Erzählverse: Der Blankvers (131)

Franz von Sonnenberg ist eher ein Hang zur Übersteigerung eigen; dass er auch andere Tonlagen beherrscht, zeigt „Das Veilchen“:

Ich kann dir nur ein kleines Veilchen bringen,
Doch pflückt‘ ich es von jener frischen Wiese,
Wo ich so oft, dein denkend, einsam wandle,
Und wo dann wunderbar der heitre Himmel
Wie auf des Baches klarer Silberfläche
Herniedersteigt in die entzückte Seele.

Dies Veilchen wird in seinen zarten Blättern
Dir meines Herzens stille Wünsche bringen,
Und tief im Kelch verbirgt es eine Zähre.
Du siehst sie nicht, drückst es an deinen Busen;
In dieser Zähre lag des Veilchens Leben,
Die Glut der Sehnsucht hat sie ausgetrunken,
Sie ist versiegt, verwelkt die treue Blume.

Nicht unbedingt reine Blankverse, da sie alle weiblich-unbetont schließen; aber insgesamt doch lesbar!?

Vom Nichtwählen

Ein Wächter stehst du am Tor des auf sich türmenden Dichtwerks,
Und wägst gewissenhaft ab, und du winkst
Hinein, was brauchbar dir scheint, und andrem hemmst du die Schritte,
Und irrst – lass‘ ein, was auch immer dir naht,

Ein kunterbuntes Gewirr von ganz verschiedenen Dingen,
Das sich um menschliche Regeln nicht schert:
Aus Regeln sprießt dir, Poet! die Ordnung auf in den Versen,
Und wurzelt tief, und du wirst sie nicht los.

Verstehe

Ein Frosch, der nächtens die Stunden durchquakte,
Verstummte, als sich die Sonne erhob,
Und gab, gefragt nach dem Grunde, zur Antwort:
Wer schläft, wird geweckt.

Von allen guten

Der wörtergierige Vers schätzt höher nichts als das Beiwort,
Und immer ruft er’s zur Hilfe herbei,
Und immer kommt es und schmückt, vergnügt! was immer es antrifft:
Verlässlich dient’s dem verlassenen Geist.