Unüberschaubar groß ist die Anzahl der Hexameter-Beschreibungen, die sich in den Metriken, Poetiken, ästhetischen Schriften und allgemeinen Lexika des 19. Jahrhunderts finden. Trotzdem lohnt es, sie alle anzuschauen; irgendetwas besonderes weiß jede zu berichten. Johann Samuel Erschs „Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste in alphabetischer Folge“ zum Beispiel sagt in Bezug auf die Zäsur des Hexameters:
Je verschiedener die Teile des Hexameters durch die Einschnitte werden, desto schöner ist die Gliederung: darum verdient bei einer Zweiteilung der männliche Einschnitt vor dem weiblichen schon deshalb den Vorzug, weil er beide Teile auch im Schlusse verschieden macht.
Das erkennt sich vermutlich leichter an einem Beispiel?! Friedrich Hölderlin, der „Meister des männlichen Einschnitts“ (er hat sie fast ausschließlich benutzt), hat in „An den Äther“ diesen Hexameter:
Aber in- / des ich hin- / auf || in die / dämmernde / Ferne mich / sehne,
— v v / — v v / — || v v / — v v / — v v / — v
Rein daktylisch, und so ist gut zu erkennen: Die erste Hälfte beginnt betont und schließt betont, die zweite Hälfte beginnt unbetont und schließt unbetont! Zudem sind die beiden Teile mit sieben beziehungsweise zehn Silben auch in der Länge deutlich verschieden.
Das kann man also unterschreiben, und es wird auch durchaus häufiger angemerkt. Dann aber folgt in der „Encyclopädie“ die Ergänzung, dass die alten Griechen einen Vers mit männlicher Zäsur, der eine lange Silbe folgt, und der sonst nur daktylische Wortfüße hat, „als sehr geschickt zum Waffentanze“ betrachtet haben. Aha?!
Hebet den / flüchtigen / Fuß || nun / schwebenden / Schrittes zum / Tanze!
— v v / — v v / — || — / — v v / — v v / — v
So sieht das gegebene Beispiel aus. Stimmt, da ist eine ganz eigene Bewegung zu spüren?! Wobei „nun“ jetzt keine sonderlich schwere Silbe ist … Am besten selbst versuchen, erst schreiben; und dann laut sprechen!
Triffst einen Fuß du beim Tanz, sag reuigen Blickes: „Verzeihung!“
Da bewegt sich der Hexameter sicherer (und schöner!) als der Tänzer, von dem er erzählt …