In seiner sehr empfehlenswerten „Einführung in den neueren deutschen Vers“ (Metzler 1989) schreibt Alfred Behrmann auf Seite 79:
Wer die Sorgfalt für die einzelne Silbe, die das Dichten in strengen gräko-lateinischen Versen erzwingt, als subaltern empfindet, mag auf Bürger hören, der erklärte: „Ich verkündige allen denen, die es noch nicht wissen, ein großes und wahres Wort: Ohne die Silbenstecherei darf kein ästhetisches Werk auf Leben und Unsterblichkeit hoffen.“
Nun ist Bürgers Aussage eine sehr einseitige, damit angreifbare und auch oft angegriffene; aber das Beispiel, das Behrmann dann für die alkäische Ode angibt – Friedrich Hölderlins zweistrophige Ode „An unsre großen Dichter“ -, lässt doch sehr stark vermuten: Es ist etwas dran …
Des Ganges Ufer hörten des Freudengotts
Triumph, als allerobernd vom Indus her
Der junge Bacchus kam, mit heilgem
Weine vom Schlafe die Völker weckend.
O weckt, ihr Dichter! weckt sie vom Schlummer auch,
Die jetzt noch schlafen, gebt die Gesetze, gebt
Uns Leben, siegt, Heroën! ihr nur
Habt der Eroberung Recht, wie Bacchus.
Um eine Strophe so selbstverständlich, so überzeugend füllen zu können, muss man schon einiges an Arbeit aufwenden; und Erfahrung schadet ganz bestimmt auch nicht. Und selbst einer der großen Dichter sein, wahrscheinlich; Hölderlin eben.