Lebens Lust und Schmerz ist nur ein Traum,
Der mit der Stunden Flügelschlag entschwindet.
Des Frühlings Pracht, der Rose Glut verkündet:
Des Lebens Lust und Schmerz ist nur ein Traum.
Drum hasch‘ ich froh der Freude goldnen Saum,
Weil alles unsern armen sich entwindet,
Weil Lebens Lust und Schmerz nichts als ein Traum,
Der mit der Stunde Flügelschlag entschwindet.

(5) Macht der Liebe
Mächtig wie der erste Maienhauch
Wecket uns der Götterstrahl der Liebe;
Er belebet unsre zwarten Triebe
Mächtig wie der erste Maienhauch.
Ja! Beschleichet uns das Alter auch,
Wirkt doch, wenn nichts mehr uns bliebe,
Mächtig wie der erste Maienhauch,
Die Erinn’rung uns’rer ersten Liebe.

(6) Bleibendes Anschaun
So wie ich sie das erste Mal erblickt,
So steht sie immer noch vor meiner Seele.
Ach! Wie hat mich ihr holdes Bild entzückt,
So wie ich sie das erste Mal erblickt!
Sei’s, dass mich auch der Schmerz der Trennung quäle,
Dass sie zu mir die Neigung längst erstickt;
So wie ich sie das erste Mal erblickt,
So steht sie immer noch vor meiner Seele.

(7) Ewige Nähe
Du bist ja niemal fern von mir,
Weil tief ich dich im Herzen trage.
Der Spruch erstickt mir jede Klage:
„Du bist ja niemal fern von mir!“
Doch sehnt sich stets mein Herz nach dir,
Wenn ich auch noch so oft es sage:
„Du bist ja niemal fern von mir,
Weil tief ich dich im Herzen trage.“

(8) Wechselseitiger Unterricht
Was Küssen sei, du weißt’s noch nicht,
Du sollst es nun von mir erlernen.
Den Tadel eile zu entfernen:
Was Küssen sei, du weißt’s noch nicht!
Doch bist du achtsam bei dem Lernen,
So wett‘ ich, dass dein Mund bald spricht:
„Was Küssen sei, du weißt’s noch nicht,
Du sollst es nun von mir erlernen.“

(9) Selbstbetrachtung
O greifet stets in eure eig’ne Brust,
Wollt allzu streng ihr über andre richten!
Prüft euch im Glück, im Schmerz, in Gram und Lust;
O greifet stets in eure eig’ne Brust,
Und sanfter werdet ihr im Richtspruch schlichten,
Seid ihr der eig’nen Triebe wohl bewusst.
O greifet stets in eure eig’ne Brust,
Wollt allzu streng ihr über andre richten.

(10) Letzter Trost
So lang ich noch ein Lied kann singen,
Ist mir nicht alles Glück geraubt.
Nicht beug‘ ich hoffnungsleer mein Haupt,
So lang ich noch ein Lied kann singen.
In meine Klagetöne schlingen
Erinn’rungen sich, grün belaubt.
So lang ich noch ein Lied kann singen,
Ist mir nicht alles Glück geraubt.

(11) Mäßigung
Ihr, die ihr in des Glückes Hafen seid,
Schaut nicht so stolz auf eure Freunde nieder!
Euch trug zum Port des günst’gen Winds Gefieder,
Ihr, die ihr in des Glückes Hafen seid!
Das Glück beherrscht die Welt, wie leicht zerstreut
Auch eure Flotte Schicksalslaune wieder!
Drum, die ihr in des Glückes Hafen seid,
Schaut nicht so streng auf eure Freunde nieder.

(12) Trost
Ungleich spendet’s Schicksal seine Huld,
Doch ich will mich drob nicht grämen.
Mir ermüdet nimmer die Geduld,
Spendet’s Schicksal ungleich seine Huld.
Dass ich arm bin, ist nicht meine Schuld,
Meine Wünsche kann ich ja bezähmen.
Spendet’s Schicksal ungleich seine Huld,
Will ich drob mich doch nicht grämen.

(13) Aufruf
Hascht der Feude gold’ne Flügel,
Eh‘ die Stunde rasch entflieht!
Weil der Jugend Reiz noch blüht,
Hascht der Freude gold’ne Flügel!
Ach! ein einz’ger Nordhauch zieht
Uns zum dunklen Grabeshügel.
Hascht der Freude gold’ne Flügel,
Eh‘ die Stunde rasch entflieht!

(14) Frage
Was hab‘ ich wieder da gemacht?
Frag‘ ich, wenn’s Herz allein gehandelt.
Die Frage hat oft Gram gebracht:
Was hab‘ ich wieder da gemacht?
Oft hat’s zum Guten sich gewandelt,
Und fragend das Gemüt gelacht:
Was hab‘ ich wieder da gemacht?
Hat auch das Herz allein gehandelt.

(15) Dauer
Nicht alles stirbt mit dieses Lebens Glut;
Drum heb‘ ich froh den freien Blick nach oben.
Die ganze Schöpfung ruft mit heiterm Mut:
Nicht alles stirbt mit dieses Lebens Glut.
Es hält das Grab nur Irdisches umwoben,
Und aufrecht hält mich bei des Schicksals Wut:
Nicht alles stirbt mit dieses Lebens Glut;
Drum heb ich froh den freien Blick nach oben.

(16) Beruhigung
Bin ich denn stets der Narr im Spiel?
Was tut’s, ich wollte nur das Gute.
Nicht frage, Herz! im Schamgefühl:
Bin ich denn stets der Narr im Spiel?
Ja! Trifft dich auch des Schicksals Rute,
Das Rechte tu‘ mit frohem Mute,
Und bist du auch der Narr im Spiel,
Was tut’s, ist nur erreicht das Gute.

(17) Glück
Ein ruh’ges Herz, ein heit’rer Mut –
Die kann allein als Glück ich preisen.
Fürwahr! Es ist das höchste Gut
Ein ruh’ges Herz, ein heit’rer Mut.
Drum tönt in allen meinen Weisen,
Die fröhlich singt mein leichtes Blut:
Ein ruh’ges Herz, ein heit’rer Mut,
Die kann allein als Glück ich preisen.

(18) Eigener Sinn
Ich bin nun einmal, wie ich bin,
Nicht ändern will ich meine Sitten.
Werd‘ ich geneckt, werf‘ ich so hin:
Ich bin nun einmal, wie ich bin.
Mein Liebchen hat drob oft gestritten,
Erst spät gewöhnte sich sein Sinn
An’s: Ich bin einmal, wie ich bin,
Nicht ändern will ich meine Sitten.

(19) Ewiger Sang
Die Zeit der Lieder ist vorbei,
Und ach! sie kehret nimmer wieder?
Man singt nur in des Lebens Mai.
Die Zeit der Lieder ist vorbei!
Doch senkt sich Glück in’s Herz mir nieder,
Wird auch das Alte wieder neu;
Ist auch der Lieder Zeit vorbei,
So sing‘ ich mir die Alten wieder.

(20) Das Liebste
Mein Liebstes ist mein Saitenspiel,
Es lässt mich allen Harm vergessen.
Zeigt mir Fortuna noch so viel,
Mein Liebstes ist mein Saitenspiel.
Hab‘ ich auch niemals Gold besessen,
Ich kann mich doch mit Krösus messen.
Mein Liebstes ist mein Saitenspiel,
Es lässt mich allen Harm vergessen.

(21) Vollständiges Glück
Mein Mädchen und mein volles Glas,
Sie machen mir die Welt zum Himmel.
Was will ich mehr, hab‘ ich nur das,
Mein Mädchen und mein volles Glas!
Ruft mich der Tod vom Weltgetümmel,
So künd‘ ein Stein im blum’gen Gras:
Sein Mädchen und sein volles Glas,
Sie machten ihm die Welt zum Himmel.

(22) Zweifel
Dien‘ ich der Liebe, oder nicht?
Der Zweifel quälet meine Seele.
Wer bringt mir auf die Frage Licht:
Dien‘ ich der Liebe, oder nicht?
Was hilft’s, dass ich mich ewig quäle,
Wenn stets mein Herz doch zagend spricht:
Dien‘ ich der Liebe, oder nicht?
Der Zweifel quält stets meine Seele.

(23) Späte Klugheit
Man geht vom Rathaus klüger stets herab,
Im Leben musst‘ ich es gar oft erkunden.
Gewann ich nichts, ist doch der Spruch gefunden:
Man geht vom Rathaus klüger stets herab.
Drum was für Lose dir das Schicksal gab,
Dir bleibt der Spruch zum Balsam deiner Wunden:
Man geht vom Rathaus klüger stets herab,
Im Leben musst‘ ich es gar oft erkunden.

(24) Geständnis
Als mit ihr ich in der Gondel fuhr,
Musst‘ ich endlich ihr mein Herz entdecken;
Und ich tat es blass vor Angst und Schrecken,
Als mit ihr ich in der Gondel fuhr,
Lang mit Zweifeln wollte sie mich necken;
Gleich doch fand ich ihrer Liebe Spur,
Als mit ihr ich in der Gondel fuhr,
Und ich durfte ganz mein Herz entdecken.

(25) Immerwährendes Glück
Gedenk ich nur der holden, süßen Braut,
So tobt mein Herz in wonnevollen Schlägen.
Ja! alle Götter treten mir entgegen,
Gedenk ich nur der holden, süßen Braut;
Und immer aus des Lebens Füllhorn taut
So holdes Labsal meinen blum’gen Wegen,
Denn immer denk ich nur der süßen Braut,
Dass stets mein Herz erbebt in freud’gen Schlägen.

An das Töchterchen eines Freundes

(26) In deines Lebens Blütenmai
Will ich dir kleine Lieder senden.
Gott möge alles Herbe wenden
In deines Lebens Blütenmai.
Da Liederchen die Gabe spenden,
Dass heiter das gemüt uns sei,
Will ich in deines Lebensmai
Dir diese kleinen Lieder senden.

(27) In ungetrübter Frühlingspracht
Soll heiter dir das Leben fließen.
Du machst den augenblick genießen
In ungetrübter Frühlingspracht.
Schnell pflück‘ die Blümchen, welche sprießen,
Die vorgelockt des Lenzes Macht,
Soll dir in ungetrübter Pracht
Das Leben heiter stets entfließen.

(28) Wenn dir der Jugend Traum entfloh’n,
Da stellen mählich ein sich Schmerzen.
Gott wende sie von deinem Herzen,
Wenn dir der Jugend Traum entfloh’n.
Lern zu entbehren jetzo schon!
Du sprichst dem Schicksal leichter Hohn,
Wenn dir der Jugend Traum entfloh’n,
Und ein sich stellen mählich Schmerzen.

(29) Die Liebe wird dir Rosen streu’n,
Doch sind sie selten ohne Dornen.
Dein ganzes Wesen wird es spornen,
Will dir die Liebe Rosen streu’n.
Sanft möge dich ihr Duft erfreu’n,
Und nimmer deine Wahl dich reu’n:
Wir dir die Liebe Rosen streu’n,
So seien dir sie ohne Dornen.

(30) Pflanz sich dein Glück in dein Gemüt,
Blüht dir im Greisenalter Jugend.
Ist dir das Höchste stets die Tugend,
Pflanzt sich den Glück in dein Gemüt.
Sind dir die Rosen auch verblüht,
In der Erinnerung Labe suchend
Pflanz sich dein Glück in dein Gemüt,
Bleibt dir im Greisenalter Jugend.

(31) Der Becher
In einem weingefüllten Becher
Liegt viel verborgen wunderbar.
Des Lebens Balsam sieht der Zecher
In einem weingefüllten Becher.
Und auch des Liedes kühner Aar
Holt Kraft oft für sein Flügelpaar
Aus einem weingefüllten Becher,
Wo viel verborgen wunderbar.

(32) Unterbrochene Ruhe
Wenn Lüftchen durch die Blätter flüstern,
Scheint mir’s zu sein ein traut Gekos.
Sanft ruht man auf dem Pfühl von Moos,
Wenn Lüftchen durch die Blätter flüstern.
Nicht lieg ich lang der Ruh‘ im Schoß,
Denn nach Gekose werd‘ ich lüstern,
Wenn Lüftchen durch die Blätter flüstern,
Weil es mir schein ein traut Gekos.

(33) Flüchtiges Glück
Wenn Schlummer mir das Haupt umwunden,
Labt mich des Glückes Sonnenschein.
Welch frohes Leben stellt sich ein,
Wenn Schlummer mir das Haupt umwunden!
Was ich als wirklich nie gefunden,
Lacht mir in meinen Träumerein.
Wenn Schlummer mir das Haupt umwunden,
Labt mich des Glückes Sonnenschein.

(34) An Sie
Die Blümchen labt ein Tröpfchen Tau,
Das neue Düfte sie uns spenden.
Wird ganz das Glück sich von mir wenden,
Da Blümchen labt ein Tröpfchen Tau?
Ein Blick aus deines Auges Blau,
Ein sanfter Druck von deinen Händen
Ist mir, was Blümchen ist der Tau,
Dass neue Liebe ich kann spenden.

(35) Die freundlichen Drei
Die Liebe, Lieder und der Wein,
Die drei verklären uns das Leben.
Es lassen uns dem Staub entschweben
Die LIebe, Lieder und der Wein.
Kehrt eins nur von den dreien ein,
Ist nicht mehr Macht dem Schmerz gegeben.
Die Liebe, Lieder und der Wein,
Die drei verklären uns das Leben.

(36) Vertrauen
Gottes Hand ist’s, welche waltet
Für den ganzen Wesenring.
Wie mein Schicksal sich gestaltet,
Gottes Hand ist’s, welche waltet.
Wenn ich Lust, wenn Schmerz empfing,
Hat sich mein Vertrau’n entfaltet:
Gottes Hand ist’s, welche waltet
Für den ganzen Wesenring.

(37) Anakreon
Du lieblicher Anakreon,
Ich muss dich wirklich glücklich preisen!
Du zechest froh mit rüst’gen Greisen,
Du lieblicher Anakreon.
Mit Rosen in dem silberweißen
Gelock belebst du’s Barbiton.
Du lieblicher Anakreon,
Ich muss dich wahrlich glücklich preisen.

(38) Das Lieblingsplätzchen
An der still vertrauten Quelle
Ruh‘ ich oft auf weichem Moos.
Was der Frühling mir erschloss
An der still vertrauten Quelle,
Sing‘ ich voll Begeistrung helle.
Wenn das Leben mir entfloss,
An der still vertrauten Quelle
Ruh‘ ich unter weichem Moos.

(39) Der Glückshafen
Im dunklen, kühlen Grabe
Erstirbt uns jeder Schmerz.
Drum findet mancher Labe
Im dunklen kühlen Grabe.
So hoffet auch mein Herz,
Bar jeder Glückesgabe,
Im dunklen, kühlen Grabe,
Dass schweige jeder Schmerz.

(40) Vergeblicher Wunsch
Nur heit’re Lieder möcht‘ ich singen,
Die Andern auch das Herz erfreu’n.
Die Jugend müsste sich erneu’n,
Wollt‘ ich nur heit’re Lieder singen.
Zur Lenzeszeit allein erklingen
Die Lieder, die zum Herzen dringen.
Nur heit’re Lieder möcht‘ ich singen,
Die Andern auch das Herz erfreu’n.,

(41) Glücklicher Gewinn und Verlust
Schweigt in des Grabes Nacht der Schmerz,
So lacht auch keine Freude!
Weil ausgeschlagen hat das Herz,
Schweigt in des Grabes Nacht der Schmerz.
Wer ist des herben Schicksals Beute,
Der blicke hoffend himmelwärts.
Schweigt in des Grabes Nacht der Schmerz,
So lacht auch keine Freude.

(42) Erstes Begegnen
Bei einem muntern Frühlingsreigen,
Da sah ich dich das erste Mal.
Es ging mir auf des Glückes Strahl
Bei einem muntern Frühlingsreigen.
Es möge ihm das Leben gleichen,
Dann sag‘ ich segnend tausendmal:
Bei einem muntern Frühlingsreigen,
Da sah ich dich zum ersten Mal.

(43) Ungelöste Frage
Wie Liebe mir ins Herz gekommen,
Das, teure Freunde! weiß ich nicht.
Mein ganzes Sein war eingenommen,
Wie Liebe mir ins Herz gekommen.
Wie durch die Nacht die Sonne bricht,
So war sie plötzlich mir entglommen.
Wie Liebe mir ins Herz gekommen,
Das, teure Freunde, weiß ich nicht.

(44) Bitte
Wenn ich in Frühlingswonnen schwärme,
Erinnert mich nicht, dass sie flieh’n.
Kein Missklang soll mein Herz durchzieh’n,
Wenn ich in Frühlingswonnen schwärme;
Dass, wenn die Lenzeslust dahin,
Ihr Bild noch lebt in alter Wärme.
Wenn ich in Frühlingswonnen schwärme,
Erinnert mich nicht, dass sie flieh’n.

(45) Was bleibt
In deinem Herzen such‘ dein Glück,
Die Außenwelt kann’s nicht dir geben.
Weil alles Äuß’re muss verschweben,
Such in dem Herzen nur dein Glück.
Was schwand, kehrt nimmermehr zurück.
Das Herz besiegt des Todes Beben.
In deinem Herzen such‘ dein Glück,
Die Außenwelt kann’s nicht dir geben.

(46) Frohe Überraschung
Ei! Ei! Bist du schon wieder da?
Hör‘ ich dich gar zu gerne fragen.
Denn Glückliches kann mir nur sagen:
Ei! Ei! Bist du schon wieder da?
Ist uns das Greisenalter nah,
Und du rufst aus noch mit Behagen:
Ei! Ei! Bist du schon wieder da?
So hör‘ ich’s dich noch lieber fragen.

(47) Höherer Genuss
Allein kann ich kein Glück genießen;
O Freunde! kommt und teilt’s mit mir.
Nicht Eremiten sind wir hier;
Allein kann ich kein Glück genießen.
Wenn Andern Freudenblumen sprießen,
O dann genieß‘ ich zehnfach schier.
Allein kann ich kein Glück genießen;
O Freunde! kommt und teilt’s mit mir.

(48) Spätes Bedenken
Das hätt‘ ich nimmer mir gedacht!
Das sollte nie ein Kluger sagen.
Viel Ungemach hat schon gebracht:
Das hätt‘ ich nimmer mir gedacht!
Wer etwas gut sich überschlagen,
Der denket wohl an alle Lagen.
Das hätt‘ ich nimmer mir gedacht!
Das sollte drum kein Kluger sagen.

(49) Nur nicht zu viel
Wer gar zu ängstlich überdenkt,
Wird sicher nie zum Ziel gelangen.
Wo ist, die dem wohl Küsse schenkt,
Der gar zu ängstlich überdenkt?
Rasch hab‘ ich ihren Leib umfangen,
Die Lippen haben sich verschränkt –
Wer gar zu ängstlich überdenkt,
Wird sicher nie zum Ziel gelangen.

(50) Rat
Die Wolken zieh’n vorüber,
Es kehrt der Sonnenschein.
Denk‘, schlägt das Unglück ein,
Die Wolken zieh’n vorüber.
Wird’s Leben todestrüber,
Lass dir zum Troste sein:
Die Wolken zieh’n vorüber,
Es kehrt der Sonnenschein.

(51) Gedenke
Wenn wiederkehrt der Sonnenschein,
Gedenke wohl der trüben Tage.
Leicht stellet Übermut sich ein,
Wenn wiederkehrt der Sonnenschein.
Der fügt sich leicht in jede Lage,
Wer weiß, dass es nicht ewig tage,
Wenn wiederkehrt der Sonnenschein,
Gedenke wohl der trüben Tage.

(52) Unterschied
Wie’s gehen will, mag’s gehen!
Ich kann’s ja ändern nicht,
Nicht Leichtsinn ist’s, der spricht:
Wie’s gehen will, mag’s gehen!
Die treu den Pflichten stehen,
Die sprechen mit Gewicht:
Wie’s gehen will, mag’s gehen,
Ich kann’s ja ändern nicht.

(53) Zuversicht
Es siegt ein gottergeb’nes Streben.
Zum Kampf! O scheue nicht den Tod!
Wenn tausend Donner dich umgeben,
Es siegt ein gottergeb’nes Streben.
Was Gottvertrauen dir gebot,
Führt dich zu schönsten Morgenrot.
Es siegt ein gottergeb’nes Streben.
Zum Kampf! O scheue nicht den Tod!

(54) Blick nach oben
Am azurblauen Himmelszelt
Hängt oft mein Auge mit Verlangen.
Was ist’s, das mir so wohl gefällt
Am azurblauen Himmelszelt?
Erfüllt das Herz mir Erdenbangen,
Ist’s Jenseits, das die Brust erhellt.
Am azurblauen HImmelszelt
Hängt d’rum mein Aug‘ oft mit Verlangen.

(55) Wiederholter Irrtum
Das hätt‘ ich wahrlich nicht gedacht,
Dass man so sehr sich könne trügen!
Wie oft hab‘ ich mir schon gesagt:
Das hätt‘ ich wahrlich nicht gedacht!
Bleib‘ treu du! Wenn die andern lügen,
Lass dir als Trost den Seufzer g’nügen:
Das hätt‘ ich wahrlich nicht gedacht,
Dass man so sehr sich könnte trügen!

(56) Rat
Wenn welken deiner Freude Rosen,
So gräme du dich nicht zu sehr!
Mach‘ dir die Last nicht selber schwer,
Wenn welken deiner Freude Rosen.
Such‘ neue Knospen zu erlosen,
So denkst du des Verlust’s nicht mehr.
Wenn welken deiner Freude Rosen,
So gräme du dich nicht zu sehr.

(57) Trost
Was ich in hoher Lust besaß,
Hat mir des Schicksals Neid genommen.
Durch das ist glüh’nder Schmerz entglommen,
Was ich in hoher Lust besaß.
Doch ist mir itzt ein Trost noch das,
Dass nicht durch mich ich d’rumgekommen.
Was ich in hoher Lust besaß,
Hat mir des Schicksals Neid genommen.

(58) Der Glückliche
Wer im Stand ist, zu entsagen,
Trägt viel leichter sein Geschick.
Der allen beherrscht das Glück,
Wer im Stand ist, zu entsagen.
Bald verstummen seine Klagen,
Ruhe kehrt ihm schnell zurück.
Wer im Stand ist, zu entsagen,
Trägt viel leichter sein Geschick.

(59) Auf die Dauer
Was mühsam du vollbracht,
Das suche zu bewahren.
Dir mehre Glück und Macht,
Was mühsam du vollbracht.
Zum Heil in Greisenjahren
Soll klug die Jugend sparen.
Was mühsam du vollbracht,
Das suche zu bewahren.

(60) Mein Liebling
Die Blumenkönigin, die Rose,
Soll immerdar mein LIebling sein.
O welche Düfte birgt im Schoße
Die Himmelskönigin, die Rose.
Sie schließt das Bild der Trauten ein,
Der treu sich meine Triebe weih’n.
Die Blumenkönigin, die Rose,
Soll darum stets mein Liebling sein.

(61) Frühlings Wiederkehr
Wenn wiederkehrt des Frühlings Pracht,
Dann leb‘ ich auf zu neuen Wonnen.
Stets wird viel Liedstoff mir gebracht,
Wenn wiederkehrt des Frühlings Pracht.
Und ist von meines Lebens Bronnen
Das letzte Tröpflein mir verronnen,
Wenn wiederkehrt des Frühlings Pracht,
Damm leb‘ ich erst zu neuen Wonnen.

(62) Die Nacht
Wenn aus sich breitet finst’re Nacht,
Muss sich aus ihr der Tag entwinden.
Den Trost kann leicht sich jeder finden,
Wenn aus sich breitet finst’re Nacht.
Und wenn des Lebens Funken schwinden,
Sei durch den Spruch mir Trost gebracht:
Wenn aus sich breitet finst’re Nacht,
Muss sich aus ihr der Tag entwinden.

(63) Rätsel
Warum so viele feige beben,
Wenn ihre ird’sche Hülle sinkt?
Fürwahr, nicht kann ich Antwort geben,
Warum so viele feige beben.
Ich hoff‘ im Tod erst wahres Leben.
Das macht’s, dass mir als Rätsel klingt,
Warum so viele feige beben,
Wenn ihre ird’sche Hülle sinkt.

(64) Freiheit
Die Freiheit ist das höchste Gut
Für den, der wahre Freiheit kennet.
In jedes Wackern Herzen brennet:
„Die Freiheit ist das höchste Gut.“
Wenn sie in dem Gesetze ruht
Und gleiches Recht jedwedem gönnet,
Ja! dann ist sie das höchste Gut;
Dann Heil euch, wenn ihr sie erkennet.

(65) Ebbe und Flut
Wenn hoch sich auch die Flut erhebt,
Sie muss doch bald sich wieder senken.
Der Ebbe magst du stets gedenken,
Wenn hoch sich auch die Flut erhebt.
Stets hat mich Zuversicht belebt,
Und feig‘ hat nie mein Herz gebebt.
Ich wusste, wenn die Flut sich hebt,
Sie muss doch bald sich wieder senken.

(66) Fliehe nicht!
Komm her, du allerliebstes Kind!
Und lass uns traulich kosen.
Du fliehest, ruf‘ ich dir: „Geschwind
Komm her, du allerliebstes Kind!“
Am grauen Haupt darfst dich nicht stoßen,
Denk‘ dir, es seien weiße Rosen.
D’rum komm, du allerliebstes Kind,
Und lass uns traulich kosen.

(67) Geschmälerter Genuss
Wer nur auf das sieht, was ihm fehlet,
Genießet keine Freude rein,
Dem kehrt ein wahres Glück nicht ein,
Der nur auf das sieht, was ihm fehlet.
Mit Dank genieß‘ ich das, was mein;
Drum hat der Spruch mein Glück gestählet:
Wer nur auf das sieht, was ihm fehlet,
Genießet keine Freude rein.

(68) Hoffnung
Wenn im Herz die Blätter fallen,
Freut man auf den Frühling sich.
Fort sind längst die Nachtigallen,
Wenn im Herbst di Blätter fallen.
Doch der Lenz kehrt sicherlich,
Und deswegen tröst‘ ich mich,
Wenn im Herbst die Blätter fallen,
Da der Lenz kehrt sicherlich.

(69) Abschied
Ihr Triolettchen flieget fort
Wie leichtbeschwingte Schmetterlinge!
Und schätzet man euch auch geringe,
Ihr Triolettchen fliegt doch fort!
Es zeigt die Landschaft hier und dort
Uns auch so leicht beschwingte Dinge.
Drum Triolettchen fliegt doch fort
Wie leichtbeschwingte Schmetterlinge!

(70) Großes im Kleinen
Ein sanfter Händedruck
Kann großes Glück gewähren.
O welche Lust kann nähren
Ein sanfter Händedruck!
Nicht um des Inders Schmuck
Mag manches Herz entbehren,
Was sanfter Händedruck
An Glück ihm kann gewähren.

(71) Leichte Wahl
Wähle, was dich glücklich macht,
Weinpokale oder Küsse!
Sagte mir des Schicksals Macht:
„Wähle, was dich glücklich macht!“
Mein dann wären Hochgenüsse,
Denn ich – wahrlich! schnell bedacht –
Wählte, was mich glücklich macht,
Weinpokale mir und Küsse.

(72) Täuschung
Wenn ich von meinem Glücke singe,
Da täuscht mich oft die Phantasie.
Mich freuen häufig winz’ge Dinge,
Wenn ich von meinem Glücke singe.
Wird mir zu Teil ein Großes nie,
Wär‘ fröhlich, wenn ich Kleines singe,
Wenn ich von meinem Glücke singe,
Da täuscht mich oft die Phantasie.

(73) Glück
Was Glück sei, kann kein Weiser sagen,
Glück nenn ich das, was mich erfreut.
Was dir missfällt, kann mir behagen!
Was Glück sei, kann kein Weiser sagen.
Was morgen keine Lust mir beut,
Beglücket mich, wird mir es heut.
Was Glück sei, kann kein Weiser sagen,
Glück nenn ich das, was mich erfreut.

(74) Leichter Ersatz
Ein ein’ger heitrer Sonnenblick
Lässt mich gar manchen Schmerz vergessen.
Doch selten wird mir zugemessen
Ein einz’ger heitrer Sonnenblick.
Wie trüge man auch sein Geschick,
Wie misste man, was man besessen,
Wenn nicht ein heit’rer Sonnenblick
Uns ließe manchen Schmerz vergessen.

(75) Unabänderlich
Ich kann es nimmer ändern,
Was mich schon lange drückt.
Eil‘ ich zu fremden Ländern,
Ich kann es doch nicht ändern.
Weil’s mir das Herz umstrickt
Mit starken Eisenbändern,
So kann ich nimmer ändern,
Was mich schon lange drückt.

(76) Schwur
Mein geliebtes Vaterland!
Herz und Blut will ich dir weihen.
Gebe Gott dir stets Gedeihen.
Mein geliebtes Vaterland.
Bis mein Leben ausgebrannt,
Bis mich deckt des Grabes Sand,
Mein geliebtes Vaterland,
Will ich Herz und Blut dir weihen.

(77) Der Wicht
O das ist ein gemeiner Wicht,
Der unbezahlt nicht rührt die Hand,
Wer anders denket, als er spricht,
O das ist ein gemeiner Wicht,
Und wer nicht gern für’s Vaterland,
Sei’s selbst im Tode, übt die Pflicht,
O das ist ein gemeiner Wicht,
Der sei aus unserm Kreis gebannt.

(78) Herzlicher Gruß
O Vater Noah, sei gegrüßt,
Dass du den Wein erfunden!
Der Ruf ist tief empfunden,
O Vater Noah, sei gegrüßt!
Dein Trank hat’s Leben mir versüßt,
Mir manchen Schmerz entwunden.
D’rum Vater Noah sei gegrüßt,
Dass du den Wein erfunden.

(79) Würze
Ein froher Rundgesang
Erhöht des Bechers Freuden.
Mir kann viel Lust bereiten
Ein froher Rundgesang.
Spricht frei von allem Zwang
Das Herz im Liederklang,
Muss froher Rundgesang
Erhöh’n des Bechers Freuden.

(80) Meine Freude
Ein inniges Behagen
Durchzittert mir das Herz,
Scheucht eines Bruders Schmerz
Ein inniges Behagen.
Kann And’rer Last ich tragen,
Hört sicher man mich sagen:
Ein inniges Behagen
Durchzitter mir das Herz.

An –

(81) Lass laut dein Lied erschallen,
Wenn’s dich zu singen drängt.
Willst Frohen du gefallen,
Lass laut dein Lied erschallen.
Von keinem Zwang beengt,
Vom Herzen nur gelenkt,
Lass laut dein Lied erschallen.
Wenn’s dich zu singen drängt.

(82) Will einer dich nicht hören,
Sing‘ ungestört du fort!
Das soll dem Sang nicht wehren,
Will einer dich nicht hören.
Missfällt ihm Ton und Wort,
Geh‘ er an andern Ort.
Will einer dich nicht hören,
Sing‘ ungestört du fort!

(83) Wem glüh’nder Wein nicht mundet,
Der labe sich am Quell.
Mir tauget kein Gesell,
Dem glüh’nder Wein nich mundet.
Schon mancher ward erkundet,
Dem tönt dein Lied zu hell.
Wem glüh’nder Wein nicht mundet,
Der labe sich am Quell.

(84) Wer bringt ein gutes Herz,
Wird immer gern dich hören.
Verscheuche dem den Schmerz,
Der bringt ein gutes Herz.
Auf! Unsre Lust zu mehren,
Schlag‘ an zu vollen Chören!
Wer bringt ein gutes Herz,
Wird immer gern dich hören.

(85) Vergeblicher Tadel
O spiel‘ nicht stets mit Trioletten!
So ruft mir mancher tadelnd zu.
Es stört der Ruf nicht meine Ruh:
O spiel‘ nicht stets mit Trioletten!
Kann ich Gedanken passend betten,
Und leicht in hübscher Form verketten,
So spiel‘ ich gern mit Trioletten,
Ruft mancher mir auch tadelnd zu.

(86) Herbstluft
Wenn die Traube reift am Hügel,
Tönet Jubelsang am Main.
Frohe Stunden kehren ein,
Wenn die Traube reif am Hügel.
Wein, der ist des Kummers Zügel,
Wein, der gibt dem Geiste Flügel.
Wenn die Traube reift am Hügel,
Tönet Jubelsang am Main.

(87) Franken
Im lieben Land der Franken,
Da bin ich gar zu gern.
Mir strahlt des Glückes Stern
Im lieben Land der Franken.
Nicht trüg‘ ich den Gedanken
Zu sterben von ihm fern.
Im lieben Land der Franken
Da bin ich gar zu gern.

(88) An die Sonne 1849
O Sonne, scheine hell und warm,
Dass reifen unsre Trauben.
Wir rufen dir in tiefem Harm:
O Sonne scheine hell und warm!
Willst die Arznei du rauben,
Die wärmt, wenn Stürme schnauben.
O Sonne, scheine hell und warm,
Dass reifen unsre Trauben!

(89) Der Freund
Glaub’s, der ist ein Freund dir nicht,
Der nur redet dir nach Willen;
Und wer nie dir widerspricht,
Glaub’s, der ist ein Freund dir nicht.
Wem nur süße Wort‘ entquillen,
Und wer aus in Lob nur bricht,
Glaub’s, der ist ein Freund dir nicht,
Meid’s, das Herz ihm zu enthüllen.

(90) Rat
Zähle nicht des Kummers Stunden,
Die der Freude zähle nur.
Scheuchend deiner Schmerzen Spur
Zähle nicht des Kummers Stunden.
Was dein Herz mit Lust empfunden,
Sei mit ew’gem Reiz umwunden.
Zähle nicht des Kummers Stunden,
Die der Freude zähle nur.

(91) Gruß
Es leben hoch die Franken!
Das sei mein erster Gruß.
Das Herz spricht den Gedanken:
Es leben hoch die Franken!
Wenn meine Kräfte sanken,
Wenn in das Grab ich muss,
Es leben hoch die Franken!
Sei dann mein letzter Gruß.

(92) Verschlossen
Still im Kerzen muss man’s tragen,
Wenn uns traf ein Schicksalspfeil.
Was die HImmel uns versagen,
Still im Herzen muss man’s tragen.
Selten nimmt ein Dritter Teil.
Nicht gefährdet’s unser Heil,
Wenn im Herzen still wir tragen,
Dass uns traf ein Schicksalspfeil.

(93) Zu seiner Zeit
Frisch gewagt ist halb gewonnen,
Halb verloren ist es auch.
Früher war es wohl mein Brauch:
Frisch gewagt ist halb gewonnen.
Seit die Jugend mir entronnen,
Denk‘ ich etwas mehr besonnen,
Frisch gewagt ist halb gewonnen,
Halb verloren ist es auch.

(94) Ewiger Bund
Wen einmal Dichterlust ergriff,
Der kann nicht mehr vom Schönen lassen.
Reich schmückt sich dem des Lebens Schiff,
Wen einmal Dichterlust ergriff.
Natur wird ihm das Herz erfassen,
An ihrem Male darf er prassen.
Wen einmal Dichterlust ergriff,
Der kann nicht mehr vom Schönen lassen.

(95) Natur
Der größte Dichtergeist der Welt
Bist du, du heilige Natur!
Treu folgt der ew’gen Schönheit Spur
Der größte Dichtergeist der Welt.
Wie auch die Sonne steigt und fällt,
In Jugendfrische webst du nur,
Du größter Dichtergeist der Welt,
Du ew’ge, heilige Natur.

(96) Das Vaterauge
Ich weiß, ein Vaterauge wacht,
Wenn auch des Schicksals Donner grollen.
Mag Tränenflut vom Auge rollen,
Ich weiß, ein Vaterauge wacht,
Und dadurch sei ihm Dank gebracht,
Dass wir ein fest Vertrauen zollen:
Ich weiß, ein Vaterauge wacht,
Wenn auch des Schicksals Donner grollen.

(97) Ungerechter Tadel
„Wer wird denn stets vom Weine singen?“
Gerecht ist dieser Tadel nicht.
Nur Undank ist es, welcher spricht:
„Wer wird denn stels vom Weine singen?“
Er gibt dem Geiste neue Schwingen,
Es ist’s, der Liederkränze flicht.
„Wer wird den stets vom Weine singen?“
Gerecht ist dieser Tadel nicht.

(98) Wechsel
Jede Zeit hat ihre Plage,
Jede Zeit hat ihre Lust.
Wenn es stürmet, so ertrage,
Jede Zeit hat ihre Plage.
Schnell erschließe deine Brust,
Wenn du merkst, dass Glück dir tage.
Jede Zeit hat ihre Plage,
Jede Zeit hat ihre Lust.

Sonst und jetzt

(99) In meinen jungen Jahren
Hat ich viel Lust und Schmerz.
Die Liebe füllt‘ mein Herz
In meinen jungen Jahren.
Und was ich da erfahren,
War Kummer bald, bald Scherz.
In meinen jungen Jahren
Hatt‘ ich viel Lust und Schmerz.

(100) Das Alter ist gekommen,
Doch besser ist es nicht.
Die Liebe ist verglommen,
Das Alter ist gekommen.
Von neuen Wünschen spricht
Das Herz, bis mir es bricht.
Das Alter ist gekommen,
Doch besser ist es nicht.

(101) Der Mensch muss immer hoffen
Und fürchten auch zugleich.
Hat Unglück dich getroffen –
Der Mensch muss immer hoffen.
Und bist du freudenreich,
Steht’s Herz der Furcht doch offen.
Der Mensch muss immer hoffen
Und fürchten auch zugleich.

(102) Feuerung
Wenn kalt des Winter’s Stürme weh’n,
Schürt an die Glut von Innen.
Lasst rasch herum die Becher geh’n.
Wenn kalt des Winters Stürme weh’n.
Das Eis, es muss zerrinnen
Am Feuer uns’rer Rebenhöh’n.
Wenn kalt des Winter Stürme weh’n,
Schürt an die Glut von Innen.

(103) Adel
Das ist der wahre Seelenadel,
Zu wollen immer nur, was gut.
Nicht zürnen dem gerechten Tadel,
Das ist der wahre Seelenadel.
Wer Gutes wegen Lob nicht tut,
Der hat den echten Heldenmut.
Das ist der wahre Seelenadel,
Zu wollen immer nur, was gut.

(104) Für die Zukunft
Vor dem Handeln muss man denken,
Reue schleichet sonst uns nach.
Weh! Dass ich nicht immer sprach:
Vor dem Handeln muss man denken.
Lass’t Vergang’nes ein uns senken;
Drauf Gedanken erstlich lenken:
Vor dem Handeln muss man denken,
Reue schleichet sonst uns nach.

(105) Der Spröden
Mädchen! Sei nicht allzuwählig;
Später möcht‘ es reuen dich.
Weil die Jahre flieh’n allmählig,
Mädchen! Sei nicht allzuwählig!
Wenn der Jugend Reiz erblich,
Flüchten blad die Freier sich.
Mädchen! Sei nicht allzuwählig,
Später möcht‘ es reuen dich.

(106) Toast
O stoßet alle freudig an,
Und lasst die Braven leben!
Bei uns hier weilt kein schlechter Mann,
Drum stoßet alle freudig an!
Den Bruder-Handschlag geben
Wir dem, den nichts verlocken kann.
O stoßet alle freudig an,
Und lasst die Braven leben!

(107) Hoch!
Hoch, wer seinen Nächsten liebt,
Und es zeigt durch seine Taten.
Wer sein Brot den Armen gibt,
Hoch, da er den Nächsten liebt!
Wer auf seinen Erdenpfaden
Keinen Pilger je betrübt,
Hoch, da er den Nächsten liebt,
Und es zeigt durch seine Taten.

(108) Der Kuss
Ein einz’ger flücht’ger Kuss
Schlägt leicht das Herz in Fesseln.
Es streut oft herbe Nesseln
Ein einz’ger flücht’ger Kuss.
Ich dank’s des Himmels Schluss,
Dass froh ich sagen muss,
Ein einz’ger flücht’ger Kuss
Schlägt leicht das Herz in Fesseln.

(109) Besitztum
Ist die Jugend auch entschwunden,
Dank‘ ich ihr doch vieles Glück.
Freudif schaut mein Herz zurück,
Ist die Jugend auch entschwunden.
Was das offne Herz empfunden,
Wird vom Alter nicht entwunden.
Ist di Jugend auch entschwunden,
Dank‘ ich ihr doch vieles Glück.

(110) Labe
Die heit’re Kunst der Lieder
Erfreute oft mein Herz.
Es bändigt manchen Schmerz
Die heitre Kunst der Lieder.
Es strahlt in ihnen wieder
Der Jugend süßer Scherz.
O heitre Kunst der Lieder
Erfreu noch oft mein Herz!

(111) Kein Prophet
Der Zukunft Schleier lüfte nicht,
Genieße froh, was dir gegeben.
Soll freudenleer nicht sein dein Leben,
Der Zukunft Schleier lüfte nicht.
Wer könnte froh den lick erheben,
Wüsst er, was ein bald auf ihn bricht?
Der Zukunft Schleier lüfte nicht,
Genieße froh, was dir gegeben!

(112) Anhänglichkeit
Könnt‘ ich auch auf zur Sonne fliegen,
Zur Erde kehrt‘ ich doch zurück.
An sie würd‘ ich als Sohn mich schmiegen,
Könnt‘ ich auch auf zur Sonne fliegen.
Hier blühte meiner Jugend Glück,
Hier soll auch meine Asche liegen.
Könnt‘ ich auch auf zur Sonne fliegen,
Zur Erde kehrt‘ ich doch zurück.

(113) Aufruf
Lasst die Kriegstrompete tönen,
Tastet an man euer Recht.
Will ein freches Volk euch höhnen,
Lasst die Kriegstrompete tönen!
Dass ihr siegreich im Gefecht,
Seid ein Volk, das deutsch und echt;
Lasst die Kriegstrompete tönen,
Tastet an man euer Recht.

(114) Genuss
Wenn sanfte Frühlingswinde kosen,
Vergisst man leicht des Winters Not.
Pflückt Veilchen euch und duft’ge Rosen,
Wenn sanfte Frühlingswinde kosen.
Genießet, was der Lenz euch bot;
Gar bald sind seine Freuden tot.
Wenn sanfte Frühlingswinde kosen,
Vergisst man leicht des Winters not.

(115) Stärkung
Wenn wild des Winters Stürme tosen,
Erhält uns Frühlingshoffnung reg.
Die Hoffnung leuchtet unserm Weg,
Wenn wild des Winters Stürme tosen.
Wir wissen deckt Schnee das Geheg,
Das d’raus bald blühen duft’ge Rosen.
Wenn wild des Winters Stürme tosen,
Erhält uns Frühlingshoffnung reg.

(116) Schönste Pflicht
Des Bruders Schmerz zu heilen
Ist süße Menschenpflicht.
Ein schön’res kenn ich nicht,
Als Bruders Schmerz zu heilen.
Mag Unglück mich ereilen,
Wenn mein Gewissen spricht:
Des Bruders Schmerz zu heilen
War meine liebste Pflicht.

(117) Vergessen
Wie viel im Leben ich verlor,
Will ich mir vor nicht sagen.
Ich will auch nicht beklagen,
Wie viel im Leben ich verlor.
Tritt nun der Sonne Licht hervor,
Soll’s Dasein mir behagen.
Wie viel im Leben ich verlor,
Will ich mir d’rum nicht sagen.

(118) Wohlwollen
Kann ich nicht Jugendfreuden teilen,
So gönn‘ ich sie der Jugend doch.
Weil schwer des Greisenalters Joch,
Kann ich nicht Jugendfreuden teilen.
Genießet, eh‘ die Jahr‘ enteilen.
Bleibt nichts, gewiss Erinn’rung noch.
Kann ich nicht Jugendfreuden teilen,
So gönn‘ ich sie der Jugend doch.

(119) Musenquelle
O heit’rer Blick ins Frühlingstal,
Der ist mir der Begeist’rung Quelle.
Mehr hebt, als Wein im Goldpokal,
Ein heit’rer Blick ins Frühlingstal.
Seh‘ ich, wie Kraft die Schöpfung schwelle,
So strömt das Lied auch rein und helle.
Ein heit’rer Blick ins Frühlingstal,
Der ist mir der Begeist’rung Quelle.

(120) Klagelos
Nicht feige will ich klagen,
Dass offen steht das Grab.
Fällt jede Blüte ab,
Nicht feige will ich klagen.
Des Herzens Stimmen sagen,
Im Jenseits muss es tagen.
Drum will ich feig‘ nicht klagen,
Dass offen steht das Grab.

(121) Wann?
O Herz! Wann wird dir Ruhe?
Wann endet deine Qual?
Schon seufzt‘ ich tausendmal:
O Herz! Wann wird dir Ruhe?
Wenn brach des Auges Strahl,
Erst in der schwarzen Truhe,
O Herz, da wird dir Ruhe,
Da endet deine Qual.

(122) Am 18. Oktober
Auf den Bergen flammt die Lohe,
Siegesjubel tönt im Tal.
Dass ist ein Erinn’rungsstrahl,
Dass auf Bergen flammt die Lohe.
Die Begeisterung, die hohe,
Nährt in eurer Brust zumal,
Dass auf Bergen flammt die Lohe,
Siegesjubel tönt im Tal.

An –
Zum Angebinde

(123) Zu deinem Angebinde
Ein freundlich Triolett,
Weil ich nichts bess’res finde
Zu deinem Angebinde.
Es sagt sich kurz und nett
Dein Glück sei mein’s. Ich winde
Zu deinem Angebinde
Ein freundlich Triolett.

(124) Wollt‘ ich die Wünsche sagen,
Die nährt mein Herz für dich,
Nicht könnt‘ ich’s in zwölf Tagen.
Wollt‘ ich die Wünsche sagen,
Nie, wahrlich! endet‘ ich.
Ich wäre zu beklagen,
Wollt‘ ich die Wünsche sagen,
Die nährt mein Herz für dich.

(125) Du weißt es längst ja schon,
Was ich dir wünsche Gutes.
Du sagtest mir mit Hohn,
Du wüsstest längst es schon.
Drum send‘ ich frohen Mutes
Ein Liedchen leichten Blutes.
Weil weißt du längst es schon,
was ich dir wünsche Gutes.

(126) Gruß
Heil, Heil dir, liebes Frankenland!
Dir ströme reichlich Gottes Segen,
Und allwärts schalle dir entgegen:
Heil, Heil dir, liebes Frankenland!
Ind wirst du oftmals auch verkannt,
Treu willst du doch das Rechte pflegen.
D’rum Heil dir, liebes Frankenland,
Dir ströme reichlich Gottes Segen.

(127) Gleichviel
Sei Sturmesnacht, sei Sonnenschein,
Wir steuern sicher zu dem Ziele.
Mein Mut wird gleich sich immer sein,
Sei Sturmesnacht, sei Sonnenschein.
Ja! Strenge tadeln muss ich viele,
Die Angst und Kummer schüchtert ein.
Sei Sturmesnacht, sei Sonnenschein,
Wir steuern sicher zu dem Ziele.

(128) Vorsicht
Willst du duft’ge Rosen pflücken,
O vergiss da nicht den Dorn.
Lass vom Schin dich nicht berücken,
Willst du duf’ge Rosen pflücken.
Leicht verstopft des Glückes Born,
Was versprochen uns Entzücken.
Willst du duft’ge Rosen pflücken,
O vergiss da nicht den Dorn.

(129) Glückslos
Glücklich, wer sich lässt genügen,
Eitlem Schimmer nach nicht strebt.
Dankend sag‘ ich mit Vergnügen:
Glücklich, wer sich lässt begnügen.
Wem sein Glück im Herzen lebt,
Schreibt die Schrift mit goldnen Zügen:
Glücklich, wer sich lässt begnügen,
Eitlem Schimmer nach nicht strebt.

(130) Lenzleben
Wenn die ersten Knospen schwellen,
Wird das Herz auch wieder jung.
Selbst den Geist treibt neuer Schwung,
Wenn die ersten Knospen schwellen.
Neue Freudenlieder quellen
Zu des Lenzes Huldigung.
Wenn die ersten Knospen schwellen,
Wird das Herz auch wieder jung.

(131) Rüge
Lass dich durch den Schein nicht trügen,
Du mein allzuoffnes Herz!
Wohl verdienest du die Rügen:
Lass dich durch den Schien nicht trügen.
Doch das mildert meinen Schmerz,
Dass ich selbst nie sank zum Lügen.
Lass dich durch den Schin nicht trügen,
Du mein allzuoffnes Herz!

(132) Lebenssonne
Was die Sonne ist dem Leben.
Ist die Liebe für das Herz.
Auch die Freundschaft kann uns geben,
Was die Sonne ist dem Leben.
Freundschaft, Liebe, sie erheben
Aus dem Staube himmelwärts.
Was die Sonne ist dem Leben,
Ist die Liebe für das Herz.

(133) Alles seiner Zeit
Für des Lebens Mai die Liebe,
Freundschaft für des Lebens Herbst.
Wie dem Frühling Blütentriebe,
So dem Lebensmai die Liebe.
Kranz, wenn du dich welk entfärbst,
Bleibt nichts, wenn nicht Freundschaft bliebe.
Für des Lebens Mai die Liebe,
Freundschaft für des Lebens Herbst.

(134) Einzige Hoffnung
Mein Hoffen steht auf Gott allein,
Er kann mir sicher Hilfe senden.
Mag mir das Aug‘ voll Tränen sein,
Mein Hoffen steht auf Gott allein.
Wenn alle treulos ab sich wenden,
Wenn meine Lebensstunden enden –
Mein Hoffen steht auf Gott allein,
Er kann mir sicher Hilfe senden.

(135) Gott
Ganz verlassen hast du mich noch nie;
Nahe warst du, wenn die Not am größten.
Darum kann der Spruch mein Her auch trösten:
Ganz verlassen hast du mich noch nie.
Was zur Prüfung mir den Schluss verlieh,
Trug ich still, bis sich die Schmerzen lösten.
Ganz verlassen hast du mich noch nie.
Nahe warst du, wenn die Not am größten.

Neujahrswunsch

(136) Wünsche zu dem neuen Jahre
Brauchst du wahrlich heute nicht.
Gar zu selten sind es wahre
Wünsche zu dem neuen Jahre.
Dass dich Gott vor solchen wahre,
Die allein die Lippe spricht!
Wünsche zu dem neuen Jahre
Brauchst du wahrlich heute nicht.

(137) Was dir kann das Herz beglücken,
Hast du schon im Überfluss.
Reichlich spendet dir Entzücken,
Was dir kann das Herz beglücken,
Und es steht durch Himmelsschluss
Dir das Glück auf ehrnem Fuß.
Was dir kann das Herz beglücken,
Hast du schon im Überfluss.

(138) Keine Wünsche will ich sagen,
Denn du kennest längst mein Herz.
Lass nach Floskeln andre jagen,
Keine Wünsche will ich sagen.
Flehend blick ich himmelwärts,
Und ich sage nicht aus Scherz:
Keine Wünsche will ich sagen,
Denn du kennest längst mein Herz.

(139) Wechsel
Je höher stieg dein Flug,
So tiefer kannst du fallen.
Sei stets gerecht du allen,
Je höher stieg dein Flug.
Du hoffst mit Recht und Fug,
Zu stehn, bedenkst du klug:
Je höher stieg dein Flug,
So tiefer kannst du fallen.

(140) Liederquell
Stoff zu neuen Liedern spendet
Unerschöpflich die Natur.
Heil dir, wenn die Quelle nur
Stoff zu neuen Liedern spendet.
Sie ist göttlich schön vollendet.
Wahrt des Schöpfers heil’ge Spur.
Stoff zu neuen Liedern spendet
Unerschöpft drum die Natur.

(141) Wiegenlied
Schließ‘ deine Äuglein zu,
Und träume süße Sachen.
Dass bald du kannst erwachen,
Schließ‘ deine Äuglein zu.
Mag, wenn erwachsen du,
Das Leben so dir lachen,
Dass, schließt das Aug‘ sich zu,
Du träumest süße Sachen.

(142) Vergeblicher Wunsch
Könnt‘ ich jemal nur vergessen,
Was mich glücklich sonst gemacht!
Dann nicht seufzt‘ ich jede Nacht:
Könnt‘ ich jemals nur vergessen!
Unter Rosen und Zypressen
Drängt zur Lippe sich mit Macht:
Könnt‘ ich jemal nur vergessen,
Was mich glücklich sonst gemacht!

(143) Nachgenuss
Ich habe gelebt und genossen;
Leer ist itzt der Freude Pokal.
Gott dank‘ ich’s, ihr trauten Genossen,
Ich habe gelebt und genossen.
Und wird mir der Scheitel auch kahl,
Luft labt noch, wenn sie auch verflossen.
Ich habe gelebt und genossen;
Sei leer nun der Freude Pokal.

(144) Kurz gebunden
Wird mir auch ein Wunsch versaget,
Gräm‘ ich mich doch nicht darob.
Töricht nenn‘ ich den, der klaget,
Wird ihm auch ein Wunsch versaget.
Was mich sonst mit Lust umwob,
Hat mir bald nicht mehr behaget.
Wird mir auch ein Wunsch versaget,
Gräm‘ ich mich doch nicht darob.

(145) Toleranz
Ich nenne keinen einen Toren,
Der’s Herz an eitle Dinge hängt.
Ich weiß, wie oft ich mich gekränkt,
Wenn man genannt mich einen Toren.
Das hat mir oft das Glück geschworen,
Woran mit Spott ein And’rer denkt.
Ich nenne keinen einen Toren,
Der’s Herz an eitle Dinge hängt.

(146) Trostloser Zustand
Wohl dir, wenn noch der Liebe Schmerzen
Die ganze Seele dir durchglüh’n!
Mir kann kein Glück auf Erden blüh’n.
Wohl dir, wenn noch der Liebe Schmerzen
Dir Wünsche lassen; meinem Herzen
Fehlt Mut, um Glück mich zu bemüh’n.
Wohl dir, wenn noch der LIebe Schmerzen
Die ganze Seele dir durchglüh’n!

(147) Antwort
Warum ich doch zufrieden,
Wenn ich auch nicht genieße?
Der Frage Lösung fließe,
Warum ich doch zufrieden,
Dir draus, dass Lust mir sprieße,
Ist Andern Glück beschieden.
Drum bin ich doch zufrieden,
Wenn ich auch nicht genieße.

(148) Gerechtigkeit
Willst du einen Andern richten,
Schau erst in dein eignes Herz.
Sieh, was noch bei dir zu schlichten,
Willst du einen Andern richten.
Heut ist Lust, was morgen Schmerz;
Heut bist mild du, morgen Erz.
Willst du einen Andern richten,
Schau erst in den eignes Herz.

(149) Gleiches Maß
Jeder sieht mit andern Augen,
Und er glaubt, er sehe gut.
Milde sollst daraus du saugen:
Jeder sieht mit andern Augen.
Denke, wie es wohl dir tut,
Wenn die Andern Nachsicht brauchen.
Jeder sieht mit andern Augen,
Und er glaubt, er sehe gut.

(150) Größtes Glück
Ein heiteres Gemüt,
Das immer sich begnüget!
Wie’s auch das Schicksal füget,
Ein heiteres Gemüt!
Heil dem, dem allzeit blüht,
Wenn Schicksals Blitz auch glüht,
Ein heiteres Gemüt,
Das immer sich begnüget.

(151) Guter Gedanke
Heute mir und morgen dir,
Das ist’s Los im Erdenleben.
Denke, will dich’s Schicksal heben:
Heute mir und morgen dir!
Milde, Edler schönste Zier.
Wird der Himmel, denkst du, geben:
Heute mir und morgen dir!
Das ist’s Los im Erdenleben.

(152) Schein trügt
Nicht alles, was uns schlimm erscheint,
Ist darum wirklich böse.
Es zeigt des Nächsten Blöße
Nicht alles, was uns schlimm erscheint.
Nur das entscheidet, wie’s gemeint,
Des Bruders Wert und Größe.
Nicht alles, was uns schlimm erscheint,
Ist darum wirklich böse.

153) Beste Arznei
Wenn dich ein herber Kummer drückt,
So kann nur die Natur ihn heilen.
Sie ist’s, die wieder dich beglückt,
Wenn dich ein herber Kummer drückt.
Wenn Tränen deinem Aug‘ enteilen,
Du tief verletzt von Schicksalspfeilen,
Wenn dich ein herber Kummer drückt,
So kann nur die Natur dich heilen.

(154) Ewiger Lenz
Ein Jugenlenz, der nie verblühet,
Ist uns’rer Brust die Poesie.
Sie bleibt, wenn Sommerschwüle glühet,
Ein Jugendlenz, der nie verblühet.
Im Glück und Unglück flieht sie nie;
Selbst wenn des Alters Last uns blühet,
Ist Jugendlenz, der nie verblühet,
Für uns’re Brust die Poesie.

(155) Leichter raten als tun
O hemme deiner Tränen Lauf!
Das ist gar leicht zu sagen.
Leicht spricht, wem steht der Himmel auf:
O hemme deiner Tränen Lauf!
Wen herb Geschick geschlagen,
Rät nicht bei fremden Klagen:
O hemme deiner Tränen Lauf!
Obgleich es leicht zu sagen.

(156) Vorfrage
Wenn mir ein And’rer das getan,
Was würd‘ ich wohl empfinden?
Willst handeln du, denk‘ erst daran:
Wenn mir einAnd’rer das getan?
Dein Herz neigt sicher sich zum Linden,
Fragst stehts du auf des Lebens Bahn:
Wenn mir ein And’rer das getan,
Was würd‘ ich wohl empfinden?

(157) Zu spät und zu früh
O hätt‘ ich’s immer nur bedacht,
Bevor ich kräftig wollte handeln!
Der Seufzer hat mir Gram gebracht:
O hätt‘ ich’s immer nur bedacht!
Nie wird die Bahn zum Großen wandeln,
Wer stets zuerst und ängstlich sagt:
O hätt‘ ich immer nur bedacht,
Bevor ich kräftig wollte handeln.

(158) Heilmittel
Das beste Mittel ist die Zeit
Selbst für die tiefsten Herzenswunden.
Vertrau‘ du ihr, du wirst gesunden,
Das beste Mittel ist die Zeit.
Und glaubst du, Trost sei noch so weit,
Gar bald, gar bld hast du gefunden,
Das beste Mittel sei die Zeit
Selbst für die tiefsten Herzenswunden.

(159) Warnung
Willst du mir treu nicht sein,
So wirst du’s schon beklagen.
Das siehst du wohl noch ein,
Willst du mir treu nicht sein.
Kein Treurer wird dich frein.
Was brauch‘ ich Tor zu sagen:
Willst du mir treu nicht sein,
So wirst du’s schon beklagen.

(160) Gleichheit im Wechsel
Heute trübe, Morgen heiter,
Heute heiter, Morgen trüb!
So rollt’s kurze Leben weiter,
Heute trübe, Morgen heiter.
Dass es so ist, ist mir lieb.
Tröstend bleibt mir als Beileiter:
Heute trübe, Morgen heiter,
Heute heiter, Morgen trüb.

(161) Gedenktafel
Wer auch ein einz’ges Mal betrogen,
Betrügt zum zweiten Mal mich wieder nicht.
Für immer ist das Urteil dem gewogen,
Wer auch ein einz’gesmal mich nur betrogen.
Kein freundlich Wort, kein freundliches Gesicht
Macht, dass der Täuschung Eindruck mir verflogen.
Wer auch ein einz’gesmal mich nur betrogen,
Betrügt zum zweitenmal mich wieder nicht.

(162) Glücklicher Trost
Mein Lieblichen trotzt gar oft mit mir;
Doch will ich diesen Trotz nicht missen,
Denn Wonne bringt es für und für,
Wenn’s Liebchen einmal trotzt mit mir.
Es sühnt, versöhnt mit tausend Küssen.
Drum, Freund! vergnügt verkünd‘ ich dir:
Mein Liebchen trotzt gar oft mit mir,
Doch will ich diesen Trotz nicht missen

(163) Besserer Grund
Der hat’s gesagt, der hat’s gesagt,
Das dient mir nimmer zu Beweisen.
Wie viel hat Unglück schon gemacht:
Der hat’s gesagt, der hat’s gesagt!
Willst du mich fort zum Handeln reißen,
Dann zeige Taten, die vollbracht.
Der hat’s gesagt, der hat’s gesagt,
Das dient mir nimmer zu beweisen.

(164) Kopf und Herz
O Freund, das Herz hat auch sein Recht;
Nicht soll’s dem Kopf als Sklave dienen.
Denk‘, wenn ich dir zu rasch erschienen,
O Freund, das Herz hat auch sein Recht.
Was groß auf dieses Lebens Bühnen,
Ruft laut dem menschlichen Geschlecht:
Des Edlen Herz hat auch sein Recht,
Nicht soll’s dem Kopf als Sklave dienen.

(165) Unterschied
Was Böses mir ein Irrtum tat,
Das kann ich gern und leicht vergeben.
Mein Zorn wird lange dem nicht leben,
Was Böses mir ein Irrtum tat.
Doch merket, wer den schlimmen Rat
Zur Kränkung will gen mich erheben;
Was Böses mir der Irrtum tat,
Das kann ich, Bosheit nicht vergeben.

(166) Universalmittel
Ein gutes Glas von Frankenwein
Kann stets das Herz uns heiter stimmen.
Drum nehmt‘ wenn schlägt das Unglück ein,
Ein gutes Glas von Frankenwein!
Solang noch Lebensfünkchen glimmen,
Kann immerhin noch Rettung sein
Im guten Glas von Frankenwein,
Das stets das Herz wird heiter stimmen.

(167) Können und Wollen
Ich möchte wohl, doch kann ich nicht
All meine Brüder glücklich wissen.
Oft seufz‘ ich, wenn die Kraft gebricht:
Ich möchte wohl, doch kann ich nicht.
Und muss ich den Erfolg auch missen,
So ist es Trost, wenn’s Herz mir spricht:
Ich möchte wohl, doch kann ich nicht
All meine Brüder glücklich wissen.

(168) Rat
Tu nur, was deine Kraft vermag,
Des Nebenmenschen Glück zu mehren!
Es folgt dir keine Reue nach,
Tust du, was deine Kraft vermag.
Es wird dein Streben jeder ehren,
Will Gott Gedeih’n auch nicht bescheren,
Tust du, was deine Kraft vermag.
Des Nebenmenschen Glück zu mehren.

(169) Liebe Gabe
Der Strauß, den du mir dargereicht,
Erfüllt mein Herz mit hoher Freude.
Des Herzens zarte Regung zeigt
Der Strauß, den du mir dargereicht.
Es sagt, wenn ihn auch Sturm zerstreute,
Dass stets du bleibst mir treu geneigt,
Der Strauß, den du mir dargereicht.
Drum füllt er mir das Herz mit Freude.

(170) Trost
Viel Tolles hab‘ ich schon gemacht,
Doch, Gott sei Dank! Nichts Schlechtes!
Hab‘ ich nicht oft mir selbst gesagt:
Viel Tolles hab‘ ich schon gemacht!
Wohl dem, der tut was Rechtes,
Und beizusetzen hat die Macht:
Viel Tolles hab‘ ich schon gemacht!
Doch, Gott sei Dank! Nichts Schlechtes.

(171) Wahrheit
Wer an sich selbst allein nur denkt,
Der misst fürwahr gar viele Freuden.
Kein menschlich Herz ward dem geschenkt,
Wer an sich selbst allein nur denkt.
Wie tiefd wird in mein Herz gesenkt,
Kann bannen ich des Freundes Leiden:
Wer an sich selbst allein nur denkt,
Der misst fürwahr gar viele Freuden!

(172) Sonst und Jetzt
O jetzo klag‘ ich nimmer mehr,
Jetzt bin ich mehr erfahren.
Und was auch komme mir daher,
O jetzo klag‘ ich nimmer mehr.
Ichh muss all Glück gewähren,
Dass aus ich rufe schmerzenleer:
O jetzo klag‘ ich nimmer mehr,
Jetzt bin ich mehr erfahren.

(173) Unwandelbar
Ich lasse nimmermehr von dir,
Weil ganz ich deinen Wert erkundet.
Selbst wenn dein Wort mein Herz verwundet,
So lass ich nimmermehr von dir.
Zum höchsten Glück wär‘ ich gesundet,
Verkündete dein Mund nur mir:
Ich lasse nimmermehr von dir,
Weil ganz ich deinen Wert erkundet!

(174) Gutmütigkeit
Hörst du Freudenbecher klingen,
Gönn‘ sie denen, die beglückt.
Lass den Neid dich nicht bezwingen,
Hörst du Freudenbecher klingen.
Wenn den Edlen Gram auch drückt,
Wird sein Herz doch noch entzückt,
Hört er Freudenbecher klingen,
Die der andern Herz beglückt.

175) Das Schlimmste
Des Menschen-Herzens Wankelmut –
Von dem will ich nichts sagen.
Viel Wunden hat geschlagen
Des Menschen-Herzens Wankelmut.
Oft hatt‘ ich, wenn ich traut und gut
In meines Liebchens Arm geruht,
Von Menschen-Herzens Wankelmut
Gar Herbes zu beklagen.

(176) Grund
Der Liebsten, die ich kenne,
Weih‘ gern ich jedes Lied.
Gehört ja mein Gemüt
Der Liebsten, die ich kenne.
Dass ich zum Sang entbrenne,
Macht sie, die für mich glüht.
Der Liebsten, die ich kenne,
Weih‘ gern ich jedes Lied.

(177) Glück
Stets hat es Freude mir gemacht,
Konnt‘ Anderen ich Frohes bringen.
Könnt‘ födern ich dem Freund Gelingen,
Hat stets es Freude mir gemacht.
Gemeinheit hat mich oft verlacht,
Wenn frohen Herzens ich gesagt:
Stets hat es Freunde mir gemacht,
Konnt‘ Anderen ich Freude bringen.

(178) Verlust
Wer stets nur denkt auf Geldgewinn,
Wird sicherlich gar viel verlieren.
Die Zeit schlüpft unbenützt dem hin,
Wer stets nur denkt auf Geldgewinn.
Wird Silberschnee das Haupt ihm zieren,
Dann seufzt er – trüb ist Herz und Sinn –
Wer stets nur denkt auf Geldgewinn,
Wird sicherlich gar viel verlieren.

(179) Rechtes Maß
Es soll der Zukunft jeder denken,
Und heiter wird sein Leben sein.
Drum präge jeder wohl sich ein:
Es soll der Zukunft jeder denken.
Doch soll dabei dem ros’gen Schein
Des Augenblicks sein Herz er schenken.
So soll der Zukunft jeder denken,
Dann wird sein Leben heiter sein.

(180) Bitte
Wenn ich den frohen Becher hebe,
Dann kommet mir mit Ernstem nicht!
Sei’s, dass ich auch der Welt entschwebe,
Wenn ich den vollen Becher hebe.
Dass mir zum Ernst nicht Kraft gebricht,
Drum ganz der Lust ich hin mich gebe,
Wenn ich den frohen Becher hebe,
So kommt mir auch mit Ernstem nicht.

(181) Wechsel
O tut nur alles zur bestimmten Zeit;
Scherz muss in Ernst, und Ernst in Scherz sich wandeln.
Den lohnt am Ziel nur Siegesfreudigkeit,
Wer alles tut zu der bestimmten Zeit.
Wer aber scherzhaft will den Ernst behandeln.
Und ernst den Scherz, der tut mir wahrlich leid!
O tut nur alles zur bestimmten Zeit,
Muss Ernst in Scherz und Scherz in Ernst sich wandeln.

(182) Grund
Viele hör‘ ich immer klagen,
Aber ach! Sie handeln nicht.
Weil zur Tat die Kraft gebricht,
Hör‘ ich immer viele klagen.
Wer mit Mut sein Recht verficht,
Braucht als Tugend nicht „Ertragen“.
Viele hör‘ ich immer klagen,
Weil sie männlich handeln nicht.

(183) Sie an Ihn
Pocht es nicht dir im Gewissen,
Wenn ein Schmetterling du bist?
Willst du And’rer Lippen küssen,
Pocht es nicht dir im Gewissen?
Dich hab‘ ich allein geküsst;
Rache werd‘ ich nicht vermissen.
Pocht es dir nicht im Gewissen,
Wenn ein Schmetterling du bist?

(184) Er an Sie
Dein süßer Mund, so purpurrot,
Macht, dass ich leicht die Andern misse.
Er ist’s, der Himmelslust mir bot,
Dein süßer Mund, so purpurrot.
Wenn ich dein Lippenpärchen küsse,
Würd‘ ich lebendig, wär‘ ich tot.
Drum macht dein Mund so purpurrot,
Dass ich gar leicht die Andern misse.

(185) Sie an Ihn
O könnte man den Männern trau’n,
Wenn sie mit schönen Worten spielen!
Oft sag‘ ich mir mit Angstgefühlen:
O könnte man den Männern trau’n,
Nach Andern seh‘ ich oft dich schau’n,
Den Blick nach mir nur selten zielen.
O könnte man den Männern trau’n,
Wenn sie mit schönen Worten spielen!

(186) Er an Sie
Dich hab‘ ich immer nur am Herzen,
Mein Blick mag schweifen, wo er will.
Siehst du mich auch mit Andern scherzen,
Dich hab‘ ich immer nur im Herzen.
Drum schweige mit den Klagen still,
Und banne jede Zweiflerschmerzen.
Dich hab‘ uch immer nur im Herzen,
Mein Blick mag schweifen, wo er will.

(187) Antwort
Sind es die Augen, ist’s der Mund,
Die halten stets mein Herz gefangen?
O könnte Antwort ich erlangen!
Sind es die Augen, ist’s der Mund?
Ha! In der Seele wird mir kund,
Dass mich dein ganzes Ich umfangen;
Drum nicht die Augen, nicht der Mund
Behalten stets mein Herz gefangen.

(188) An Baron Friedrich
Wenn du fort von mir gezogen,
Denke manchmal freundlich mein!
Treu bleibt dir mein Herz gewogen,
Wenn du fort von mir gezogen.
Möge stets dein Glück gedeih’n,
Wird mein Wunsch tagtäglich sein.
Drum, wenn fort du auch gezogen,
Denke manchmal freundlich mein!

(189) Beruhigung
Nicht alle Tag‘ ist Sonnenschein;
Der Wechsel nur erhält das Leben.
Die Wahrheit macht mein Herz ergeben,
Nicht alle Tag‘ ist Sonnenschein;
Und treten Unglücks-Wetter ein,
Muss wieder mich der Spruch erheben,
Nicht alle Tag‘ ist Sonnenschein,
Der Wechsel nur erhält das Leben.

(190) Trost
Kommt das Unglück über Nacht,
Kann der Morgen Glück auch bringen.
Suche mutig nur zu ringen,
Kommt das Unglück über Nacht.
Das Geschick wirst du bezwingen,
Hast du reichlich überdacht,
Dass, kommt Unglück über Nacht,
Glück der Morgen dir kann bringen.

(191) Zuruf
O Freund! Verlassen bist du nicht,
Wenn du nicht selber dich verlassen.
Wenn an die Nacht des Schicksals bricht,
O Freund! verlassen bist du nicht.
Fest muss der Feind dein Auge fassen,
Und Manneskraft ist Mannespflicht.
O Freund! Verlassen bist du nicht,
Wenn du nicht selber dich verlassen.

(192) Vertrauen
Kein Schicksalslos ist allzuschwer,
Gott schickt nicht mehr, als zu ertragen.
Das ist dem Siege die Gewähr,
Kein Schicksalslos ist allzuschwer.
Kannst du nur stets in Wahrheit sagen:
Nicht eig’ne Schuld hat mich geschlagten,
Dann ist kein Schicksalslos zu schwer,
Gott schickt nicht mehr, als zu ertragen.

(193) An X.
Nenn immerhin mein Dichten Spielerei,
In leichten Formen leichte Waren!
Nie wirst du meinen Zorn gewahren,
Nennst immer du mein Dichten Spielerei.
Scherz macht dem Ernst zur Tat die Bahnen frei,
Und Täuschung führet oft zum Wahren.
Drum nennen du mein Dichten Spielerei,
In leichten Formen leichte Waren.

(194) Bemerkung
Ein Gläschen Wein kann uns erheitern,
Doch viele machen wirr im Kopf.
Es leugnet nur ein mürr’scher Tropf,
Dass kann ein Gläschen Wein erheitern.
Doch will der Sinne Schiff dir scheitern,
Entschlage dann dich alles Weitern.
Ein Gläschen Wein kann uns erheitern,
Doch viele machen wirr im Kopf.

(195) Mahnung
Merkt es euch, ihr muntern Zecher,
Mäßigkeit gewährt Genuss.
Sitzt ihr bei dem vollen Becher,
Merkt euch das, ihr muntern Zecher!
Drum, dass euch nicht Überdruss
Eure Freuden mache schwächer,
Merkt es euch, ihr muntern Zecher,
Mäßigkeit gewährt Genuss.

(196) Selbstbekenntnis
Wer störrig folgt nur seinem Sinn,
Wird ab gar oft vom Ziele irren.
Die Täuschung nehme jeder hin,
Wer störrig folgt nur seinem Sinn.
Ich selber bin nicht leicht zu kirren,
Weswegen überzeugt ich bin,
Wer störrig folgt nur seinem Sinn,
Wird ab gar oft vom Ziele irren.

(197) Ungerechtigkeit
Wenn ich tief ins Gläschen schaue,
Da verdammen mich gleich alle.
Wahr ist, dass da bald ich lalle,
Wenn ich tief ins Gläschen schaue.
Wüsstet ihr, was ich erbaue
Mir für eine Glückeshalle,
Würdet, wenn ins Glas ich schaue,
Ihr mich nicht verdammen alle.

(198) Aufforderung
Wer nie noch einen dummen Streich gemacht,
Der schleudre nur auf mich die ersten Steine,
Da ich aus tiefster Seele den beweine,
Der nie noch einen dummen Streich gemacht.
Da keine Hand sich findet, wahrlich keine,
Wird kühn von mir die Fordrung vorgebracht:
Wer nie noch einen dummen Streich gemacht,
Der schleudre nur auf mich die ersten Steine.

(199) Klugheit
Nicht alles, was ich weiß,
Will ich darum auch wissen.
Ich weiß gar oft mit Fleiß
Nicht alles, was ich weiß.
Der Kluge ist beflissen,
Zu sagen – seis mit Schweiß –
Nicht alles, was ich weiß,
Will ich darum auch wissen.

(200) Prüfung
Was heute süß erscheint,
Kann morgen nicht behagen.
Drum dem sich schnell vereint,
Was heute süß erscheint.
Kannst du den Wunsch erjagen,
Dann brauchst du nicht zu klagen:
Was heute süß erscheint,
Kann morgen nicht behagen.

(201) Rat
Reicht man dir der Lust Pokal,
Schlürfe du ihn bis zur Neige.
Zaudre lange nicht mit Wahl,
Reicht man dir der Lust Pokal.
Weißt du, dass das Glücksrad steige,
Dass es fällt, ein Blitzesstrahl?
Reicht man dir der Lust Pokal,
Schlürfe du ihn bis zur Neige.

(202) Hässlicher Anblick
Wem mit Erz das Herz umgittert,
Dass ihm das Gefühl erstarb,
Der erbebt nicht, wenn es wittert.
Wem mit Erz das Herz umgittert,
Ruhe wohl sich, der erwarb.
Schaudernd doch mein Herz erzittert,
Seh‘ ich, wem das Herz umgittert,
Dass ihm das Gefühl erstarb.

(203) Hoffnungslosigkeit
Mögen Frühlingslüftchen fächeln,
Mich erquicken sie nicht mehr.
Ab mir locken sie kein Lächeln,
Mögen Frühlingslüfte fächeln.
Weh mir! Dass ich hoffnungsleer,
Dass ich seufze kummerschwer:
Mögen Frühlingslüftchen fächeln,
Mich erquicken sie nicht mehr.

(204) Sonst und jetzt
Nur das Heute, nicht das Morgen
Nahm in Anspruch sonst mein Herz.
Mir erfüllt die Brust mit Scherz
Nur das Heute, nicht das Morgen.
O wie war ich wohl geborgen,
Da vor Zeiten, ohne Sorgen,
Nur das Heute, nicht das Morgen
Mir in Anspruch nahm das Herz.

(205) Vergeblicher Rat
Lass, was ich bedrücket, fahren!
Ach! Das ist so leicht gesagt.
Wer vermag stets zu bewahren:
Lass, was dich berdrücket, fahren!
Schmerzlich hab‘ ich oft geklagt,
Rieten mir, die unerfahren:
Lass, was dich bedrücket, fahren!
Ach! Das ist so leicht gesagt.

(206) Semper idem
Heute so und morgen so!
Gelten mag das wohl für Andre.
Mir nicht gilt, wohin ich wandre:
Heute so und morgen so.
Festigkeit nur macht mich froh.
Immer sag‘ ich drum: Ho! Ho!
Heute so und morgen so!
Gelten mag das wohl für andre.

(207) Labe
Wenn mir ein Schmerz die Brust beengt,
So bin ich doch nicht ganz verlassen.
Kann ich nur einen Anker fassen,
Wenn mir ein Schmerz die Brust beengt.
So lang ein Lied empor sich drängt,
Das Trost und Balsam mir noch schenkt,
Wenn mir ein Schmerz die Brust beengt,
So bin ich gänzlich nicht verlassen.

(208) Sicherer Port
Lass das Wetter stürmen,
Wie es immer will.
Mag die Flut sich türmen,
Lass das Wetter stürmen.
Ist’s im Herzen still,
Wird dein Glück sich schirmen,
Mag das Wetter stürmen,
Wie es immer will.

(209) Erklärung
Ich bettle wohl um einen Kuss,
Doch will er nicht genügen.
Auch das ist mir Vergnügen,
Zu betteln nur um einen Kuss.
Weil allzu selig der Genuss,
Muss Kuss an Kuss sich fügen.
Drum, bettl‘ ich nur um einen Kuss,
So kann er nicht genügen.

(210) Grund
Entstöpsle mir noch eine Flasche!
Dann aber schließen wir’s für heut.
Auf Kellner! Mir ist’s Herz erfreut,
Entstöpsle mir noch eine Flasche.
Je mehr ich von dem Nektar nasche,
So lauter ruf‘ ich allezeit:
Entstöpsle mir noch eine Flasche,
Dann aber schließen wir’s für heut!

(211) Schuld
So hat’s die Liebe nur getan,
Wenn ich recht dumme Streiche mache,
Es heißt bei jeder schiefen Sache:
Es hat’s die Liebe nur getan.
Jetzt, da mir Greisenjahre nahn,
Muss hören ich auch noch die Sprache,
Es hat’s die Liebe nur getan,
Wenn ich recht dumme Streiche mache.

(212) Prophezeiung
O gib mir doch nur einen Kuss!
Du wirst es wahrlich nicht bereuen.
Lass lang nicht betteln deinen Treuen:
O gib mir doch nur einen Kuss!
Ich bin gewiss, dass bald dann muss
Dein eigner Mund den Wunsch erneuen:
O gib mir doch nur einen Kuss!
Du wirst es wahrlich nicht bereuen.

(213) Klage
Dass ich von Kuss und Becher singe,
Ist wahrlich jetzt nur Spielerei.
Es ist der Anlass längst vorbei,
Dass ich von Kuss und Becher singe.
Erinnerung zaubert vor mir Dinge,
Die mich ergötzt, so wahr und treu,
Dass ich von Kuss und Becher singe,
Wenn’s jetzt auch nichts als Spielerei.

(214) Mahnung
O wüsstet ihr, wie’s mir ums Herz,
Ihr würdet wahrlich mich bedauern.
Ihr schontet mich mit eurem Scherz,
O wüsstet ihr, wie’s mir ums Herz.
Was euch erfreut, füllt mich mit Schmerz,
Da Eifersucht mich will umaluern,
O wüsstet ihr, wie’s mir ums Herz,
Ihr würdet wahrlich mich bedauern.

(215) Immer gleich
Wie ich mich immer stellen mag,
Ich schieße stets daneben.
Mir bleibt voll steten Glücks kein Tag,
Wie ich mich immer stellen mag.
Je mehr ich an will streben,
Des Glückes Schatz zu heben,
So mehr, wie ich mich stellen mag,
Schieß sicher ich daneben.

(216) Glücklicher Fund
Wenn sich verwandte Herzen finden,
dann strömt des HImmels Segen aus.
Ein bleibend Glück bewohnt das Haus,
Wenn sich verwandte Herzen finden.
Eins sucht das Andre loszubinden
Vom Weh, das bringt des Sturms Gebraus;
Wenn sich verwandte Herzen finden,
Dann strömt des Himmels Segen aus.

(217) Heilmittel
Ein Lächeln von der Liebsten Mund
Kann alle Schmerzen heilen.
Es kann die Wolken teilen
Ein Lächeln von der Liebsten Mund.
Und sei das Herz auch noch so wund,
Durchbohrt von Schicksals-Pfeilen,
Ein Lächeln von der Liebsten Mund
Kann alls Schmerzen heilen.

(218) Frage
Vermag dein Lächeln mich zu heilen,
Warum denn lächelst du mir nicht?
Es ist fürwahr dir heil’ge Pflicht,
Vermag dein Lächeln mich zu heilen.
Die Hülfe suche zu beeilen,
Bevor mein Mund dir zürnend spricht:
„Vermag dein Lächeln mich zu heilen,
Warum denn lächelst du mir nicht?“

(219) Entbehrliches
Itzt brauchen wir nicht steifen Ball
Und kunstgezierte Bühnen.
Es ist der Lenz erschienen,
Drum brauchen wir nicht steifen Ball.
Ein Jubeltanz erfüllt das All,
Lust spricht aus allen Mienen;
Drum brauchen wir nicht steifen Ball
Und kunstgezierte Bühnen.

(220) Ersatz
Der Mai ist wiederum gekommen,
Und er ersetzt, was ich verlor.
Drum sing‘ ich mit der Brüder Chor:
Der Mai ist wiederum gekommen.
Was Sommer. Winter, Herbst genommen,
Reicht schoner, als es war zuvor,
Der Mai, der wiederum gekommen,
Der mir ersetzt, was ich verlor.

(221) Unmögliches
Dass ich dem Lenz nicht Lieder singe,
Das wird mir wohl unmöglich sein.
Mich zwinget nur der Totenschrein,
Dass ich dem Lenz nicht Lieder singe.
Er stärket neu des Geistes Schwinge,
Verlornes macht Erinnrung mein;
Drum, dass dem Lenz kein Lied ich singe,
Das wird mir wohl unmöglich sein.

(222) Antwort
Wer kalt ist bei des Lenzes Spenden,
Verdient der Lob, verdient der Neid?
Dem bin zum Mitleid ich bereit,
Wer kalt ist bei des Lenzes Spenden.
Wie man nur mag die Frage wenden,
Den drückt gewiss ein riesig Leid,
Wer kalt ist bei des Lenzes Spenden;
Drum ihm kein Lob, drum ihm nicht Neid.

(223) Grund
Kann nicht mein Lied mit eurem tänen,
So gönn‘ ich euch doch eure Lust.
Füllt herbes Wehe meine Brust,
Kann nicht mein Lied mit eurem tönen.
Mag Gott das Leben euch verschönen,
Zum Trost mir bin ich mir bewusst,
Kann nicht mein Lied mit eurem tönen,
So gönn‘ ich euch doch eure Lust.

(224) Unergründlich
Mit Dichtern ist nicht wohl zu rechten;
Ein jeder singt, was ihm gefällt.
Und da ihm freisteht alle Welt,
So ist mit Dichtern nicht zu rechten.
Er will sein Kränzchen gerne flechten,
Wenns auch nur eine Brust erhellt.
Drum ist mit Dichtern nicht zu rechten,
Da jeder singt, was ihm gefällt.

(225) Unerschöpfliche Wonne
Alljährlich kehrt der Frühling wieder,
Und immer ist er neu und hold.
Er, der unzähl’ge Wonnen zollt,
Alljährlich kehrt der Frühling wieder.
Schön bleiben seiner Lerchen Lieder,
Warm strahlet seiner Sonne Gold.
Kehrt auch der Lenz alljährlich wieder,
Er bleibet immer neu und hold.

(226) Trostlosigkeit
Wen nicht der Lenz erquicken kann,
Für den nicht kenn‘ ich Arzeneien.
Wie soll auch dem noch Glück gedeihen,
Wen nicht der Lenz erquicken kann?
Den hält ein böser Zauberbann,
Den nicht der Zaubrer Lenz kann feien.
Wen nicht der Lenz erquicken kann,
Für den nicht kenn‘ ich Arzeneien.

(227) Du und Ich
Was dir gefällt, was dir behagt,
Braucht nicht gerad‘ auch mir zu munden.
Oft hat mit Unlust mich umwunden
Was dir gefällt, was dir behagt.
Wenn’s bei den Antipoden tagt,
Ist uns der Sonne LIcht verschwunden.
Was dir gefällt, was dir behagt,
Braucht nicht gerad auch mir zu munden.

(228) Kunst
Wer’s verstehet, kalt zu bleiben,
Nahet seinem Ziele leicht.
Sicher hat den Wunsch erreicht,
Wer’s verstehet, kalt zu bleiben.
Ach! Ich kann es so nicht treiben,
Welcher dem die Segel streicht,
Der’s verstehet, kalt zu bleiben,
Dass er naht dem Ziele leicht.

(229) Sonderbar
Von namenlosem Sehnen
Schwillt oft mir an die Brust.
Ins Auge treten Tränen
Von namenlosem Sehnen;
Und selbst beim Fest der Lust,
Wo and’re froh mich wähnen,
Von namenlosem Sehnen
Schwillt oft mir an die Brust.

An Dr. J. B. Goßmann

(230) Die Liederkunst schenkt reiche Blüte,
Die jedem Nordsturm trotzen kann.
O wohl dem menschlichen Gemüte,
Dem schenkt die Dichtkunst reiche Blüte.
Ein Lenz umfächelt deinen Kahn,
Der froh durchmisst des Lebens Bahn,
Da dir die Dichtkunst spendet Blüte,
Die jedem Nordsturm trotzen kann.

(231) Wenn auch den Himmel Wolken schwärzen,
Der Stern der Dichtkunst hüllt sich nicht.
Er bleibt ein süßer Trost dem Herzen,
Wenn auch den Himmel Wolken schwärzen.
Was immer ein auf uns auch bricht,
Was höhnend die Gemeinschaft spricht,
Wenn auch den Himmel Wolken schwärzen.
Der Stern der Dichtkunst hüllt sich nicht.

(232) Die Freundschaft, Liederkunst der Liebe
Beschirmen treu des Herzens Glück.
Nie wankte in der Welt Getriebe
Die Freundschaft, Liederkunst und Liebe.
Drum hebst du stets auch froh den Blick,
Wenn manchmal auch die Wolken trübe.
Da Freundschaft, Liederkunst und LIebesklage
Dir schirmen treu des Herzens Glück.

(233) Bis deines Lebens Flamme sinket,
Sei dir dies Kleeblatt treu und hold,
Dass reines Glück dir immer winket,
Bis deines Lebens Flamme sinket.
Den Toren gönne du ihr Gold,
Da Schönres, als dem Krösus blinket,
Bleibt bis des Lebens Flamme sinket,
Ist dir dies Kleeblatt treu und hold.

(234) Bitte
Ich gönne jedermann sein Glück;
Lasst mich das meine still genießen!
Wie mir auch hin die Tage fließen,
Ich gönne jedermann sein Glück.
Was floh, kehrt nimmer mehr zurück:
Drum jedem Heil, dem Freuden sprießen!
Ich gönne jedermann sein Glück;
Lasst mich das meine still genießen.

(235) Seligkeit
Könnt‘ ich trocknen alle Tränen,
O wie fühlt‘ ich mich beglückt!
Ja! zum Gott wär‘ ich entzückt,
Könnt‘ ich trocknen alle Tränen.
Ich vergäße all mein Sehnen,
Alles, was mich schmerzlich drückt,
Könnt‘ ich trocknen alle Tränen,
O wie fühlt‘ ich mich beglückt!

(236) Männerpflicht
Nie zu wanken in der Treue,
Das ist eines Mannes Pflicht.
Niemals brachte noch es Reue,
Nie zu wanken in der Treue.
Heil! Wenn jede Handlung spricht,
Wenn herein auch Unglück bricht:
Nie zu wanken in der Treue,
Das ist eines Mannes Pflicht.

(237) Glückliches Los
Mit heiterm Sinn durchs Leben wallen,
Ist mehr als Kaiserkronen wert.
Es hat mir Gottes Huld beschert,
Mit heitrem Sinn durchs Leben wallen.
Was immer mir für Lose fallen,
Ich trage sie, bleibt unversehrt,
Mit heitrem Sinn durchs Leben wallen.
Das ist viel mehr als Kronen wert.

(238) Hoffnung
Wer noch vermag auf Glück zu hoffen,
Dem ist nicht aller Trost geraubt;
Weil der an bess’res Los noch glaubt,
Wer noch vermag auf Glück zu hoffen.
Und steht das dunkle Grab auch offen,
Das von Zypressen ist umlaubt,
Wer noch vermag auf Glück zu hoffen,
Dem ist nicht aller Trost geraubt.

(239) In der Neujahrsnacht
Wieder ist ein Jahr entschwunden;
Bringt ein neues Bessres mir?
Sind geheilt des Herzens Wunden,
Wenn das neue Jahr entschwunden?
Ach! So lang wir wandeln hier,
Seufzen an dem Jahrschluss wir:
Wieder ist ein Jahr entschwunden?
Bringt ein neues Bessres mir?

(240) Bitte
Ohne viel Bedenken
Eilt‘ ich mutig fort;
Und ich kam zum Port
Ohne viel Bedenken.
Gott mag Gnade schenken,
Dass nicht schmerzt das Wort:
Ohne viel Bedenken
Eilt‘ ich mutig fort.

(241) Seliger Tod
Die düftereiche Rose
Stirbt gern an deiner Brust.
Was fühlt für sel’ge Lust
Die düftereiche Rose!
Ich neide ihre Lose,
Und seufze selbst bewusst:
Die düftereiche Rose
Stirbt gern an deiner Brust.

(242) Aufforderung
Leert die Becher bis zur Neige,
Sonst verfliegt der würz’ge Duft.
Wo ein fröhlich Mahl sich zeige,
Leert die Becher bis zur Neige!
Jeder, eh er in die Gruft,
Wo nicht Freude wohne, steige,
Leer‘ die Becher bis zur Neige,
Sonst verfliegt der würz’ge Duft.

(243) Zögre nicht
Wenn ein Freudenblümchen blüht,
Eil‘ es dir zu pflücken!
Schlürfe das Entzücken,
Wenn ein Freudenblümchen blüht.
Wahr‘ es treulich im Gemüt,
Dann kann’s nichts entrücken.
Wenn ein Freudenblümchen blüht,
Eil‘ es dir zu pflücken.

(244) Letzter Trost
Die Hoffnung auf das Jenseits stärket,
Sie ist das Einzige, was bleibt.
Wenn Sturm des Lebens Nachen treibt,
Die Hoffnung auf das Jenseits stärket.
Und naht das Alter unvermerket,
Das mich in Asche leicht zerstäubt,
Die Hoffnung auf das Jenseits stärket,
Sie ist das Einzige, was bleibt.

(245) Lenzlust
Die Lerche schwingt sich kühn empor
Mit lauten Jubelklängen.
Es wogt vor Lustgesängen,
Schwingt sich die Lerche kühn empor.
Ich mische mich auch in den Chor,
Da die Gefühle drängen,
Schwingt sich die Lerche kühn empor,
Mit lauten Jubelklängen.

(246) Rätsel
Man kann oft selbst nicht sagen,
Was uns das Herz bewegt.
Warum es bange schlägt,
Kann man oft selbst nicht sagen.
Man fühlt es rascher schlagen,
Wie in den Jugendtagen,
Doch kann man selbst nicht sagen,
Was uns das Herz bewegt.

(247) Der Freudentempel
Wo auch nur zwei beisammen sitzen,
Kann schon ein Freudentempel sein.
Es sprüht von Scherzen und von Witzen,
Wo auch nur zwei zusammensitzen.
Doch führt das Paar Gott Eros ein,
Dann sieht man sel’ge Augen blitzen.
Wo auch nur zwei zusammensitzen,
Kann schon ein Freudentempel sein.

(248) Weihe
Das erste Blümchen, das erblüht,
Will ich der Liebsten schicken.
Es labt gar freundlich das Gemüt
Das erste Blümchen, das erblüht.
Als mir’s geglückt, sie zu erblicken,
War mir des Glückes Stern erglüht.
Das erste Blümchen, das erblüht,
Will ich der Liebsten schicken.

(249) Kein Neid
Wenn Einem Freudenrosen blüh’n,
So will ich ihn nicht neiden.
Er pflücke sie sich schnell und kühn,
Wenn Einem Freudenrosen blüh’n.
Da bald sie wieder scheiden,
Und sucht er sie, ihn meiden;
Wenn Einem Freudenrosen blüh’n,
So will ich ihn nicht neiden.

Die Rose

(250) Als ich die Rose mir gebrochen,
Da welkt‘ sie bald in meiner Hand.
Gar tief hat mich der Dorn gestochen,
als ich die Rose mir gebrochen.
O hätt‘ ich schon den Schmerz gekannt,
Der durch die Seele mir gebrannt,
Die Rose hätt‘ ich nicht gebrochen,
Sie welkte nicht in meiner Hand.

(251) Mich fasst‘ ein tiefes, inn’ges Sehnen,
Als ich das Röschen blühen sah.
Und liegt’s vor mir entblättert da,
Fasst mich ein tiefes, inn’ges Sehnen.
Und selber möcht ich itzt noch wähnen,
Dass ich bereit zum Pflücken, ja!
Fasst‘ wieder mich so inn’ges Sehnen,
Als wie ich’s Röschen blühen sah.