In: Heinrich Joseph von Colllin’s sämmtliche Werke, Vierter Band, Strauß, Wien 1813, S. 245 – 248; Teil von „Bruchstücke des Heldengedichts Rudolph von Habsburg“.
Dort im grünenden Tal, von waldigen Bergen umschlossen,
Traf Graf Hugo von Tauffers, in Mitte des prangenden Hofes,
Sitzend unter dem Zelt aus Rohrgeflechten gespannet,
Ladislaus der König und Ava die Mutter des Königs,
5 Schauend den Tanz der Kumanen, der rauen Zeltebewohner,
Welche Bela berief ins Reich, und, ganz sie zu fesseln,
Ava sich anvermählte, die Tochter ihres Beherrschers;
Denn es bedurfte des kräftigen Arms der mutigen Kämpfer
Gegen Tataren-Wut, die weithin Hungarn verheerte.
10 Als nun Hugo den König gewahrte, wie eifrig im Anblick
Er versunken schien, nun kost mit kumanischen Weibern,
Däucht‘ ihn das Beste zu sein, auf des Tanzes Ende zu warten,
Nicht zu stören die Lust, und des Königs Gemüt zu verstimmen.
Ferne blieb er stehen, und sah dem feurigen Tanz zu.
15 Denn zur Rechten die Männer gereiht, zur Linken die Weiber,
Schlugen sie, vorgebeugt den Leib, den Takt mit den Händen
Sinnend, als prüften sie erst die zurückgehaltenen Kräfte.
Aber nun kehrten sie schon einwärts die Spitzen der Füße,
Stießen die Fersen zusamm‘, dass die Sporne getroffen erklirrten;
20 Leis‘ und langsam zuerst, dann immer lauter und schneller.
Jetzt im Gefühl der Kraft, die losgebunden erwachte,
Schlugen die Waden sie rasch, stets wechselnd mit Händen und Füßen,
Unter höherem Sprung, und mächtigerm Klirren der Sporne.
Und den glühenden Mann ergreift unbändig die Lust nun
25 Nach des Weibes Besitz, er stürmet gewaltsam auf sie los,
Vorgestreckt, gebückt, mit weitausholenden Schritten;
Aber das klügere Weib hascht selbst den Mann bei dem Schnurrbart,
Welcher zu beiden Seiten des Kinns bis zur Brust ihm herabfällt.
Langsam weicht er zurück; doch lässt das Weib nicht die Beute,
30 Fasset ihn kräftiger an, und zieht ihn nach eigenem Willen.
Jetzo zu Paaren gestellt, in eine Kette verschlungen,
Wirbelt und schlingt sich der Zug in wilden bachhantischen Reihen.
Wieder reißen sie los, und stürzen, die Beine gespalten,
Auf den Boden nun hin, rasch wieder sich hebend im Sprunge,
35 Noch im Sprung aufziehend die Schenkel, und schlagend mit Händen,
Noch im Fluge selbst erklirrend mit tönenden Spornen.
Also brauste die Kraft der luftgestählten Kumanen
aus sich im kräftigen Tanz, und schien sich nie zu erschöpfen.
Wie nun geendigt der Tanz, und der König sich hob von dem Throne,
40 Sieh, da gewahrt er Haug, und schickte den Boten behende,
Ihn um Namen zu fragen und seines Daseins Bestimmung.
Als nun der König gehört, er nahe als Bote Rudolphus,
Sei gesandt, ein Bündnis zu schließen, dem König der Hungarn
All das Land zu versichern, das ihm die Böhmen geraubet,
45 Hugo von Tauffers nenn‘ er sich, von Geburt ein Tiroler;
Freudig berief er ihn, und reichte die Hand ihm zum Kusse,
Drauf, sein Ross zu bringen, befahl er, und hart ihm zur Seite
Hieß er Tauffers nun reiten, und wechselte mit ihm Gespräche.
„Wenn du Rudolphus verkündest,“ (so saget etwas beschämet
50 Ladislaus) „du hättest der Hungarn mächtigen König
Unter Kumanen gefunden, und unter kumanischen Weibern,
Anzuschauen den Tanz, den freieren, mutigen, wilden,
Was mir Gregor verargt, der Christenheit heiliger Vater,
Setze dann auch hinzu, was Wahrheit zu sagen gebietet
55 Klugheit befiehlt dem Ladislav, diese Heiden zu ehren,
Wohl auch ein vaterländisches Herz; – denn dieser Kumanen
Gleiche Sprach‘ und Sitte verrät mit dem feineren Hungar
Gleichen Ursprung, – nur näher der raueren Wiege,
Sind sie den Vätern ähnlich, an Kraft und Mut und an Stärke,
60 Rüstige Pferdelenker, und weithin treffende Schützen,
Abgehärtet zum Krieg, und aller Weichlichkeit Feinde.
Sieh, mit diesen gedenk‘ ich wohl, zum Besten Rudolphus,
Niederzuschmettern den Stolz des übermütigen Böhmen.
Darum schmelz‘ ich ihr raues Gemüt, das leicht zur Empörung
65 Stachelt des Herrschers Stolz und die Kälte seiner Befehle,
Durch der Geselligkeit Reiz und herzentfesselnde Milde.
Nicht auch ruh‘ ich zuvor, bis sich der Kuman‘ und Hungar
In ein Volk verschmolz, an Sitten gleich und an Rechten;
Ein Volk waren sie ja, und sollen wieder es werden.“
70 Und nun rühmet von Tauffers verständig die Klugheit des Königs;
Lobt der Kumanen Tanz und Wuchs und männliche Schönheit;
Wohl auch das weiße Geschlecht, mit dicht geflochtenen Zöpfen,
Hebt er preisend empor, und rühmet mit Feuer die Reize.
Bass erfreuet sich des der jugendumflorete König;
75 Und sie kamen nun Jaßberenyi nah, an der Radgiva Ufern.