Friedrich Halm

An das Triolett

(1) Vergessnes und verklungnes Triolett,
Verschmäht dich töricht auch die Menge,
Wie lieblich spielten deine Klänge,
Vergessnes und verklungnes Triolett!
Erwach‘ denn wieder, nicht verdränge
Ghasel dich mehr, Terzine und Sonett,
Vergessnes und verklungnes Triolett!
Verschmäht dich töricht auch die Menge!

(2) Dein Reim, der immer wiederkehrt,
Nur Toren dünkt er Klangverschwendung!
Wie reizt nicht neu mit jeder neuen Wendung
Dein Reim, der immer wiederkehrt!
Ist Klingen doch dein Amt und deine Sendung,
Und wenn mit Wohllaut dich verklärt
Dein Reim, der immer wiederkehrt,
Nur Toren dünkt er Klangverschwendung.

(3) Wo tönt dein Lied so weich, so lind,
Als deine Klänge uns umfließen?
Um Liebesglück in Worte zu ergießen,
Wo tönt ein Lied so weich, so lind?
Und will die müden Augen schließen
Die Mutter dem geliebten Kind,
Wo tönt ein Lied so weich, so lind,
Als deine Klänge uns umfließen?

(4) Du tönst und rauschest wie ein Bach,
Der friedlich hinfließt unter wilden Rosen;
Klang folgt dem Klang in schmeichelndem Liebkosen,
Du tönst und rauschest wie ein Bach!
Lass andre Lieder wie den Bergstrom tosen,
Wenn seiner Dämme Haft er brach,
Du tönst und rauschest wie ein Bach,
Der friedlich hinfließt unter wilden Rosen!

(5) Kleine Freuden
O Herz, wie willst du glücklich sein,
Wenn kleine Freuden dich nicht rühren!
Meinst du, dass große dir gebühren,
O Herz, wie willst du glücklich sein?
Ein gastlich Haus mit offnen Türen,
Was da herankömmt, wink‘ herein;
O Herz, wie willst du glücklich sein,
Wenn kleine Freuden dich nicht rühren!

Schlummerlied

(6) Schlaf ein, mein süßes Kind, schlaf ein,
Du spielst und schäkerst morgen wieder;
Der Nachthauch weht schon durch den Flieder,
Schlaf ein, mein süßes Kind, schlaf ein!
Neugierig schon vom Himmel nieder
Guckt Sternelein an Sternelein;
Schlaf ein, mein süßes Kind, schlaf ein,
Du spielst und schäkerst morgen wieder!

(7) Geschwind, mach deine Äuglein zu,
Die schelmischen, die hellen, klaren,
Die leuchtend hin und wiederfahren,
Geschwind, mach deine Äuglein zu!
Lass nicht die Sternlein sie gewahren,
Du hättest Tag und Nacht nicht Ruh,
Geschwind, mach deine Äuglein zu,
Die schelmischen, die hellen, klaren!

(8) Die Sternlein wären gleich dabei,
Und sagten, hättest sie gestohlen,
Ja, ließen den Gendarmen holen,
Die Sternlein wären gleich dabei!
Die schwören dir bei beiden Polen,
Es wären von den ihren zwei;
Die Sternlein wären gleich dabei,
Und sagten, hättest sie gestohlen!

(9) Drum schnell die Äuglein zugemacht,
Dass nich die Sternlein sie entdecken,
Bis morgens selbst sie sich verstecken;
Drum schnell die Äuglein zugemacht!
Wenn morgens dich die Vöglein wecken,
Dann ist Gefahr vorbei und Nacht;
Drum schnell die Äuglein zugemacht,
Dass dich die Sternlein nicht entdecken!

Tröstung

(10) So ganz verlassen ist kein Herz,
Dass eine Freunde ihm nicht blühte,
Ein Stern der Hoffnung ihm nicht glühte:
So ganz verlassen ist kein Herz!
Drum wie in dir Verzweiflung brüte,
Ermanne dich; im tiefsten Schmerz
So ganz verlassen ist kein Herz,
Dass eine Freude ihm nicht blühte!

(11) Wär’s auch das Blümlein nur am Rain.
Nach dem dein Blick sich träumend wendet;
Wer weiß, was Gott zum Trost dir sendet,
Wär’s auch das Blümlein nur am Rain!
Was deinem Schmerz Zerstreuung spendet,
Ist Tröstung, wär’s auch noch so klein,
Wär’s auch das Blümlein nur am Rain,
Nach den dein Blick sich träumend wendet!

(12) Zwei Schwingen führt ja stets die Zeit,
Sie nimmt mit einer, gibt mit einer;
Ist heute dein Besitz auch kleiner,
Zwei Schwingen führt ja stets die Zeit,
Und kein Geschick ist allgemeiner,
Als dass uns Glück entsprießt aus Leid;
Zwei Schwingen führt ja stets die Zeit,
Sie nimmt mit einer, gibt mit einer!