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Aus F. Fergars Kunst, in zwei Stunden ein Dichter zu werden (Pesth 1823).
Das heroische Versmaß war das eigentümliche Metrum der Griechen für ihre epische Poesie (Heldengedicht). Es besteht aus lauter daktylischen Hexametern (das heißt sechsfüßigen Versen), in denen aber statt der Daktylen ( — ◡ ◡) auch Spondeen (— —) gesetzt werden können. Nur der fünfte Fuß bleibt in der Regel ein Daktylus, und der sechste ist nie ein vollständiger Daktylus seines hüpfenden Charakters wegen, der nie den Eindruck eines beruhigenden Schlusses machen kann. Die deutschen Dichter haben, aus Mangel an Spondeen in unserer Sprache, in diesem Verse auch Trochäen (— ◡) zugelassen. Der Bau des Hexameters, welcher der älteste und zugleich der schönste aller Verse ist, liegt für’s Auge in folgender Bezeichnung:
—◡◡|—◡◡|— ◡◡|—◡◡|—◡◡|—◡
— — | — — | — — | — — | ( — —) | — —
— ◡| — ◡ | — ◡ | — ◡|( — ◡)|
Die Mannigfaltigkeit der Vers- und Wortfüße würde jedoch allein nicht hinreichen, dem Verse seine Vollendung zu geben, wenn ihm die wesentliche Zäsur fehlte, deren der Hexameter wegen seiner Länge bedarf, wenn das Ohr leicht über seine Mitte hinweggeleitet werden, und der Vers als ein rhythmisches Ganzes auffassen soll. Meistens haben gute Hexameter ihre materielle Hauptzäsur, bei welcher es nur auf ein Wortende, durchaus nicht auf Sinnabschnitt ankommt, im dritten Fuße und zwar entweder nach der Länge (männliche Zäsur) oder nach der Kürze (weibliche Zäsur), zum Beispiel:
Eins nur ist mir bewusst, was König und Bettler sich wünschet,
— — | — ◡ ◡ | — || — | — ◡ ◡ | — ◡ ◡ | — ◡
Dessen Verlust den erstern entgöttert im Purpurgewande,
— ◡ ◡ | — ◡ | — ◡ || ◡ | — ◡ ◡ | — ◡ ◡ | — ◡
Dessen Besitz den Mann im Kittel erhöhet zum Halbgott.
— ◡ ◡ | — ◡ | — || ◡ | — ◡ ◡ | — ◡ ◡ | — —
Holde Gesundheit, du, du bist dies Eine! Dich missen,
— ◡ ◡ | — — | — || — | — — | — ◡ ◡ | — ◡
Heißt aufhören zu leben || und doch nicht sterben; dich haben,
— — | — ◡ ◡ | — ◡ ◡ | — ◡ ◡ | — ◡ ◡ | — ◡
Heißt auf goldener Leiter zum Sitz der Olympier steigen.
— ◡ | — ◡ ◡ | — ◡ || ◡ | — ◡ ◡ | — ◡ ◡ | — ◡
(Neubeck)
Der Mangel einer solchen Hauptzäsur um die Mitte des Verses kann nur durch zwei andere ersetzt werden, deren eine in den zweiten, die andere in den vierten Fuß fällt. Finden sich diese beiden Zäsuren in einem Verse vereinigt, so ist derselbe auch ohne die mittlere Zäsur gut, zum Beispiel:
Lange hallt es den Hochverrätern der Menschlichkeit nach, dumpf
— ◡ | — ◡ || ◡ | — ◡ | — ◡ || ◡ | — ◡ ◡ | — —
Weit hallt’s nach, voll Entsetzens nach in die Klüfte Gehennas!
— — | — || ◡ ◡ | — ◡ | — || ◡ ◡ | — ◡ ◡ | — ◡
(Klopstock)
Der Gebrauch der Trochäen statt der Spondeen im Hexameter muss möglichst eingeschränkt werden. Besonders ununterbrochen hintereinander gebraucht, lähmen sie den Vers, zum Beispiel:
Alle Völker loben Gottes herrlichen Namen
— ◡ | — ◡ | — ◡ | — ◡ | — ◡ ◡ | — ◡
(Rothschild)
Der gewichtvolle Spondeus dient, schweren Gang, Anstrengung, Nachdruck und Würde zu malen und tut wegen seiner Seltenheit im Deutschen desto größere Wirkung.
Öftere Wiederkehr eines und desselben Wortfußes im Hexameter schadet seiner Mannigfaltigkeit. Besonders geben ihm mehrmals aufeinander folgende amphibrachische Wortfüße widrig hüpfenden Takt, zum Beispiel:
Räuber verwüsten die Erde, und tragen die heiligen Namen.
— ◡ | ◡ — ◡ | ◡ — ◡ || ◡ — ◡ | ◡ — ◡ ◡ — ◡
Flehet, ihr Tränen, Erbarmen, und flehet das Ende des Elends.
— ◡ | ◡ — ◡ | ◡ — ◡ || ◡ — ◡ | ◡ — ◡ | ◡ — ◡
(v. Stolberg)
Allein nicht bloß die Häufung amphibrachischer Wortfüße, sondern überhaupt die mehrmalige Wiederholung eines und desselben Wortfußes, welcher Art es auch sei, schadet der rhythmischen Mannigfaltigkeit des Hexameters.
Wenig behagen dem Ohre die Verse mit gleichem Gehüpfe,
Flüchtige Daktyle aber gefallen noch weniger; darum
Sei der Gesang vieltönig im wechselnden Tanz der Empfindung!
(Voß)
Nur der Anapäst darf als Wortfuß viermal wiederkehren, wenn der erste zum Choriambus wird, zum Beispiel:
Eile dahin, wo der Tod und das Grab und die Nacht dich erwarten!
(Klopstock)
So auch der anapästische Spondeus. Daktylische Wortfüße dürfen nur zwei miteinander verbunden werden, zum Beispiel:
Fürchterlich rollende Donner von Zeus …
— ◡ ◡ | — ◡ ◡ | — ◡ || ◡ | — …
Aber nicht drei, zum Beispiel:
Fürchterlich donnerte Jupiter her …
— ◡ ◡ | — ◡ ◡ | — ◡ ◡ | — || …
Obgleich der letzte Daktylus zu einem Choriambus anwächst. Ebenso dürfen alle anderen Wortfüße (zum Beispiel Amphibrachen, Iamben …) im Hexameter nie öfter als zweimal hintereinander stehen.
Der Hexameter erfordert als in sich vollendeter Vers einen auch durch die Worte vernehmbar bezeichneten Schlussfall. Man darf daher nicht willkürlich den Vers beschließen, indem man mit unvollendeten Gliedern von Zeile zu Zeile hinüberspringt. Am wenigsten ist ein trochäischer Schluss erlaubt, wenn er durch ein kraftloses Wort gebildet ist, welches, wie Artikel, Zahlwort, Pronomen … genau an den Anfang des folgenden Verses sich anschließt, und dadurch die am Ende jedes Hexameters notwendige rhythmische Pause hindert, zum Beispiel:
Wie von vielen und großen Herden, gesondert an einem
Langen Hügel hinab, genährt vom Frühlinge Lämmer
Weiden ...
(Klopstock)