„Bernal Diaz del Castillo“ ist der Titel eines Gedichts von Albert Ehrenstein; es ist aber auch der Name eines Menschen, der wirklich gelebt hat, eines spanischen Konquistadors, der bei der Eroberung Mexikos durch Cortes dabei war und später darüber auch geschrieben hat.
Allerdings starb er, für damalige Verhältnisse hochbetagt, im Alter von neunzig Jahren; da gehen Ehrensteins Verse einen anderen Weg – oder doch nicht?
Ganz gewiss andere, expressionistischere Wege jedenfalls als die trochäischen Vierheber, sagen wir, Goethes oder Mörikes!
Bernal Diaz del Castillo
Abschied nahm vom lieben Leben.
Seiner Haare rote Wolke
Schrillt im Wind, dem irren, unter
Der Gewitter Wolkenwust.
Seine Stimme schnaubt im Sturm:
„Spielte gern mit Stern und Tier.
Ackersmann war ich einst Fluren –
Wurde satt der Saatkartoffel.
Mutter Gottes starb zum Himmel,
Lebend traf ich nur Urhuren;
Ihnen hielt ich Hahnentreue.
Als sie mir das Herz zerstampften,
Würgte ich die bittre Venus.
Morgenblüte, Frühlingsvogel
Schandet mit dem Strand, dem andern.
Hier ward ich den Negerkindern
Donnerbart, der Gott des Landes.
Doch auch hier auf meinen Spuren
Weißer Hund: der Mönche Herden,
Höllenhelden, Menschenfänger.
Brät mein Neger sie im Dickicht,
Neue heulen von den Schiffen,
Jagen Sklaven, quälen Seelen:
Zauberwelt stürzt ein, vernichtet.
Kraft der heilig hohen Sonne –
Blend die Teufel, jäher Strahl!
Sieh: ich richte mich mit letztem
Feuer. Brennend krachen meine
Burgen in Stroms Wasserwildnis.
Meine Seele weiß ihr Böses,
Strafe traf das Fleisch, ich knecht es,
Lernt, im Frühling einsam sein.
Aber müd bin ich der Hütte
Meiner Trauer, müde all der
Felsen, Wälder, Nahrungsfelder.
Länder ihr mit euren Flüssen,
Städte, Wiesen, Berg und Tal – euch
Grüße ich zum letzten Mal.
Armes Ich, wo gehst du hin?
Eh ich alt und krank und blind am
Stabe wank und sink, hilf mir, o
Klippenweg aus deinen Meeren
Ewigkeit!“ Der Ritter Bernal
Diaz del Castillo ließ sich
Eine Kugel durch den Kopf gehn.
– Da kann man über eine Menge nachdenken, bezogen auf die Gestaltung; zum Beispiel über die seltsamen Reime im vorletzten Abschnitt! Aber auch anderes ist einen genaueren Blick wert – Zeilensprünge, versetzte Betonungen, „falsche Anschlüsse“ … All das trägt zur Wirkung bei, die ja unzweifelhaft da ist!?
(Entnommen habe ich das Gedicht der 1997 im Klaus Boer Verlag erschienenen und von Hanni Mittelmann herausgegebenen, schönen Ausgabe der Werke Ehrensteins; im Band 4/I findet es sich auf den Seiten 242 und 243.)