Einfluss des Hexameters auf den Stil
Das Streben nach genauer Einhaltung der Taktdauer, das im Hexameter eine rhythmische Forderung ist, kann freilich auf Kosten der Wortbetonung und Satzbetonung befriedigt werden, wir haben solche Fälle bei Voss wiederholt kennengelernt und auch die gehäuften schwebenden Betonungen nach dem Paradigma erlkónig, ehrwúrdig etc. gehören hierher. Die größere rhythmische Vollkommenheit wird hier zu einer metrischen Unvollkommenheit.
Nicht so leicht zugeben kann ich aber Victor Hehn, dass die rhythmische Vollkommenheit des Hexameters bei Voss bloß durch stilistische Kunststücke oder gar Mätzchen zustandekäme. Hehn macht auf die Stilmittel aufmerksam, mit deren Hilfe Voss seine schweren Spondeen und leichten Daktylen erzielt: also auf die Häufung von Diminutiven (Söhnlein statt Sohn) und von klopstockischen Komparativen der Verstärkung (grünere statt grüne, ohne Vergleichung), auf die Zerdehnung ursprünglich dreisilbiger Verbalformen (wallte, machete, hörete) und umgekehrt auf die Zusammenziehung dreisilbiger Nominal- und Verbalformen (heilger, schmerzts) und endlich auf die so barsch und grob klingenden Partizipien mit imperativer Bedeutung (Frisch! Nicht lange gefeiert!).
Zugegeben, dass diese Stilmittel von Voß zu häufig in Anwendung gebracht werden und die natürliche Rede oft ersticken! Aber man darf nicht übersehen, dass ein jedes Versmaß seine Rückwirkung auf den Stil ausübt und dass diese Rückwirkung um so stärker ist, je ausgeprägter der rhythmische Charakter des Versmaßes ist. Der fünffüßige Iambus schmiegt sich dem Satz an; der vierfüßige Trochäus und der Daktylus suchen den Satz zu modeln. Die daktylischen Dimeter Arndts stellen die Satzbetonung auf den Kopf, die Trimeter verwirren die Wortfolge. Schon daraus hätte man erkennen sollen, dass der fallende Rhythmus nicht der unserer Sprache eigentümliche ist.