Ruhiger wurde das Meer; von den Spitzen der Berge herunter
Leuchteten still des besiegten Vulkan noch übrige Flammen.
Frei auf atmete wieder der Mensch, nach langer Betäubung,
Trat aus der Grotte hervor, die Schutz ihm hatte gewähret,
Gegen Vulkans, wie gegen Neptuns feindselig Beginnen;
Jeder bestandnen Gefahr noch denkend mit innerm Erbeben,
Stieg er mit Zagen hinab, misstraut er dem Boden des Berges,
Schwer nur findend zur alten, geheiligten Stelle den Rückweg.
Trümmerbedeckt, von dem Feuer gesprengt, von den Fluten zerrissen,
10 Drohte, wohin er den Blick auch wandte, der Boden Gefahr ihm:
Drum erst kam er ans Ziel nach langer, beschwerlicher Wandrung.
Jetzt kaum kannt‘ er sie wieder, die alte, geheiligte Stätte!
Niedergestürzt von den Felsenkolossen die zackigen Kronen,
Lagen in Trümmern umher! Fast gänzlich verschüttet die Quelle!
Aber das weitablaufende Tal zum Meere geworden!
Unabsehliche Fluten, so weit hin reichte das Auge!
Eins nur hatten verschont so Sturm, als Feuer und Wasser:
Ruhig noch lag auf der alten, geweiheten Stelle das Felsstück,
Welches der Mensch hin hatte gewälzt, zum erinnernden Zeichen.
20 Freudig begrüßt er es wieder, umfasst‘ es, und kniete davor hin,
Weiht‘ es dem Schrecklichen, was er erlebt, als bleibenden Denkstein,
Weiht‘ es, mit lautem Gebet, zu dem ersten Altar der Erde.
Dass er gerettet sich fand aus solcher Gefahren Bedrängnis,
Solches erschien, von allen gesehenen Wundern, das größt‘ ihm.
Hell einleuchtet‘ es ihm, das Zeus, der allmächtige Herrscher,
Hatte der bebenden Erde, dem Feuer, dem Wasser geboten,
Seiner, des Schwachen, zu schonen im wütend vernichtenden Kampfe.
Nur des Allmächtigen Hand war’s möglich gewesen, den Menschen,
Solchen Gewalten zum Trotz, zu erhalten und sicher zu leiten.
30 „Vater!“, so betet‘ er innig gerührt – „barmherziger Vater!
Hoher, allmächtiger Zeus! Nur dir, dir dank‘ ich das Wunder,
Dass ich noch bin, dass weder Vulkan noch Neptun mich vernichtet,
Dass mich der berstende Berg nicht unbarmherzig verschlungen!
Vater, du liebst mich wieder! Du hast mir gnädig verziehen!
Wie auch künftig Gefahr und Feindes Gewalt mich bedrohe:
Dir stets will ich vertrau’n, nichts fürchten, und nimmer verzagen!“
Hoch auf schlug ihm das Herz; froh schaut‘ er hinauf zu dem Himmel,
Fasste den Glauben ins Herz, dass gütig und weise des Menschen
Schicksal werde gelenkt von dem mächtigen Herrscher im Himmel;
40 Und nie ließ er hinfort von diesem erhebenden Glauben,
Welcher, ein Stab in Gefahren und Not, sich bewährt dem Bedrängten.
Zürnend vernahmen Neptun und Vulkan das Gebet des Verhassten,
Schwuren aufs neue ihm Hass, und drohtem ihm ew’ge Verfolgung.
Grollend erhob sich das Meer; wild schäumend erhob sich die Brandung;
Neu auf flammte das Feuer des Bergs, und es bebte der Boden!
Beide Gewalten versuchten aufs neu‘, zu zerstören die Erde!
Doch da donnerte Zeus: „Nicht also! Ruhe gebiet‘ ich!
Zähmet den zornigen Sinn! Nicht duld‘ ich der Erde Zerstörung,
Nicht die Vernichtung des Menschen! Vernehmt und vergesset es nimmer!
50 Er sei Herr auf der Erde! Sie soll ihm ewig gehören!
Feuer und Wasser, vernehmt’s: ihr sollt ihm dienen als Knechte!
Streng wohl hab‘ ich gestraft sein törichtes, kühnes Vergehen;
Doch es gereut den Verstoßenen tief, und mit kindlichem Sinne
Hat er gebetet zu mir, als gnädig verzeihendem Vater.
Darum, erbarmungsvoll, ihn hab‘ ich beschützt und erhalten,
Als ihr, wütenden Kampfs, euch strittet um seine Vernichtung;
Und so will ich hinfort ihm bleiben ein helfender Vater.“
Schweigend vernahm dies Schelten das Meer; es verschwebte die Brandung;
Schweigend vernahm es Vulkan, und nicht mehr bebte die Erde.
60 Schnell, im Gefühl ohnmächtigen Zorns, aus löscht‘ er die Feuer!
Wolken von Rauch, nur schwach aus der Tiefe heraus noch beleuchtet,
Stiegen empor aus dem Krater, und dehnten hinab sich am Berge.
Dunkler und dunkler umflort war wieder die schweigende Erde!
Aber der Mensch, er verzagte nicht mehr, er vertraute dem Vater,
Der ihn mächtig bisher in den größten Gefahren beschütze,
Der urplötzlich in Licht solch Dunkel zu wandeln vermochte.
Siehe, da ging – ein Stern in der Nacht – ihm der freudigen Hoffnung
Lichtglanz auf in der Brust! Auch sie noch sandten die Götter
Gnädig dem Menschen zur Hülfe herab, sein leuchtendes Auge
70 Über das Jetzt still-freudig hinaus in die Ferne zu richten,
Glaubend an künftiges Heil, sein jetziges Weh zu vergessen.
Dankend gepriesen dafür sei ewig die Gnade der Götter,
Denn von allen Geschenken, womit sie den Menschen bedachten,
War wohltätiger keins, als sie, die beglückende Hoffnung,
Sie, die Schwache mit Mut ausrüstet in Not und Gefahren,
Die aus der finstersten Nacht lässt freudig zum Himmel hinauf schau’n.
Kommender Hülfe gewiss, ließ ruhig den Menschen das Dunkel,
Dass aufs neu‘ ihn umgab. Fest glaubt er, es werde die Flamme
Hell von der Spitze des Bergs ihm wieder die Gegend beleuchten,
80 Und dies freudige Hoffen verscheuchte die Schrecken der Nacht ihm,
Ließ auf dem rauen Gestein ihn, ruhigen Herzens, entschlummern,
Ließ im Erwachen ihn schon sich des künftigen Lichtes erfreuen.
Als fortwährend Vulkan nun trotzig die Flammen zurückhielt,
Da sprach Zeus, mit erbarmender Huld hin schauend zur Erde:
„Licht soll werden der Erd‘, auch ohne vulkanische Flammen!
Schöneres, helleres Licht, wohltätig der Erd‘ und den Menschen!
Nimmer versiegenden Quells, nicht Diener verfolgenden Hasses!“
Dann drei edle Geschwister zum Thron hin rief er, und sagte,
Wie sie, geregelter Art, Licht spendend, umwandeln die Erde
90 Sollten in engem Verein, für den Menschen zum Trost und zur Freude.
Eos war es, mit rosigen Fingern, die Göttin des Frührots,
Helios dann, der umstrahlete Gott auf dem Wagen der Sonne,
Endlich Selene, des Monds mildlächelnde, trauliche Göttin.
Willig gehorchend vernahmen die Drei des Beherrschers Befehle,
Und hin eilten sie gleich auf die weise bezeichneten Bahnen.
Ihren Geschwistern voran flog, freudeverkündend, Aurora!
Hebend mit rosigem Finger den Schleier der Nacht von der Erde,
Schwebte sie über dem Meer, und bestreut‘ es mit hüpfenden Rosen,
Lieh den Gebirgen und Felsen sogar mild rötlichen Schimmer.
100 Freudigen Schrecks auf schaute der Mensch nach dem Krater des Berges,
Meinend, es komme von dem die erfreuliche Rosen-Erscheinung.
Da er verwundert indes nicht Rauch, nicht Flammen erblickte,
Winkt‘ ihm freundlich Aurora, die Blicke zum Meere zu wenden.
„Freue dich!“, sprach sie zu ihm – „Mich sendete Zeus, der Allmächt’ge,
Rosigen Schimmer zu streu’n auf die traurig umnachtete Erde.
Aber ich grüße dich nur, leicht schwebenden, flüchtigen Fluges.
Freue dich, Mensch! Mein Scheiden verkündet dir Helios Ankunft!
Schon aus dem Meere herauf, nach der goldenen Pforte des Aufgangs,
Lenkt er, bespannt mir geflügelten Rossen, den strahlenden Wagen!“
110 Und kaum, dass sie gesagt die verkündenden, freudigen Worte,
War sie verschwunden, und nur auf den Wangen des wonnig Erstaunten
Glühte der Abglanz noch von dem rosigen Schimmer Aurorens.
Jetzt – o der Fülle des Glücks! – jetzt tauchte herauf aus dem Meere,
Glänzend in blendenden Strahlen, des Himmels Regentin, die Sonne!
Gleich auf den Spiegel des Meers warf freudig ihr herrliches Bild sich,
Hin bis ans Ufer gedehnt, ein gewaltiger, zitternder Lichstreif.
Und Myriaden von Strahlen, wie silbern geflügelte Pfeile,
Schoss sie hinaus auf die Erd‘, aus dem nimmer zu leerenden Köcher.
Bald dann hob sie sich über das Meer, stieg höher und höher
120 Ihre Triumphbahn hin in dem blauen, unendlichen Äther!
Leben erweckendes Licht, und Leben erweckende Wärme
Strömte sie aus in unendlicher Kraft und unendlicher Fülle.
Höhen und Tiefen, sie waren erhellt; und die Klüfte der Felsen,
Tief in die Höhlen hinein goss mildes, erfreuliches Licht sich!
Freudiges Zittern durchbebte das Meer; und es schienen sich leise
Freudige Pulse zu regen im Innern der staunenden Erde.
Aber im Busen des Menschen das Herz, hoch klopft‘ es vor Wonne,
Klopft‘ es vor freudigem Dank‘ und staunender frommer Bewundrung!
Niedergekniet am Altar, ihr streckt‘ er entgegen die Hände,
130 Stammelt er Jubelgebete zu ihr, und zu dem, der sie sandte.
Wieder gekehrt war kräftigen Wohlseins schönes Gefühl ihm!
Freudig erwärmt floss wieder das Blut in den klopfenden Adern!
Kräftig bewegt‘ er aufs neu‘ die ermattes gewesenen Glieder!
Jeglicher Nerv war freudig erregt in gesteigerter Spannkraft!
Und der erheiterte Geist, mit gelösten, beweglichen Schwingen,
Jauchzte von Himmel zu Himmel in taumelnden Wonnegedanken!
Immer aufs neue den trunkenen Blick nach der Sonne gerichtet,
Sah er sie steigen, und sinken, im kühnen, erhabenen Bogen,
Wieder hinab in das Meer, nach der glänzenden Pforte des Ausgangs.
140 Als in der glänzenden Flut sie endlich begann zu verschwinden,
Sah er betrübt ihr nach, und klagte, mit Tränen im Auge:
„Herrliches Licht, du versinkst! O, weile noch, weile noch länger!
Oder hinab in die Fluten dir nach lass sehnend mich folgen!
Wer einmal sich des Glücks, dich Sonne, zu schauen, erfreute,
Ewiger Sehnsucht Qual muss den in dem Dunkel verzehren!“
Da sprach Helios, freundlichen Blicks, noch im letzen Verschwinden:
Heitre den tränenden Blick! Sie froh! bald kehr ich zurück dir!
Ruhen nur sollen die Rosse, sich baden in kühlenden Fluten,
Während Selene, die Schwester, dir milder erhellen die Nacht wird.
150 Du auch lass unterdes ausruhn die geblendeten Augen!
Wieder verkündet mich dann, als freundliche Botin, Aurora!“
Herrlich getröstet sofort durch Helios schöne Verheißung,
Setzte der Mensch, still hoffend, sich hin an des Meeres Gestade.
Matter und matter verschwebte das Licht der verschwundenen Sonne,
Und tief hüllte die Erde sich ein in der Dämmerung Schleier.
Doch nicht lange, da trat mild glänzend die Scheibe des Mondes
Über dem Meere herauf, und ließ auf verdunkeltem Spiegel
Schweben ihr zitterndes Bild, zwiefach zu begrüßen den Menschen.
Dessen erfreute sich der, und erwiderte freundlich die Grüße,
160 Meinend es werde der Mond bald glänzen so hell wie die Sonne.
Da sprach lächelnd Selene: „Vergiss einstweilen den Bruder,
Wenn dich die Schwester besucht, der schwächeres Licht nur verliehn ist!
Doch wenn Helios Strahlen das Auge dir haben geblendet,
Wird, in der stilleren Nacht, mein milderer Schimmer dir wohltun.
Freundlich ins Auge dir blick ich alsdann; ich lasse mir sagen,
Was dich betrübt, und was dich erfreut; ich spreche dir Trost ein,
Oder erfreue mit dir, ungestört, des genossenen Glücks mich.
Endlich erquickt in der schweigenden Nacht dich ruhiger Schlummer,
Bis, zu dem Glanz des erwachenden Tags, Aurora dich aufweckt.“
170 So sprach traulich Selene, die holde, zum Herzen des Menschen,
Der stillfreudigen Blicks, aufsteigen den silbernen Vollmond
Sah in dem nächtlichen Dunkel, von blasseren Sternen umgeben.
Hatt‘ er mit Jauchzen die Sonne begrüßt, und ihr staunend gehuldigt:
Schaut er den Mond jetzt an mit dem innigsten, stillen Entzücken;
Und nach langem Genuss ein schlief er zu seligen Träumen.