Fünfter Gesang

Kraftvoll stieg er bergan auf rauem, beschwerlichem Wege,
Nie aufgebend das Ziel, sich zu nahen dem wachsenden Feuer;
Aber verlockt von Tälern und Höhn, ab‘ schweift er zur Seit‘ oft,
Weilt‘ oft längere Zeit, sich an neuer Gestalt zu ergötzen,
Dass ihm immer noch fern die entzündete Spitze des Bergs blieb.
Endlich das Ziel sich fassend auf’s neu‘ in das forschende Auge,
Lenkt‘ er den Gang jetzt, rascheren Schritts, nach der steileren Höhe.
Aber gehemmt ward plötzlich der Fuß von entatmendem Schrecken!
Weder hinauf, noch hinunter vermochte der Wandrer zu steigen!
10 Tiefer und tiefer hinab in die rauen Geklüfte der Erde
Hatte der wilde Vulkan sich gestürzt mit dem glühenden Hammer,
Dort zu bereiten den Herd für nimmer gesehene Gluten.
Hoch auf schwang er den Hammer zu tausend erschütternden Schlägen,
Ab von den Wänden zu hau’n brennbaren Gesteines die Fülle.
Erdpech, Schwefel und was sonst dienen ihm konnte zum Feuer,
Hieb er in Massen herab, dass weiter und weiter die Höhlen,
Tiefer und tiefer hinab in das Inn’re der Erde sich dehnten.
Als er des Brennstoffs nun unermessliche Massen geschichtet,
Schleudert‘ er Flammen hinab von der brennenden Spitze des Berges.
20 Horch! Da begann es alsbald tief unten zu brausen, zu sieden,
Lauter und lauter, mit dumpfem Getös‘ und mit rollendem Donner!
Schwer auf seufzte die Erd‘ und begann zu erzittern und beben,
Dass, gleich Wogen im Meer, der erschütterte Boden bewegt war.
Siehe, da schwankten die Felsen wie Bäume, vom Winde geschaukelt,
Bersteten krachend entzwei, zum Aufbruch neuer Geklüfte,
Stürzten zusammen, und rollten in schwer unförmlichen Blöcken,
Langsam zuerst, dann schneller und wilder hinab in die Täler,
Was aufhalten sie wollte, verwüstend, sich selber zerstörend,
Und mit verstärktem Gekrach aufweckend die schlafende Echo,
30 Dass von Gebirg zu Gebirg hin hallte die donnernde Kunde.
Doch in den Höhlen des Bergs fort brannt‘ es, und kocht‘ es, und braust‘ es
Stärker empor, dass Qualm, dass Flammen und gärende Stoffe,
Furchtbar wachsend in Mass‘ und in Kraft, wild suchten den Ausweg,
Hoben und sprengten die Spitze des Bergs, bis zusammen sie stürzte,
Und das geborst’ne Gestein, im Versinken, verstopfte die Öffnung.
Jetzt war plötzlich erloschen des Bergs frei lodernde Flamme!
Schwarz lag wieder die Nacht ringsum auf Bergen und Tälern!
Stille des Grabes umher! Und des Menschen verzweifelter Angstruf,
Einsam schallet er wiederum hin durch die schweigende Wüste!
40 Höhnend‘ verlacht ihn Vulkan, im Bereiten erneueter Schrecken;
Und nicht lange, da zittert‘ und schwankt‘ aufs neue der Boden,
Rollten zertrümmerte Felsen hinab in die dröhnenden Täler,
Toset‘ und donnert‘ es lauter und lauter im Innern des Berges,
Bis die gehemmte Gewalt der verschlossenen, wachsenden Gluten,
Wütenden Kampfs, des gehinderten Auswegs Fesseln zersprengte,
Und den errungenen Sieg laut brüllend zum Himmel hinauf rief.
Halb flog auf das erglühte Gestein, halb stürzt‘ es hinunter!
Hoch auf wogten die Säulen des plötzlich enfesselten Rauches,
Unten entglüht, hoch oben, in immer sich häufenden Massen,
50 Schwärzer und schwerer sich dehnend, zu furchtbar drohenden Wolken!
Hoch auf flogen die feurigen Garben erglühten Gesteines,
Sanken, als feuriger Regen, auf Höhen und Tiefen hinunter!
Hoch auf fuhren die Flammen, mit hundert beweglichen Zungen,
Stiegen und sanken, und strebten mit neuer Gewalt in die Höhe,
Nimmer gesehenen Schein weit sendend hinab von dem Berge.
Tief aus der Höhle herauf schwoll flüssig entbrennende Masse,
Gärend und kochend bis hin zum zerrissenen Rande des Kraters,
Quoll dann über, und floss, ein Strom hochglühender Lava,
Breiter und tiefer sich dehnend, hinab am erseufzenden Berge,
60 Schwefligen Qualm, in erzitternder Luft, aufhauchend gen Himmel.
Jetzt auf rafft sich der Mensch nach dem ersten, erstarrenden Schrecken,
Suchet, in eiliger Flucht, sich der grausen Gefahr zu entziehen;
Hierhin lenkt er und dorthin lenkt er die zagenden Schritte;
Aber, wohin er auch flieht, überall gleich schwanket der Boden!
Stürzende Felsen und rollende Steine, wohin er den Blick wirft!
Feuriger Regen ringsum, bald da, bald da sich ergießend!
Glühender Lava Strom hinfließend zur Rechten und Linken!
Dieser Gefahr sich entziehn, hieß, jener entgegen sich stürzen!
Auf drum gab er die Flucht, auf gab er die leiseste Hoffnung!
70 Körperlich, geistig erschöpft, und erliegend des grausigen Schauspiels
Sinnbetäubender Macht, hin sank er auf bebendem Boden,
Hoffte von Zeus nichts mehr, auch nichts von der Göttin der Liebe!
Gänzlich der Macht und der Rache Vulkans für verfallen sich haltend,
Sah er, verzweifelnden Blicks, nur naher Vernichtung entgegen.
Doch unsichtbar ward er geschützt von den gütigen Göttern,
Dass nicht brechender Fels, nicht feuriger Regen ihn trafen,
Dass der erbebende Boden des Bergs nicht unter ihm einsank,
Dass ihn der Lava Strom nicht fasste mit glühenden Armen.
Drob auf brauset aufs neue Vulkan, und, gesteigerten Zornes,
80 Droht er und schwört er, in Asch‘ und in Graus zu verwandeln die Erde,
Dass ihm werde der Mensch zur gewissen, erzieleten Beute!
Siehe, da brechen hervor aus tausend geöffneten Schlünden,
Hoch auf den Bergen und tief in den Tälern, gefräßige Flammen!
Schnell auf rüttelt Vulkan den entschlummerten Sturm aus der Ruhe,
Dass er das Werk der erbitterten Rach‘ ihm helfe vollbringen.
Und es erhebt sich der Sturm mit gewaltigen, tobenden Schwingen,
Rast um die Erd‘ in zerstörendem Grimm, bricht Felsen in Trümmern,
Stürzt in die Täler, und bläst mit erregender Wut in die Flammen,
Dass sie, gigantisch in Höh‘ und Gewalt, überall sich verbreiten,
90 Üppig genährt, in verwüstender Lust, fortschreiten und wachsen,
Bis auf den Bergen von Stein sich Berge von Feuer erheben,
Täler und Ebenen sich in Meere von Feuer verwandeln!
Weithin leuchtet, im Raume der Welten, der wachsende Erdbrand!
Staunend beschauen die Sterne das plötzliche Leuchten der Erde!
Lauten Frohlockens verkündete ihr und dem zagenden Feinde
Schon im Triumph der Verwüster die gänzliche, nahe Vernichtung.
Da rief Zeus den Neptun, und gebot ihm, das Feuer zu löschen.
Dessen erfreute sich der, ein Feind des Vulkan und des Menschen,
Hoffend, den einen im Kampf zu besiegen, den andern zu töten.
100 Rasch drum schritt er ans Werk, goss aus unerschöpfliche Urnen,
Stürzt‘ auf die Erde hinab, auf die brennenden Täler und Berge,
Kühn zu bestehen den Kampf, unermessliche Fluten von Wasser!
Würde zum Sturme mein Lied, zum erschütternden Donnergetöse,
Flög‘ es von Sternen zu Sternen, und stürzt‘ es von Hölle zu Hölle,
Tön‘ und Farben zu leih’n, zu dem schrecklichst-erhabenen Bilde –
Schwür‘ ich herauf aus den Gräbern die herrlichsten Sänger der Vorzeit,
Dass im gewaltigsten Chor die bewundersten Harfen erklängen:
Nie doch würd‘ es gemalt, nie würdig gesungen, das Schreckbild,
Als sich Neptun und Vulkan zu der Erde Vernichtung bekämpfen,
110 Und blind tobender Sturm noch vermehrte den Schrecken des Streites!
Meere von Wasser, vom Himmel gestürzt auf Meere von Feuer!
Wer sah schrecklicher je feindseliger Kräfte Verwirrung,
Je furchtbarer, erhabner und wilder auf Erden ein Schauspiel!
Flammen, und Wellen, und Dampf auffliegend im wilden Gewühle,
Berge hinauf und hinab kampfwütig einander verfolgend,
Schaum und siedenden Dampf aufspritzend zu schwindelnder Höhe,
Und mit Gebraus‘ und Gebrüll‘, vor welchem die Donner erschrecken,
Ferne Gestirn‘ aufrufend zu Zeugen des höllischen Kampfes –
Solches Gemälde vermag kein Maler auf Erden zu malen,
120 Und kein Sänger vermag, solch wütenden Kampf zu besingen!
Kräftiger stets an schürte Vulkan auf den Herden das Feuer,
Schleuderte Flammen auf Flammen den stürzenden Fluten entgegen,
Dass unermessliche Wasser verschwanden in Meeren von Feuer;
Aber je mehr einbüßte Neptun an verdampfenden Wassern,
Desto gewaltiger stürzt‘ er herab aus den Urnen die Fluten,
Bis, überwältigt, Vulkan sah Flammen um Flammen verlöschen,
Und, als Sieger, Neptun wild lachte des weichenden Feindes.
Längst schon waren befreit von den lodernden Flammen die Täler,
Waren, mit Wasser gefüllt, zu kochenden Seen geworden;
130 Aber die Seen, im Wachsen, vereinten sich jubelnd zu Meeren,
Breiteten, übergewaltig, sich aus, stets weiter und höher,
Dass schon hoffte Neptun, ganz Herr auf der Erde zu werden,
Und so Berge, wie Täler, mit ewiger Flut zu bedecken.
Schon hin strebte, vom Sturme gehoben, die schäumende Brandung
An das geweihte Gestein, wo das erste Gebet von der Erde
War, andächtig und kindlich, dem Herzen des Menschen entquollen.
Doch nicht sollte Neptun auch dort sein Szepter erheben,
Denn Zeus hatte des Menschen Gebet mitleidig vernommen,
Hatt‘ ihm vergeben die Schuld, sah nieder auf ihn mit Erbarmen,
140 Und nicht sollte das Meer so heilige Stätte verschlingen.
Drum, mit allmächtigem Wink, schnell ließ er der strömenden Fluten
Urnen verschließen, verbot er des Meers noch weiteres Steigen.
Nicht mehr stürzten sich nun vom Himmel herunter die Wasser;
Nicht schwoll höher das Meer zur Eroberung neuer Gebiete.
Dumpf nur grollt es seitdem, und ebbet und flutet vergeblich;
Denn so erbittert es auch – ein gefang’ner, gefesselter Riese –
Schäumt an den Küsten empor, als wollt‘ es sie alle verschlingen,
Muss es, beschämt, doch immer zurück in die alte Beschränkung.