August Ferdinand Bernhardi: Epischer Vers

A. F. Bernhardi: Sprachlehre. Zweiter Teil: Angewandte Sprachlehre. Frölich, Berlin 1803.

Allein nicht genug, dass man eine lange und dieselbe Versart, sei sie nun rhythmisch oder strophisch, wähle, um die Länge des Epos und die Gleichheit des Tons in demselben zu charakterisieren, so muss auch der einzelne Vers außerordentlich harmonisch und gleichförmig gebildet sein. Allein daneben musste er wieder vieler Abwechslungen fähig werden, um durch seine Einförmigkeit nicht zu ermüden.

Keine epische Versart stellt das Wesen des Epos nach diesen Prinzipien so schon da als die klassische Form, der Hexameter. Der Grundrhythmus ist daktylisch, X x x , und demnach die Thesis der Arsis völlig gleich und harmonisch. Es ist kein unruhiges Streben, es ist ein sanftes, gleichförmiges Fortschreiten, welches durch die Zusammenziehung der Thesis an Würde gewinnt, und durch die nie vorkommende Auflösung der Arsis an Ernst nie verlieren kann. Dieser Grundrhythmus wird fünfmal wiederholt und am Ende, um den Fall und Schluss zu bezeichnen, ein Trochäus hinzugefügt. Dadurch wird der Vers zu einem beträchtlichen Umfang erweitert, wodurch er an Würde und Ernst zunimmt. Endlich ist er durch die mannigfaltige Lage der Zäsur einer außerordentlichen Abwechslung fähig, und ob er gleich ruhig beginnt und, da er keine Anakrusis hat, anfangs gleichförmig fortschreitet: so kann er doch nach der Zäsur eine anapästische oder iambische Anakrusis, und damit einen raschen, obgleich immer gleichförmigen Gang erhalten.