(1) Soll ich zu dir, soll ich zu jener fliehen?
Du bist mir hold, sie will mir nimmer danken;
Sie ließ mein Herz durch kalten Sinn erkranken.
Soll ich zu dir, soll ich zu jener fliehen?
Sie quält mich hart durch niebelohntes Mühen,
Du härter noch, du lehrst mich zweifeln, wanken,
Ob ich zu dir soll, ob zu jener fliehen?
Du bist mir hold, sie will mir nimmer danken.
(2) Was ich empfand, als ich zuerst dich sah,
Soll nicht die Sprache zu entheilgen wagen,
Verschwiegen tief will ich’s im Busen tragen,
Was ich empfand, als ich zuerst dich sah.
Willst du nach dem Gefühl der Seele fragen,
Steht sie entfesselt vor der Gottheit da?
Was ich empfand, als ich zuerst dich sah.
Soll nicht die Sprache zu entheilgen wagen.
(3) Dass ich sie „Du“ und „Liebste“ nenne,
Lässt sie mir nur in Liedern gelten;
Doch Aug‘ in Aug‘ wird sie mich schelten,
Wenn ich sie „Du“ und „Liebste“ nenne.
Sie gönnt mir Blick und Wort so selten,
Als dass ich jemals hoffen könne,
Sie ließ es Aug‘ in Auge gelten,
Dass ich sie „Du“ und „Liebste“ nenne.
(4) Dir weih‘ ich dennoch Leben und Gesang,
Magst du auch noch so hart und lieblos scheinen.
Soll Liebe nie, nie uns das Glück vereinen,
Dir weih‘ ich dennoch Liebe und Gesang.
Ist ew’ge Sehnsucht, nie gestilltes Weinen,
Und sanfter Wehmut Klage nur mein Dank;
Dir weih‘ ich dennoch Leben und Gesang,
Magst du auch noch so hart und lieblos scheinen.
(5) Ihr forscht umsonst, wenn ich von Lieb‘ euch singe,
Ob wohl geliebt, ob wohl verschmäht mein Herz?
Ob Ernst der Jubel, ob die Klage Scherz?
Ihr forscht umsonst, wenn ich von Lieb‘ euch singe.
Die Dichter lieben nicht wahrhaft’ge Dinge,
Sie schaffen gern sich träumend Lust und Schmerz.
Ihr fragt umsonst, wenn ich von Lieb‘ euch singe,
Ob wohl geliebt, ob wohl verschmäht mein Herz?