Jetzt in der Kammer, die noch des Mondes dämmernder Strahl nur
Schwach erhellete, sank betäubt Simaitha auf’s Lager;
Nicht mehr das ruhige nun, zu dem des heiteren Tages
Lächelndes Bild ihr gefolgt, im leisen Schlummer erlöschend.
Weich umfing vordem der mohnumkränzete Gott sie
Hier mit schmeichelndem Arm, und kein der bunten Gebilde,
Welche die schweigende Nacht mit täuschenden Farben erzeuget,
Schwebte sonst um das Haupt der sorglos schlummernden Jungfrau;
Doch sie floh der gefällige Schlaf; in trüber Erscheinung
10 Schwebten des Tages Gebilde, die wohlbekannten Gestalten,
Jetzo traurig und fremd an ihren Blicken vorüber.
Aber Hoffnung fasste, die stets erfreuliche, sanft noch
Einmal der Jungfrau Hand mit liebreich tröstendem Zuspruch:
Fremd bis heute noch blieb der Schwester sträfliche Neigung
Deinem Gliebten vielleicht, ihm hatte zuerst sie der Zufall
Unwillkommen enthüllt, nur Überraschung und Mitleid
Sprach sein staunender Blick; so flüsterte schmeichelnde Hoffnung.
Aber die Leucht‘ in der Hand betrat nun Likoris die Kammer,
Noch der älteren Schwester zum Dienst, so wie sie gewohnt war.
20 Und sie täuschte der Schein, da abgewendet Simaitha
Lag, mit verhülltem Gesicht, sie schien in Schlummer versenket.
Denn di Treffliche mied, bewegt und traurig, des Mädchens
Anblick, welcher so kurz noch willkommen ihr immer und süß war.
Aber Likoris trat mit zögernden Schritten nur vorwärts,
Als sich die hohe Gestalt ihr zeigte der schönen Simaitha,
Wie sie ruhend erschien in aller Fülle der Anmut.
Also bebte Psyche, die Gattin des lächelnden Amors,
Da mit verbotemen Licht sie das duftende Lager erhellte,
Und in himmlischem Reiz erblickte den ewigen Jüngling.
30 Still nun faltete sie die Gewande, eilte sodann auch
Nahrung der Lampe zu geben, der nächtlichen, zierliche Kettlein
Hielten sie schwebend empor, und über das Bette verbreitet
Drauf sie den Teppich, der weich aus bunter Wolle gewebt war.
Lange heftete sie so, in finster stummer Betrachtung,
Starr auf die Schwester den Blick, doch heftig fasste sie Wehmut
Und der gewaltige Schmerz, sie rief die klagenden Worte:
Hochbeglückte! verträumst du die Stunden süßer Erwartung?
Tückisch zeigt sich fürwahr der Schlaf, un feindlich den Menschen,
Gern betrügt er den Günstling des Glücks um des heiter’n Genusses
40 Schnellbeflügelte Stunden, die bald auf immer dahinfliehn.
Nur wo mit Zähren der Gram das traurige Lager benetzet,
Nahet nimmer der Schlaf; mit allbesiegendem Zauber
Gütig den quälenden Schmerz zu täuschen in kurzem Vergessen.
Ach was ordnet‘ ich hier gedankenlos diese Gewande?
Nicht ziemt häusliche Tracht so festlichem Tage, du prangest
Morgen in bräutlichem Putz; bewundernd schauet Diokles,
Wohlgefällig vielleicht, sie, die für ihn so geschmückt ist.
Und ich sollte dies Haar mit heiteren Blumen durchflechten,
Freude heuchelnd mich mischen ins Chor der fröhlichen Jungfrau’n,
50 Welche mit festlichem Tanz begleiten die Hymnen der Hochzeit?
Ha! Schon stockt mir im Busen der fliehende Laut und es wanket,
Weil ich’s denke nur, den Dienst versagend, das Knie mir.
Nein, der die Liebe mich lehrte, nicht lehrt‘ er so der Verstellung
Oft willkommene Kunst das junge Herz, auch das schuldlos
Keines Wunsches bewusst sich der holden Neigung dahingab.
Ihn zu sehen ja schien genug mir, ach! ihn zu lieben!
Lange täuscht‘ ich mich so; wie plötzlich ist es mir anders
Nun geworden! Und fremd erschreckt mich die eigne Gesinnung.
Also entzündet geheim ein Funke, welcher der Lampe
60 Unbeachtet entfiel, den Purpur weicher Gespinste,
Welche die Weberin sammelt; es steigt die zischende Flamme
Schnell empor und verzehrt der Jahre zögernde Mühe;
Wie im Busen mir jetzt Verlangen und liebende Sehnsucht
Lang verhalten auch verzehrend lodert; nicht länger
Berg‘ ich die siegende Glut. O! Hätte nimmer sein Blick mir
Leuchtend ins Auge gestrahlt, von seiner Stimme der Wohllaut
Nie mir die Seele durchtönt; mit Worten holder Bedeutung
Schmeichelnd heimlichem Wunsche. Doch nein, nicht trauriges Mitleid
Gab er der Liebenden nur, der Gegenliebe Gewissheit
70 Strahlt mir heilig und hold; er teilt die Qualen der Sehnsucht,
Schöner hat es sich ja und fest mir heute bestätigt.
O des entzückenden Trosts! Doch halt, Unselige! Wagst du’s,
Noch dich trauriger Schmerzen zu freu’n des geliebtesten Jünglings?
Nimmer vermag ich das Leiden, das unerhörte, zu tragen;
Ja der Herrliche selbst, er schaffe, wie der der Seele
Krankheit erreget, mir nun die Mittel auch der Genesung.
Schlafe du, Schwester, indes; es wache der nagende Jammer
Nur in Likoris‘ Brust, mit braunen Fittichen weile
Nun nicht länger die Nacht und meerwärts lenk‘, o Selene!,
80 Still dein leuchtend Gespann: ihr Sterne sinkt, dass ich einmal,
Weil ich lebe zuletzt noch, das Haupt umfasse des Lieblings.
Also das klagende Mädchen; und rasch verließ das Gemach sie,
Ahndete nicht, wie aufs neu den kaum beschwichtigten Argwohn
Stärker der Schwester das Wort verirrter Leidenschaft aufrief.
Schmerzlich büsste Simaitha der niegeübten Verstellung
Unwillkürliche Schuld, die, treulos gegen ihn selber,
Der sie gebrauchet, stets die heimlichen Waffen zurückkehrt.
Alle Bande zerrissen des blutenden Herzens, von dem sich
Mit der Liebe zugleich auch löste die tröstende Hoffnung.
90 Weh! So seufzete bang, nach langem Schweigen, die Jungfrau,
Scheu das düst’re Gemach mit zweifelnden Blicken durchirrend:
Webt, mich zu schrecken, der Schlaf entsetzlich täuschende Träume
Noch um das schwindelnde Haupt? O! Dass sein ernsterer Bruder,
Sanft mich fassend zugleich, gegönnt mir hätte die Täuschung,
Welche mir ewig entflieht. Bewegte sich wirklich Likoris
Meinem Blicke vorbei? Ihr Kranz, den Locken entrissen,
Liegt entblättert noch hier; der Freude heiteres Sinnbild
Wird ein trauriger Zeuge mir nun verhasstester Wahrheit.
Ja, das schwarze Bekenntnis entfloh den Lippen, die sonst nur
100 Zärtliche Worte des Dankes mir sprachen und fühlender Freundschaft;
Und das Verhältnis erscheint mir nun in erschrecklicher Klarheit.
Allzu lang nur umwölkte Vertrau’n den befangenen Blick mir;
Denn in schuldloser Brust wiegt blind und sicher sich Eros
Stets, ein heiteres Kind, noch unbekannt mit dem Argwohn.
Nur dem sträflichen Sinn erwachet Furcht mit der Neigung,
Und so wird ihm Verrat ein hellersehender Amor.
Wohl erklär‘ ich den tätigen Fleiß nun, welcher die Schwester
Nur seit kurzem belebt; ich pries vertrauend und arglos
Froh als Tugend an ihr die Frucht des tückischen Undanks.
110 Emsig sah ich sie immer bemüht, zu dienen dem Jüngling;
Lachte (Verdacht war mir fremd noch) der achtsam kindischen Sorgfalt.
Schöner in seines Wunsches Erfüllung sah ich den meinen
Stets gewährt mir, denn nur was ihn erfreute, bedacht‘ ich;
Und so traf sie mein Herz, um das sie schmeichelnd ihr Netz schlang.
Hatte der Lenze doch keiner, so schien mir’s, je noch der Blumen
Gleiche Menge geweckt, frisch wanden an jeglichem Morgen
Tausendfarbige Kränze sich rings um die Säulen des Eingangs
Aus Diokles Hand, er saß im Schatten des Ahorns
So beschäftigt mit ihr, ich pflegt‘ indessen des Haushalts.
120 Doch wenn am Abend sich nun die duftenden Kelche gesenket,
Löste Likoris das volle Geflecht, aufs eigene Lager
Streute die Welkenden sie; oft scherzt‘ ich, dass sie, was mein sei,
So mir raube, sie log den Anschein heiterer Unschuld.
Ja, sie schlummerte süß auf weichen Blumen der Liebe,
Von Diokles Hand für sie gereihet, ein Spott nur
War ich beiden, ich fühl’s, und schamrot glüht mir die Wange,
Die unwillig sich jetzt von schimpflichen Zähren benetzt fühlt.
O! Der Törin, die schon des Kummers volleste Schale
Ganz geleeret wähnte; noch blieb ihr des bitteren Trankes
130 Tötende Hefe zurück. Beglückt ist, welchem das Schicksal
Früh, mit schonender Hand, entnimmt das Liebste, der Achtung,
Ach! Und wert noch der Zähren, des gern ernähreten Trauerns
Süßen Zoll! Nicht drängt im Busen schmerzlicher Unmut
Steigende Seufzer zurück; noch ringt, geschärftere Qualen
Bringt kein Kampf dem Herzen, mit Liebe dann die Verachtung.
Doch was sag‘ ich? Mit Huld noch schauen himmlische Mächte
Mich, die, jegliches Schmerzes Vertraute, fremd noch der Schuld blieb.
Denn mit zerstörender Macht ergreift sie rastlos des Armen
Busen, der einmal sie nur, die vielgestaltete, aufnahm.
140 So entlehnte sich schlau der Liebe lockenden Liebreiz,
Freundlicher Hoffnung Stimm‘ und stahl sich leicht in Likoris
Unbewahrtes Gemüt, das jedem Eindruck sich hingibt.
Ach! Auf immer vielleicht verscheucht sie den Frieden der Unschuld
Aus der entweiheten Brust, vordem ein heiliger Wohnplatz.
Streitende Leidenschaft regt, empört ihr die Tiefen der Seele,
Raubt, verbunden der Angst und furchtsam lauschendem Misstrau’n,
So ihren Nächten die Ruh‘ wie jede Freude dem Tage.
In der Freundschaft Blick liest still sie den mahnenden Vorwurf,
Fühlet scheu und verwirrt im Arm der Liebe sich strafbar.
150 Nein, zu strenge doch rächst, o Nemesis! du der Vergeltung
Ernste Göttin, die Schuld, und ach!, in dem traurigen Herzen,
Dem sie alles geraubt, erweckt die Glückliche Mitleid.
Wie? Und büsset auch er des Wankelsinnes Verschuldung
Mit verborgenem Schmerz? Senkt trüb‘ ein quälend Bewusstsein
Nun Diokles Stirn, die jüngst so heiter und frei mir
Glänzte? Elend, er ist’s, ihr Götter! Denn er ist treulos!
Möchte der Liebenden doch auf immer verloren sein Herz sein,
Hätt‘ er der Tugend es nur, der Wahrheit treu noch bewahret!
Tief versenktet ihr zwar in die liebende Seele sein Bildnis,
160 Doch, gönnt rein ihr es nicht, vertilgt es ganz aus der Brust mir.
Nein! Führt sie, die ich liebe, verklärt, im Glanze der Unschuld
An die verwundete Brust zurück, der Verirreten reicht‘ ich
Gern versöhnet die Hand. Ich dank‘ euch, himmlische Mächte!
Tröstend senket ihr schon im Vorgefühle die Wonne
Des Verzeihens mir in das Herz; mit gewaltigen Armen
Hebt ihr empor die Schwache zu euern höheren Freunden.
Doch du strebest umsonst, Unselige, länger ein Glück dir
Festzuhalten, das streng ein gebietendes Schicksal dahinreißt.
Also bemüht am Gestade sich noch der Arme, der Güter
170 Strandende Trümmer zu sammeln, von abwärts rollenden Wogen
Weiter schon ihm entführt, er steht verarmt an dem Ufer,
Wo ihm der Hoffnung Ziel aus blauer Ferne gestrahlt hat.
Also sprach voll Schmerz Simaitha, streitenden Entschluss
Tief in unruhiger Brust bewegend, heftete jetzt sie
Starr den düster’n Blick hinaus auf die nächtliche Landschaft.
Wehend graues Gewölk umzog die Sterne; nur Blitze
Gossen, mit schwebendem Schein am fernen Saume des Himmels
Zuckend, ein flüchtiges Licht umher; doch schnell, wie es aufstrahlt,
Schnell auch verschlang es die Nacht. So hellt der freundlichen Hoffnung
180 Lichter Funke vergebens den finster’n Geist, die Erscheinung
Eines Augenblicks nur, besiegt von der düsteren Trauer.
Aber langsam erhob ihr strahlendes Auge die Jungfrau
Dann, und der trockenen Wimper entstürzte, lindernd, der Zähren
Reichlich fließender Strom, entlockt von sanfterer Wehmut.
Die ihr in schweigender Luft mit grünenden Armen emporstrebt,
Also rief sie bewegt: Ihr dachumkränzende Pappeln;
Traurend sah ich euch oft, wenn rau durch die schwankenden Äste,
Herbstlich sauste der Sturm, die falben Blätter entschüttelnd,
Hoch im Wirbelwind mit wildem Spiele sie umtrieb,
190 Und der schlankere Wipfel sich neigte, seufzend und schmucklos.
Mitleid durchbebte den Busen mir dann, des Lebens Empfindung
Lieh ich dem traurenden Baum; und sollt‘ ich es irrigen Wahn jetzt
Nennen! Neigen sich nicht in einsam schweigender Nacht mir,
Da der zerrüttende Sturm den eigenen Busen durchwühlet,
Sanft die Wipfel herab? Sie säuseln freundliche Tröstung
Traurig flüsternd mit zu, und leisen zarteren Anteil.