(1) Frage
Die Blume starb, der Frühling ist vorbei;
Was frommt es jetzt, dir Kränze noch zu winden?
Nur bittrer wird dies Scheinbild dir verkünden:
Die Blume starb, der Frühling ist vorbei!
Wohl träumt‘ auch ich so süß im sel’gen Mai
Von Lieb‘ und Lust; doch musst‘ ich bald empfinden:
Die Blume starb, der Frühling ist vorbei;
Was frommt es jetzt, dir Kränze noch zu winden?
(2) Antwort
Wo Freud‘ und Reiz zum Kranze sich verflicht,
Kann nimmermehr der frische Lenz vergehen.
Nacht wird zum Tag und Sturm zum Frühlingswehen,
Wo Freud‘ und Reiz zum Kranze sich verflicht.
O sieh empor ins lächelnde Gesicht
Der Freundlichen, dann wirst du gern gestehen:
Wo Freud‘ und Reiz zum Kranze sich verflicht,
Kann nimmermehr der frische Lenz vergehen.
Triolette
(3) Wie sie dort auf dem Altane steht,
Leis‘ umwebt vom zarten Mondenschimmer!
Ach, so schön erblickt‘ ich sie noch nimmer,
Wie sie dort auf dem Altane steht.
Weh mir, sie bemerkt mich, ach, sie geht,
Und doch sieht mein Auge sie noch immer
Wie sie dort auf dem Altane steht,
Leis‘ umweht vom zarten Mondenschimmer.
(4) Liebst du mich, so eil‘, es mir zu sagen,
Denn den Zweifel trag ich länger nicht;
Brich dein Schweigen, fördre mein Gericht,
Liebst du mich, so eil‘, es mir zu sagen,
Ach, wie wird mein Herz dir Wonne tragen,
Wenn du schweigst, und nur dein Auge spricht:
Liebst du mich, so eil‘, es mir zu sagen,
Denn den Zweifel trag ich länger nicht.
(5) Willst du den losen Amor fangen,
So werde keck und wild wie er;
Kein Wagestück sei dir zu schwer,
Willst du den losen Amor fangen,
Denn stille Treu und leises Bangen,
Die reizen jetzt den Schalk nicht mehr.
Willst du den losen Amor fangen,
So werde keck und wild wie er.
(6) O wie süß ist ein geraubter Kuss.
Wenn das Mädchen keusche Lieb‘ empfindet,
Und ihr Auge leise nur verkündet:
O wie süß ist ein geraubter Kuss!
Glaube nicht, sie tu‘ es aus Verdruss.
Wenn sie dann sich deinem Arm entwindet;
Nein, zu süß ist ein geraubter Kuss,
Wenn das Mädchen keusche Lieb empfindet.
(7) Geh‘ nur, ich kann dich nimmer lieben,
So riefst du, und ich bebte nicht.
Das Wort scheint manchem von Gewicht:
Geh nur, ich kann dich nimmer lieben!
Doch wird es mich nicht leicht betrüben.
Der Hass ist stumm, die Liebe spricht:
Geh nur, ich kann dich nimmer lieben!
So riefst du, und ich bebte nicht.
Ernst Schulze