Erzählformen: Das Madrigal (18)

Barthold Heinrich Brockes‘ bald 300 Jahre alte Gedichtsammlung „Irdisches Vergnügen in Gott“ in die Hand zu nehmen, lohnt durchaus. Nicht jedes Gedicht ist heute noch zumutbar, aber insgesamt ist in den Texten ein ganz eigener Ton zu finden, der sie sehr anziehend macht. Der Anfang von „Der Goldkäfer“:

 

Der Monat Junius beblümte Feld und Auen,
Als ich, die Wunderpracht der Blumen zu beschauen,
Im Garten ging. Mein ält’ster Sohn lief mit;
Sein reger Fuß hüpft‘ immer hin und her,
Mit fröhlichem, fast nimmer stillem Schritt.
Als er nun ungefähr
Ein güld’nes Käferchen auf einer Rose fand;
Ergriff er es mit seiner kleinen Hand,
Und kam darauf, in vollen Sprüngen,
Mir den gefund’nen Schatz zu bringen.
Ich lobte seinen Fund, und nahm ihn lächelnd hin,
Betrachtete, mit fast erschrock’nem Sinn,
Die Schönheit, Farben und Figur,
Mit welcher ihn die bildende Natur
Begabt und ausgeziert.
Durchs Auge ward mein Herz gerührt,
Als ich, mit höchster Lust, erblickte,
Wie ihm Smaragd und Gold den glatten Rücken schmückte;
Und ich bewunderte sein wandelbares Grün,
Das bald wie Gold, bald wie Rubin,
Und bald aufs neu Smaragden, schien,
Nachdem der Fürst des Lichts auf seine Teilchen strahlte,
Und die verschied’ne Fläche malte.

 

Das Anschauen der Welt um ihn herum, die Wahrnehmung ihrer Schönheit und Besonderheit, immer (noch) hingedacht auf Gott: darum geht es Brockes. Manchmal dreht er die Geschichte auch um, wie in „Hans und Mops“, das allerdings kein wirkliches Madrigal ist (nur ein Vierheber hat sich bei den Alexandrinern eingeschlichen – da fragt man sich, ob „dehnte alle vier“ einer dieser Dichterscherze ist -, und auch die Reime ordnen sich schnell: ab dem vierten Vers sind es ausschließlich Paarreime).

 

Hans stund des Morgens auf, und Mops, sein Hund, zugleich:
Hans zog die Kleider an, reckt‘ seinen Arm, und gähnte;
Mops reckte, schüttelt‘ sich, und dehnte
Nicht minder alle vier‘: Geback’nen weißen Teig
Aß Hans; da Mops nur bloß vom schwarzen Brote fraß.
Mops trank das Wasser roh, und Hans gekochtes Nass.
Hans ging darauf ins Feld; Mops gleichfalls. Hans beschritte
Ein Pferd; Mops aber nicht: Er lief, und jener ritte,
Bis dass der Mittag sie nach Hause wieder rief.
Hans aß; Mops ebenfalls. Wie Hans ein wenig schlief,
Schlief Mops nicht weniger. Das schöne Sonnenlicht
Ward nicht von Hans beschaut, von Mops imgleichen nicht.
Dass in der Frühlingszeit die Kreatur so schön,
Hat weder Hans noch Mops bemerkt und angesehn.
Sie machten sich daraus nicht die geringste Freude.
Durch wenig viel gesagt: Sie schlief- und wachten beide;
Sie tranken beide Nass; Sie aßen beide Brot;
Es lebten Hans und Mops; Jetzt sind sie beide tot.

 

Ich weiß nicht … Mir gefällt es. Wer mag, sollte beide Texte einmal laut lesen! „Sie machten sich daraus nicht die geringste Freude“ – das muss für Verse erst recht nicht gelten, und Freude machen sie zuerst und vor allem: gehört.

Bücher zum Vers (71)

Lothar Schwab: Vom Sünder zum Schelmen. Goethes Bearbeitung des Reineke Fuchs.

Erschienen 1971 im Athenäum Verlag, vergleicht dieser Band Goethes Hexameter-Fassung des Stoffes mit der Reimvers-Fassung seiner niederdeutschen Vorlage. Das ist sehr lesenswert! Was die niederdeutsche Fassung wollte, und mit welchen Mitteln sie es erreicht hat; und was Goethe wollte, und wie er es erreicht hat, ohne am Stoff, am Erzählten mehr als unwesentliche Änderungen vorzunehmen – das im einzelnen vorgeführt zu bekommen, ist sehr lehrreich.  Und manchmal auch sehr in die Einzelheiten gehend, so etwa auf S. 122 bei der Besprechung des Anfangs:

 

06 Nobel, der König, versammelt den Hof; und seine Vasallen
07 Eilen gerufen herbei mit großem Gepränge; da kommen
08 Viele stolze Gesellen von allen Seiten und Enden,
09 Lütke, der Kranich, und Markart, der Häher, und alle die Besten.
10 Denn der König gedenkt mit allen seinen Baronen
11 Hof zu halten in Feier und Pracht; er lässt sie berufen
12 Alle miteinander, so gut die Großen als Kleinen.
13 Niemand sollte fehlen! und dennoch fehlte der Eine,
14 Reineke Fuchs, der Schelm! der viel begangenen Frevels
15 Halben des Hofs sich enthielt. So scheuet das böse Gewissen
16 Licht und Tag, es scheute der Fuchs die versammelten Herren.
17 Alle hatten zu klagen, er hatte sie alle beleidigt,
18 Und nur Grimbart, den Dachs, den Sohn des Bruders, verschont‘ er.

 

Zum farbig gekennzeichneten Satz schreibt Schwab:

„Hier stimmen die Bewegungen der Versform mit dem gestischen Gehalt des Textes völlig überein. Mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln deutet der Erzähler auf den Fuchs: Nicht nur, dass sich im Wortlaut die Namen häufen, mit denen er – gleich am Anfang des Epos – den Feind der Ordnung einkreist (‚der Eine‘, ‚Reineke Fuchs‘, ‚Schelm‘), sondern auch die Wiederholungen des schneidend-hellen Diphthongs -ei- kurz hintereinander, und zwar an so exponierten Stellen wie am Versende und am Anfang des folgenden Verses (‚Eine‘, ‚Reineke‘), verstärkt musikalisch den Gestus des Hindeutens. Diesem Zweck dient auch die Anordnung der einsilbigen Senkung ‚der‘ in Vers 14,  die das wieder auflebende daktylische Fließen noch einmal staut, das schließlich in der männlichen Zäsur (Penthemimeres) hinter ‚Schelm‘ für einen Augenblick zum Stillstand kommt, eben genau an der Stelle, an welcher die den Fuchs am genauesten charakterisierende Bezeichnung gefallen ist.

In den folgenden Hexametern bis zum Absatz nach Vers 18 häufen sich wieder die Daktylen. Liest man die ersten 18 Verse im Zusammenhang, so ist leicht zu bemerken, wie sich das rhythmische Gefüge um ein Zentrum ordnet, das etwa mit dem Vers 12 beginnt und bis in die Mitte von Vers 14 reicht. In diesem Textteil häufen sich die einsilbigen Senkungen, als ob der Erzähler auf jedes Wort, auf jede Silbe gesteigerten Wert lege; denn er gibt in diesem Teil einen Vorblick auf den Charakter der Hauptfigur und zugleich auf die Brisanz des ganzen Stoffes.“

– Je weiter man in die Einzelheiten geht, desto größer die Wahrscheinlichkeit, das man irgendwo danebenliegt; aber dessen ungeachtet zeigt der Abschnitt sehr schön, wie über den Aufbau solcher verserzählenden Texte nachgedacht werden kann?!

Erzählverse: Der trochäische Vierheber (42)

„Bernal Diaz del Castillo“ ist der Titel eines Gedichts von Albert Ehrenstein; es ist aber auch der Name eines Menschen, der wirklich gelebt hat, eines spanischen Konquistadors, der bei der Eroberung Mexikos durch Cortes dabei war und später darüber auch geschrieben hat.

Allerdings starb er, für damalige Verhältnisse hochbetagt, im Alter von neunzig Jahren; da gehen Ehrensteins Verse einen anderen Weg – oder doch nicht?

Ganz gewiss andere, expressionistischere Wege jedenfalls als die trochäischen Vierheber, sagen wir, Goethes oder Mörikes!

 

Bernal Diaz del Castillo
Abschied nahm vom lieben Leben.
Seiner Haare rote Wolke
Schrillt im Wind, dem irren, unter
Der Gewitter Wolkenwust.

Seine Stimme schnaubt im Sturm:
„Spielte gern mit Stern und Tier.
Ackersmann war ich einst Fluren –
Wurde satt der Saatkartoffel.
Mutter Gottes starb zum Himmel,
Lebend traf ich nur Urhuren;
Ihnen hielt ich Hahnentreue.
Als sie mir das Herz zerstampften,
Würgte ich die bittre Venus.

Morgenblüte, Frühlingsvogel
Schandet mit dem Strand, dem andern.
Hier ward ich den Negerkindern
Donnerbart, der Gott des Landes.
Doch auch hier auf meinen Spuren
Weißer Hund: der Mönche Herden,
Höllenhelden, Menschenfänger.
Brät mein Neger sie im Dickicht,
Neue heulen von den Schiffen,
Jagen Sklaven, quälen Seelen:
Zauberwelt stürzt ein, vernichtet.

Kraft der heilig hohen Sonne –
Blend die Teufel, jäher Strahl!
Sieh: ich richte mich mit letztem
Feuer. Brennend krachen meine
Burgen in Stroms Wasserwildnis.
Meine Seele weiß ihr Böses,
Strafe traf das Fleisch, ich knecht es,
Lernt, im Frühling einsam sein.

Aber müd bin ich der Hütte
Meiner Trauer, müde all der
Felsen, Wälder, Nahrungsfelder.
Länder ihr mit euren Flüssen,
Städte, Wiesen, Berg und Tal – euch
Grüße ich zum letzten Mal.

Armes Ich, wo gehst du hin?
Eh ich alt und krank und blind am
Stabe wank und sink, hilf mir, o
Klippenweg aus deinen Meeren
Ewigkeit!“ Der Ritter Bernal
Diaz del Castillo ließ sich
Eine Kugel durch den Kopf gehn.

 

– Da kann man über eine Menge nachdenken, bezogen auf die Gestaltung; zum Beispiel über die seltsamen Reime im vorletzten Abschnitt! Aber auch anderes ist einen genaueren Blick wert – Zeilensprünge, versetzte Betonungen, „falsche Anschlüsse“ … All das trägt zur Wirkung bei, die ja unzweifelhaft da ist!?

(Entnommen habe ich das Gedicht der 1997 im Klaus Boer Verlag erschienenen und von Hanni Mittelmann herausgegebenen, schönen Ausgabe der Werke Ehrensteins; im Band 4/I findet es sich auf den Seiten 242 und 243.)

Frage und Antwort

Wie lange dauert’s, ein Sonett zu machen?
Fragt einer, der noch keine Verse schreibt.
Das hängt von vielen Dingen ab und bleibt
Dem Dichter überlassen – welche Sachen

Besingt er? Manche, wie des Donners Krachen,
Sind gleich gebannt, doch wahre Liebe treibt
Den Schweiß ihm auf die Stirn, und müde reibt
Er sich die Schläfen, wird die Nacht durchwachen …

Und wenn man schätzt – wie ist der Durchschnittswert?
Fragt der Noch-Nicht-Verfasser von Gedichten.
Das lässt sich, ich erklärte es, im Grunde

Nicht sagen, doch ist’s sicher nicht verkehrt,
Mal sehn, für die beschwerlichen und schlichten …
Im Durchschnitt, nun: so eine halbe Stunde.

Erzählformen: Das Madrigal (17)

Anfang diesen Jahres hat der zumindest da, wo WDR geschaut und gehört wird, „aus Film, Funk und Fernsehen bekannte“ Fritz Eckenga einen über 400 Seiten starken Gedichband veröffentlicht im Verlag Antje Kunstmann. „Mit mir im Reimen“ heißt er, und dementsprechend wird in ihm eigentlich ständig und überall und ohne Pause: gereimt. Eigentlich!

 

Der Christ isst

Zur Weihnacht brat ich Gans.
Ostern brat ich Lamm.
Zu Pfingsten wiegt mein Braten
mal grad zweihundert Gramm.
Pfingsten brat ich lediglich,
denn das befiehlt mein Glaube,
Taube.

 

Ein Gedicht, zu finden auf Seite 107,  „passend zur Jahreszeit“ … Mit Reimen ist es sparsam, gerade einmal vier der sieben Verse werden durch Gleichklänge verbunden. Auch die Verslänge ist nicht fest, mal steht Auftakt, mal fehlt er; aber das macht nichts, es ist trotzdem alles an seinem Platz. Und weil „Madrigal“ eine große und geräumige Schublade ist, in die manches nicht ganz so regelmäßige hineinpasst: findet auch das Gedicht einen Platz in der Ordnung der lyrischen Dinge?!

Wer mag, kann den Verfasser lesen hören und sehen: Fritz Eckenga. Das mittlere der drei vorgetragenen Gedichte gefällt mir am besten.

Erzählverse: Der Hexameter (100)

V. W. Neubecks „Die Gesundbrunnen“ waren zu ihrer Zeit ein geachtetes Werk. O. L. B. Wolf schreibt im 5. Band der „Encyklopädie der deutschen Nationalliteratur“:

Neubecks vorzüglichstes Werk ist sein didaktisch-deskriptives Gedicht „Die Gesundbrunnen“; es besitzt namentlich in Hinsicht auf den Reichtum der Gedanken, die trefflichen poetischen Schilderungen und die hohe Korrektheit der Sprache und Form wahrhaft klassischen Wert; nur tritt das lyrische Element mitunter zu beherrschend vor und stört, nach strengen Anforderungen, die Ruhe, welche das Lehrgedicht haben soll.

Da ist etwas dran … Anfang des vierten Gesangs zum Beispiel erklärt Neubeck, wann die beste Zeit für eine Kur gekommen ist; dabei verliert er ein wenig die Beherrschung über das „lyrische Element“:

 

Wann der feuchtende Frühling entflieht, und der heitere Sommer
Nun das schwellende Jahr mit strahlendem Zepter beherrschet:
Dann, ihr Siechen, enteilt, enteilt der verpesteten Stadtluft,
Eilt auf stäubenden Rädern den Berg hinan, und hinunter
Wieder zum Tal, hindurch den Wald zum reizenden Tempe,
Wo die Nymphe des Quells euch zuruft frohes Willkommen.
Horch! So tönt ihr Gesang zum Empfang aus dämmernder Mooskluft:
Kommt, ihr Geweihten der Qual! Ihr Opfer der blassen Morbona!
Seid mir willkommen im Tal! Für Liebeskummer und Mühsal
Quillt Vergessenheit hier; hier blühn hesperische Gärten;
Kein blauschuppiger Drache bewacht sie; hier ist das Eiland
Heiterer Ruh, wo jeder in sorgenzerstreuender Muße
Selige Tage verlebt; hier säuselt ein grünendes Daphne,
Lächelt ein duftendes Enna, bewässert mäandrischer Bäche
Silber ein tempisches Tal: ein Idyllenleben zu führen
Winkt ein Arkadien hier, wo jeder Jüngling ein Hirt ist,
Schäferin jegliches Mädchen; wo Grazien Tänze beginnen;
Ja, wo selber die Musen des Pindus goldenes Haintal
Wiederfinden, und oft dem entzogenen Waller erscheinen,
Wann er einsam im Dunkel entlegener Schatten verweilet.
Naht euch ohne Verzug, ihr Heilungssuchenden, naht euch
Meinem Gebiet! Hier wird in der Kühle des luftigen Haines
Euch unsichtbar begegnen die lebensfrohe Genesung,
Euch mit dem Nelkenodem umwehen auf einsamen Pfaden,
Euch erquicken im süßen, balsamischen Schlummer, und huldvoll
Nach vollendeter Heilung zurück in die Heimat begleiten.

 

Man kann sich das kürzer vorstellen. Doch! Aber trotzdem: Unter der antiken Verbrämung sind Verse am Werk, die zu lesen Spaß macht und die für vieles entschädigen; auch heute noch. Ich bitte die Probe zu machen, selbstredend mithilfe des wirklichen, des gesprochenen Vortrags!

Dabei sind die Verse nicht ohne Schwächen: Die Art zum Beispiel, wie in den ersten beiden Versen jedes Dingwort mit einem Wiewort versehen wird, wirkt handwerklich doch ein wenig unbedarft; und Gleichklänge wie „-sang“ „-pfang“, oder der „Zäsurreim“ der beiden folgenden Verse, „Qual“, „Tal“; derlei trägt eher nicht zum guten Gesamteindruck bei?!

Erzählverse: Der Hexameter (99)

Das Hinterzimmer des Verserzählers hat sich wieder einmal gefüllt: Die Gesundbrunnen von Valerius Wilhelm Neubeck sind jetzt dort zu finden, alle vier Gesänge; und auch eine Rezension und eine Einschätzung von Neubecks Hexameter!

Vieles wird daher schon auf den entsprechenden Seiten geklärt; da bleibt hier der Raum, auf Neubecks Hexameter einzugehen. Oder anders gesagt und gefragt: Wie sieht Neubecks „hexametrischer Fingerabdruck“ aus?! Drei Verse aus der Mitte des ersten Gesangs geben da Auskunft!

 

Siebenfältige Nacht umlagert des tobenden Hades
Eisernes Flügeltor. Erdbeben erschüttern die Länder,
Wann ein Donnersturm die Riegel zersprengt, und es aufkracht.

 

Ein wichtiges Erkennungsmerkmal ist der Umgang mit Wörtern wie „Flügeltor“ oder „Donnersturm“: Baut sie der Verfasser als „X x X“ in seinen Vers ein oder als „X x x“?

Sieben- / fältige / Nacht || um- / lagert des / tobenden / Hades
Eisernes / Flügel- / tor. || Erd- / beben er- / schüttern die / Länder,
Wann ein / Donner- / sturm || die / Riegel zer- / sprengt, und es / aufkracht.

Eindeutig „X x X“! Eine zweite immer deutlich hörbare Entscheidung: Verwendet der Verfasser „geschleifte Spondeen“?! Neubeck tut es – “ tor. || Erd- / be-“ ist einer, aber kein beliebig gesetzter, sondern einer, der in Bezug auf den Inhalt auch Wirkung tut! Womit die dritte Frage schon beantwortet wäre: Lässt der Verfasser ein Zusammenspiel zwischen Form und Inhalt zu oder nicht? Als vierte Frage stellt sich die nach den zweisilbigen Versfüßen. Lässt der Verfasser Trochäen zu anstelle der (antiken) Spondeen, und wen ja: welche?! Neubeck nutzt sie, wählt aber immer eine wirklich schwere betonte Silbe; „Wann ein“ ist der leichteste Trochäus hier! Die zweisilbigen Senkungen sind, wie bei achtsamen Hexametristen üblich, durchweg mit sehr leichten Silben gefüllt.

Alles in allem also: Ein Voss-Nachfolger, der seinen Vers an der antikisierenden Versvorstellung von Voss ausrichtet, ihn aber nicht blind nachahmt. Daher hier die drei Verse noch einmal in der „Lang-Kurz-Schrift“:

— v / —  v v / —  || v / —  v v / —  v v  / —  v
— v v / —  v / — || — / —  v v / —  v v  / —  v
— v / —  v / —  || v / —  v v  / —  v v / —  —

Die klare Vorstellung des Verfassers bezüglich der Wirkung der Versbewegung ist auch gut aus dem „Ionikus a minore“ am Ende des dritten Verses zu erkennen – eine Sinneinheit wie „und es aufkracht“, „v v — —“ stellt sich eher nicht zufällig ein; darauf schreibt man hin.

 

Lasst euch meinen Gesang der Geheimnisse größtes enthüllen

 

– Ein anderer Vers aus „Die Gesundbrunnen“. Das in diesem Eintrag enthüllte „Geheimnis“ ist sicher ein eher kleines; aber ein erster Eindruck von Neubecks Vers ist so doch zustandegekommen?!