H. Kruse: Bellmanns Tod

Heinrich Kruse: Bellmanns Tod. In: Hans-Ulrich Simon (Hrsg.), Titelgedichte des Cotta’schen Morgenblattes für gebildete Stände, Heinz, Stuttgart 1987,S. 822ff.

Bellmann hatte gelebt, wie er seine Gesänge gedichtet,
In fortwährendem Rausch. Nun fühlt‘ er, es ginge zur Neige.
Darum bat er die Freunde noch einmal zusammenzukommen,
Mit ihm fröhlich zu sein, und Bellmann, sagt‘ er, noch einmal
5 Anzuhören. Sie kamen zu ihm mit traurigem Herzen,
Aber mit heiterem Blick, und er schüttelte jedem die Hand noch,
Und sie stellten, wie sonst, miteinander ein frohes Gelag an.
Bellmann, welchem verliehen der Gott, wie den Sängern der Vorwelt,
Dass ihm Wort und Gesang zugleich auf den Lippen entstanden,
10 Und sein Lied wie ein Schwan auf eigenem Strome dahinzog,
Raffte noch einmal zusammen die Kräfte des fliehenden Lebens,
Ganz so herrlich, wie je, wenn auch leise schon bebte die Stimme,
Sang unablässig die Nacht: von dem Laufe des fröhlichen Lebens,
Dass er hienieden gehabt; von dem Lobe des mildesten Königs,
15 Welcher so oft ihm gelauscht. Und er pries mit freudiger Rührung,
Dass ihm gefallen das Los, bei dem herrlichen Volke der Schweden,
Unter der Heldenschar im Norden geboren zu werden;
Pries sein nordisches Land und die Stadt am Mälar, die schöne,
Wo er gelebt und geliebt und die trautesten Freunde gefunden;
20 Schweifte noch einmal im Geist an des Mälars Gestaden und Inseln,
Wo er so oft und so so froh mit seinen Genossen gesegelt,
Unter Musik, mit Kränzen am Mast, und er selber, am Steuer,
Jubelte laut Dithyramben dazu, ein seliger Bacchus!
Und dann wandte er sich an seine versammelten Lieben,
25 Dichtet auf jeden ein eigenes Lied in besonderer Tonart,
Wechselnd das Maß nach des Freundes Gemüt und besonderer Weile,
Streuet darein manch witzigen Rat und heitere Scherze
Und manch ernsteres Wort. So nimmt er den ewigen Abschied.
Niemals wollte der glühende Strom der Begeisterung enden;
30 Und schon dämmert der Morgen; es schwimmen in Tränen die Freunde,
Und sie bitten und flehen ihn an, sich doch endlich zu schonen.
Aber der Sänger, Verklärung im Blick, spricht: „Lasset und sterben,
Wie wir gelebt, in Musik!“ Hoch schwingt er den schäumenden Becher,
Leeret ihn aus und füget den Schluss zum Schwanengesange.
35 Preisend den Herrn, der Leben und Tod gibt, singt er noch einmal
Lob und glühenden, jubelnden Dank! Und es schallt noch von bleichen
Lippen ein herrlicher Hymnus empor – dann verstummt er auf ewig.