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Johann Heinrich Voß. Aus der Vorrede seiner Georgica-Übersetzung.
Die Metrik oder Messung des Hexameters, und die deutsche Quantität oder Silbenzeit, die von den Gelehrten, nur nicht völlig so unschicklich als die Quantität der Alten, mit der Prosodie oder dem Sprachtone verwechselt wird, habe ich in meinen Anmerkungen selten und kurz berührt.
Der Kunstliebhaber wird aus der Übersetzung von selbst wahrnehmen, dass die natürliche Länge und Kürze nicht nur, sondern auch die Verlängerung und Abkürzung der Mittelzeit, weniger nach dem Gutachten des nordischen Ohrs, dem ein durch gröberen Sprachton ungefähr abgezähltes Gehämmer schon genügen soll, bestimmt worden ist, als nach der strengsten Abwägung des Begriffs, des Nachdrucks, des vielfachen Sprachtons, und der Buchstabenschwere: welche Aufmerksamkeit auch ein leichter befriedigtes Ohr nicht übel nimmt.
Er wird wahrnehmen, dass der deutsche Hexameter vor allen Dingen die Abteilung des römischen in Glieder und Gelenke, seine raschen, mühsamen, kraftvollen Wortfüße, die festen, weichen und flüchtigen Absätze und Eintritte, die Mannigfaltigkeit des Ausgangs und Übergangs, und, so weit es geschehen konnte, auch die Mischung vielfacher und bedeutender Laute nachzuahmen oder nahe zu ersetzen strebt.
Er wird vielleicht dem Gedanken nachhängen, ob nicht die strengere Beobachtung der metrischen Regeln, welchen der Römer, wie der Grieche, sich unterwarf, auch dem deutschen Verskünstler, wenigstens für den Alltagsgebrauch, anzuraten sei; wenn man gleich einem so eigentümlichen Gedichte, als der Messias ist, auch seinen eigentümlichen Vers, der sehr schön, aber nicht Hexameter im Sinne der Alten ist, mit Recht zugesteht.
Der deutsche Hexameter ist, wie jener der Alten, eine rhythmische, deutlich begrenzte Periode von sechs vierzeitigen Takten, die mit einer gehobenen Länge anfangen und entweder mit einer Länge, oder, den letzten ausgenommen, mit zwei Kürzen, aber auch (welches Neuerung ist) mit einer Kürze sich senken; das ist, die aus einem Spondäus oder Daktylus oder Trochäus bestehen.
Füllt ein Trochäus den Takt, so wird seine Länge dreizeitig, oder, mit dem Musiker zu reden, ein punktierter Halbfuß; welche Überlänge, wenn nur der Begriff des Verweilens nicht unwert ist, weit gefehlt zu beleidigen, auch ein griechisches Ohr durch angenehme und kraftvolle Abwechslung erfreuen könnte. Man fordert, wie sich versteht, nicht gerade die pünktliche Abzählung des Taktschlägers im Konzert; sondern wie etwa ein empfindender Tonkünstler ein gleichgemessenes Solo voll wechselnder Leidenschaft bald etwas schneller, bald langsamer vorträgt.
Der vorschallende Ausgang, welche die rhythmische Periode begrenzt, ist gewöhnlich ein Daktylus mit folgendem Spondäus oder Trochäus,: da gleichsam die mächtig gehobene Welle dem Ufer nahe mit Heftigkeit sinkt, und noch einmal aufrauschend im Sande zerfließt.
Geteilt wird der sechstaktige Vers am häufigsten in zwei Hauptglieder, durch einen bald männlichen, bald weiblichen Einschnitt im dritten Takt, oder, wie die Griechen sagten, nach dem fünten Halbtakte (Penthemimeris):
Über das hohe Gewölk || sich der fliegende Reiher emporschwingt,
Oft auch siehest du Sterne, || sobald herdränget der Sturmwind.
Seltener durch einen männlichen Einschnitt im vierten Takte, oder nach dem siebten Halbtakte (Hepthemimeris):
Reißt die triefenden Segel herab. || Doch ohne zu warnen
Oft hat ein solcher Hexameter auch im zweiten Takte einen männlichen oder weiblichen Einschnitt, wodurch er drei Glieder bekommt:
Jähen Falls | am Himmel entfliehn, || und das nächtliche Dunkel.
Was gedenk ich | des Herbstorkans || und der stürmischen Sterne.
Diese Hauptglieder, die niemals einander gleich sein dürfen, regen sich wiederum in sich selbst durch mannigfaltige Gelenke; indem sanfte und langsame Wortfüße mit starken und flüchtigen abwechseln, und nicht leicht über zwei von der selbigen Art aufeinander folgen:
Regnichte / Sommertag‘ || und heitere / Winter / erfleht euch.
Dann in die Saaten | den Fluss / herlenkt, || und die folgenden Bäche.
Mit der rhythmischen Periode hält häufig die Periode des Sinns gleichen Schritt. Aber es würde Einförmigkeit entstehen, wenn sie es immer täte. Oft sind die Glieder der einen nur Gelenke der anderen, und umgekehrt. Man nehme:
Jener sprachs; und verwirrt enteilte sie, Qualen erduldend.
Hier schließen die rhythmischen Glieder mit „verwirrt“ und „erduldend“; die des Sinns mit „sprachs“, „enteilte sie“ und „erduldend“. Man vernachlässige die rhythmische Teilung, und setze „angstvoll eilte sie“; die Periode des Sinns bleibt, wie sie war, aber der Vers ist zerstört.
Um der rhythmischen Periode ihr Recht zu geben, bezeichnet auch, wenn der Sinn unabgesetzt in den folgenden Vers übergeht, der Vorleser das Ende des Verses durch ein sanftes Verweilen: welches zur Stärke des Übergangs ebenso beiträgt, wie in der Musik ein Piano mit einer Pause vor dem Fortissimo, zum Beispiel
Deren er zween anpackt‘, und wie junge Hund‘ auf den Boden
Schlug …
Aber wie eigensinnig auch der Rhythmus ist, so begnügt er sich doch zuweilen, wenn seine Hauptteile sowohl, als die einzelnen Wortfüße, nur einen flüchtigen Aufenthalt zum Ausruhn finden:
Effusus labor, atqu‘ | immitis rupta tyranni
Brauste der Sturm; | und in Wogen erhob | sich die Wüste des Meeres.
Denn „erhob sich“ gehört zwar dem Sinn nach zusammen; aber der Rhythmus trennt „erhob“ von „sich“, und macht aus dem Amphibrach einen Iambus.
Bei der Gedankenteilung vorzüglich achtet man, was Quintilian dem Redner empfiehlt, auf jene Mannigfaltigkeit sowohl der anfangenden Wortfüße, als besonders der schließenden: dass sie nicht immer, wie die rhythmische Teilung sie gibt, bald mit einer gehobenen Länge, bald mit einer gesenkten Länge oder Kürze sich endigen; sondern auch nicht selten, und zwar am schönsten im ersten und vierten Takte, mit zwei gesenkten Kürzen eines Daktylus‘:
Fürchterlich; | aber das Erz umleuchtet‘ ihn, || ähnlich dem Schimmer
Lodernder Feuersbrunst, || und der hell aufgehenden Sonne.
Aber nicht genug, dass die Bewegung des Verses wohlgemessen und gefällig sei; auch der Klang der bewegten Worte muss schmeicheln. Wer hört die selbige Melodie nicht lieber auf der Kremonergeige als auf der Stockfidel? Oder ist unsere ganze Sprache Stockfidel, wie ein sehr musikalischer Dichter dem guten Instrument, das den hohen Wohlklang seiner Seele nicht immer anspricht, zuweilen in Künstlerlaune vorwirft: wer hört nicht lieber ihr Schnarren durch Auswahl reinerer Saiten und durch sanfteren Bogenstrich gemäßigt?
Die Länge, besonders die in der Hebung steht, wechsele mit dunklen und hellen Vokalen, mit austönenden und vielfach abstoßenden oder dämpfenden Konsonanten; nie herrsche ein Gepiep, nie ein raues Hauchen oder Gezisch. Die Kürze des daktylischen Taktes sei leicht; selten mehr als eine verkürzte Mittelzeit, zumal die zur Länge sich neigt, und diese durch kräftige Längen überschallt; nie ein Geschlepp von schweren und widerlichen Mitlautern. Im trochäischen Takt dagegen darf die säumende Mittelzeit sowohl als die vollere Kürze, oft dem schwebenden Spondäus nachahmen.
Keine Gleichförmigkeit der Endungen, zumal in Schlussrhythmen, wo das leidige „-en“ sich so gern einstellt. Niemals Zusammenziehungen, wie „schmerzts“, die schon der Redner vermeidet; oder wie „heilger“, die nur der härtere Iambus zulässt. Ebensowenig Ausdehnungen gegen den Sprachgebrauch, wie „machete“; obgleich „goldene“ und „hörete“, die jener erlaubt, oft durch Bewegung und Klang willkommener sind.
Doch was verweile ich bei bekannten Dingen?
Jene vielfachen Wendungen des Rhythmus sowohl, als diesen Reichtum des Wohllauts, verlangt der Hexameter, ohne Rücksicht auf seinen Inhalt, für sich selbst. Dass beides, soviel als möglich, zugleich Ausdruck des Gedankens sein müsse: ist ein Gesetz, das jeder große Dichter zuerst und zuletzt ausübte; das aber missverstanden auch irreführt.
Viele Gedanken sind keines metrischen Ausdrucks fähig; zum Beispiel ruhige Beschreibung, Namen und Ehrenbenennungen, oder Begriffe wie: Dieser sprach, und jener antwortete. Was also da? Lauter gelassene Wortfüße, wie sie von selbst kommen, nur zufälliger Klang, und Verleugnung des Tanzschrittes fast bis zum Gange der Prosa?
Das Gegenteil: die sorgfältigste Auswahl edler und harmonisch zusammengestellter Wortfüße, die fröhlichste Mischung des Klangs, und der leichteste Schwung des schöngemessenen Hexameters; um so mehr, je weniger sonst der Gedanke belebt werden kann.
Ich bin daher so entfernt, den Reichtum der Alten, vorzüglich der Griechen, an Wortfüßen jeglicher Art in allen Teilen der Rede deswegen weniger beneidenswürdig zu finden, weil oft ein starker Wortfuß einen schwachen Gedanken trifft; als ich unserer Sprache ihren geringen Vorrat an kraftvollen, und ihren etwas zu reichen an sanften Wortfüßen, wegen des häufigeren Zusammenstimmens mit dem Gedanken, weniger zum Fehler anrechnen möchste, den die Verskunst kennen, und durch Auswahl und Stellung verbessern muss.
Der Hexameter sei überall schön durch Mannigfaltigkeit, auch durch Kraft und Würde, die schon als solche gefällt; und, wo er Stoff findet, ausdrucksvoll.
Dies ungefähr sind die Hauptregeln des Hexameters, welche ich hier und in der Ilias strenger als sonst beobachtet habe. Der Vers des Messias erkennt das selbige Schema; doch ohne eine sechstaktige, in eigene Glieder geteilte, rhythmische Periode sein zu wollen, lässt er nicht selten den Sinn allein, wie und wo er will, die Glieder seiner Periode bestimmen. Nicht selten; doch immer als Ausnahme.
Denn bei jener Erweiterung des Schönheitskreises, in welchem nicht zu verirren Klopstocks Genius erfordert ward, scheint der Dichter sich selbst den Einwurf gemacht zu haben: dass Glieder der Gedankenperiode, auch noch so harmonische, wenn sie nicht Glieder der rhythmischen zugleich sind, oder in ihren Gelenken sie darbieten, als Hexameter zusammengestellt, oft nur das Auge täuschen, und dem Ohre als verschiedene freie Verse im Hexametertakte tönen.
Wer hört zum Beispiel den Hexameter in dieser nicht schlechten Periode?
Taumelnder Jüngling! Alle rauschenden Freuden der Welt, was
Sind sie der stillen Seligkeit, wann der Weise, gewckt vom
Nachtigall-Liede, wandlend im Blütendufte, des Frühlings
Auferstehung nachdenkt!
Und gleichwohl gibt eben diese Periode, sobald ihre Teile in die natürlichen Abschnitte des Verses fallen, sogar sehr gute Hexameter:
. Taumelnder Jüngling!
Alle rauschenden Freuden der Welt, was sind sie der stillen
Seligkeit, wann der Weise, geweckt vom Nachtigall-Liede,
Wandlend im Blütendufte, des Frühlings Auferstehung
Nachdenkt!
Nur häufig also, und niemals so weit, als jenes Beispiel, verliert sich der klopstocksche Vers vom alten Hexameter; wo ihn der Inhalt nicht fortreißt, bleibt er, auch hier Muster, in den regelmäßigen Schritten und Schwüngen seines griechischen Tanzes.
Aber da die feinere Regel seiner Abweichungen den meisten Regellosigkeit schien; so glaubte nun jeder, der sechs zählen konnte, auch einen Hexameter abfingern zu können. Und dieses widerliche Missgeschöpf, dessen Geheul den Gesang des neuen Verses fast überschrie, treibt es so arg, dass jenes Beispiel dagegen noch Sirenenton ist.
Sorglos selbst um Länge und Kürze, geschweige um Mittelzeit; sorglos, in Bewegung und Klang nur das Abscheuliche zu suchen; ja, was unglaublich scheint, sorglos sogar um seine sechs Takte: rollt das Unwesen seine zufällig stark und schwach gebrüllten Silben daher, ohne anderen Absatz, als wo der Odem ausgeht; ohne die mindeste Wahl auch nur abwechselnder Versfüße; mit Anhäufung der weichsten, weil sie ungesucht kommen, des Trochäus und des leidigen Amphibrachs, der noch entnervter durch nachschleppende Komsonanten oder erzwungene Kürzen, oft fünfmal in einem Verse sich überwälzt, und, dass man ihn ja recht aushöre, oft zweimal dazwischen sich verschnauft:
Fröhlich belausch ich, | im Dunkel der Buchen, || das Zwitschen der Vögel.
Oder vielmehr:
Wollust! Jetzt horch ich, | durch’s Dunkel des Buchwalds, || aufs Lenzlied der Vögel.
Schon der weibliche Abschnitt im vierten Takte war den Alten so unerhört, dass der Grammatiker Terentianus aus Mangel eines Beispiels selbst eins erdichtete:
Quae pax longa | remiserat arma, || novare parabat.
Ein Mann, dessen Namen schon feines Gefühl der Kunst und strenge Regelmäßigkeit ankündigt, unternahm es, jenen Afterhexameter zu züchtigen, und seine Anlage, wie er meinte, zum kunstloseren Gange des leichten Lehrgedichts, des Epigramms und der Idylle auszubilden.
Wer vom Hexameter des sokratischen Horaz etwas mehr weiß, als dass er weder den stolzen Schritt des virgilischen, noch die hüpfende Behendigkeit des ovidischen Verses hat: dem möchte der Wildling, auch unter solchen Händen, der Nachbildung kaum fähig scheinen.
Denn wie will er einem Vers, der jeden Schwung, jede leise Wendung des Gedankens durch kraftvolle und reizende Bewegungen begleitet, der in dem leichtesten Fluge die Tanzschritte des apollonischen Verses genau beobachtet, und nur, wo der Inhalt Gemeinheit der Begriffe schalkhaft vorgibt, mit holder Nachlässigkeit, besonders in den Ausgängen, über die Regel des sechsfachen Verstaktes hinwegspielt; wie will der plumpe Natursohn ohne Kraft und Gelenk ihm nachschweben?
Und vollends dem zephyrlichen Verse des Epigramms und der Idylle, der, weil er selten einmal zum Ausdruck veranlasst wird, fast immer in den abwechselnden Weisen der Schönheit sich halten, und allein durch die Fertigkeit, wie jeder der sechs Takte in natürlicher Anmut, immer verändert, und immer als Glied des Ganzen, sich regt und schwingt, einnehmen muss!
Dieser Reiz des inneren Verhältnisses, diese in heiteren Bewegungen hinfließende Leichtigkeit, die überall bei Homer, wo der Inhalt nicht stürmt, das Ohr durch sanften Fall einwiegt, bemerkten am bukolischen Verse schon die alten Grammatiker als etwas so auszeichnendes, dass sie zur Regel annahmen: Im ersten Takt stehe am schönsten ein Daktyl, womit das Wort schließe; im dritten ein Trochäus als weiblicher Abschnitt, im vierten folge dem Aufschwung des dritten Takts besser als ein Spondäus ein Daktylus, der ein Wort oder ein Glied der Rede endige; und der Ausgang sei am hörbarsten und schönsten, wenn der fünfte und sechste Takt jeder ein Wort enthalte.
Vorzüglich, sagen sie, werde der Hexameter, der vor dem gesonderten Ausgang der beiden letzten Takte, mit den gestreckten Schwingen des Spondäus oder im freundlichen Flügelschlage des Daktylus einherschwebt, ein bukolischer Vers genannt; und Virgil habe, durch die Arbeit geschreckt, ihn viel seltener als Theokrit, der ihn nur selten unterbreche:
Incipit adparere Bianoris: || hic, ubi densas
Man verachte die Bemerkung nicht, weil sie von Grammatikern kommt. Unter den dunkelsten Grammatikern ist keiner, der nicht durch Lehre oder Beispiel sich als ein besserer Kenner der Verskunst bewies als unsere meisten Dichter.
Jene auffallend schöne Bewegung des Hexameters vor dem fünften Takte hat Theokrit im Anfang der ersten Idylle nicht weniger als dreizehnmal nacheinander, und übrigens wie melodische Wortfüße! Den selbigen Graziengang hat der Hexameter des Epigramms, vorzüglich bei den Griechen, aber auch bei den Lateinern.
Wie wars denn möglich, dass ein Kunstrichter, wie Herr Ramler, sowohl im verdeutschten Material, als in seinen geßnerischen Idyllen, die mattesten und schwerfälligsten Wortfüße, und fast sie allein, zum ungeordneten Tanze ließ?
Wie wars möglich, dass er die Leichtigkeit des theokritischen Verstanzes, hinter welchem schon Virgil, durch Mühe geschreckt, zurückblieb, durch leichtere arbeit zu erreichen hoffte;
dass er, durch zufällige Zusammenstellung wohllautender Prosa zu Hexametern, wie kein einziger der alten Verskünstler oder Versemacher, am allerwenigsten Theokrit, sie duldete, die nicht zu strengen Gesetze der Schäfermuse zu beobachten sich überredete?
Sandte ihm diesen Wahn der Geist des zürnenden Syrakusers, zur Strafe für das Urteil: dass Theokrits Idyllenton nur seinem Zeitalter, nicht dem unsrigen anstehe?
Immerhin mögen in solcherlei Hexametern:
PHYLLIS
Chloe, | sieh doch! | immer | trägst du || dein Körbchen | am Arme.
CHLOE
Ja doch! | Phyllis, | immer | trag ich || das Körbchen | am Arme.
Um | kein Schäfchen, | um keine Herde || würd ich | es geben;
Nein, | ich würd es nicht geben! || So sprach sie, | und drückte | das Körbchen
Lächelnd | an ihre |Seite. …
Immerhin mögen in solchen Hexametern die Kritiker die leichte Umbildung der geßnerschen Prosa, und, wenn sie wollen, auch die liebenswürdige Nachlässigkeit des Tonfalls anstaunen.
Es sind gar keine Hexameter.
Ebenso wenig, als wenn einer sich die Lust machte, aus Wielands Einleitung zu Horazens erstem Briefe des zweiten Buchs, Seite 42, diese merkwürdige Stelle als Hexameter abzusetzen:
… Wir haben die Griechen,
Unsre Lehrer und Muster, zu spät erst kennengelernet;
Und auch, nachdem wir nach ihnen zu arbeiten begonnen,
Hat uns unser Feuer, unsre Unschuld, unsre
Scheu vor der Feile verhindert, echte Werke der Kunst her-
Vorzubringen, Werke, die eine Vergleichung mit unsern
Mustern aushalten können.
Geßners Idyllen sind nicht Rede, wie Herr Ramler sagt, sondern freierer Gesang: welchen, ohne Abbruch seiner natürlichen Einfalt, in Theokrits süße Weisen zu zwingen der unnachahmliche Natursänger allein, und allein in der ersten Begeisterung, vermochte. Wort, Wohllaut und Bewegung umfließen den Gedanken, wie den Geist der Blume ihr schöner Wuchs, ihre Farbe und ihr Wohlgeruch. Das Mädchen mag die geschlossene Morgenrose wohl aufhauchen; aber durch Schwefeldampf sie umfärben wird das gute Mädchen nicht wollen. Vielleicht ist es vermessen, des helvetischen Hirten Gesang in Theokrits Weise nur ahnen zu wollen; doch weniger harmonisch wäre er gewiss nicht gewesen als dieser Versuch:
Phyllis begegnete Chloen, und lächelte: Immer, o Chloe,
Trägst du dein Körbchen am Arm! Ja, sagte sie, immer, o Phyllis,
Trag ich das Körbchen am Arm! Um keine Herde vertauscht‘ ichs;
Nein, ich vertauscht‘ es nicht! Sie sprachs, und drückte mit Lächeln
Sanft an die Seit‘ ihr Körbchen. Warum doch, Chloe, warum doch
…
Ein ganzes Gedicht von Geßner auch nur so umzumodeln scheint mir noch schwerer, als eine ramlersche Ode mit ungeschwächtem Feuer in ein anderes Silbenmaß zu setzen, oder die Verstöße gegen Länge und Kürze herauszufeilen, welche sie, wie ein Paar Sommersprossen ein schönes Gesicht, mehr auszeichnen als entstellen.