Erzählverse: Der Hexameter (184)

Das Beiwort im Hexameter (II)

Es ist schon eine eigenartige Sache mit der Wortbildung. „Oma pellt Kartoffeln“, „Peter spielt Trompete“, „Napoleon besiegt die Preußen“ – da liegt ein Satzmuster zugrunde, das jeder kennt und bei dem keiner irgendwelche Bedenken hat, es für eigene, nie zuvor verwendete Sätze nutzbar zu machen – „Der Frosch stapelt Farbpatronen“ (bestimmt hat genau den, nur um mich zu ärgern, dann doch schon wer benutzt!). Nun ist „Wortbildung“ sicher nicht das gleiche wie „Satzbildung“, aber: Im wesentlichen geht es genauso! Es gibt ein Muster, zum Beispiel: „handverlesen“, „mundgeblasen“, „naturbelassen“, „angstgetrieben“, „schweißgebadet“ – und nach diesem Muster kann sich jeder seine eigenen Worte bauen. Das Gute am Hexameter ist, dass er durch  seine rhythmischen Anforderungen an den Schreibenden diesen, solche Möglichkeiten auch in Anspruch zu nehmen; über die allgemein bekannten, in der Prosa immer wieder zu lesenden Beiwörter hinaus eigene zu suchen und zu finden. Ich schaue noch einmal bei Baggesen rein (II,171):

Wandte sich schnell zu den Holden der herzerbitterte Nordfrank,

„Nordfrank“ ist hier Eigenname; und das „herzerbittert“ ist das Beiwort, das nach dem gut bekannten, eben vorgestellten Muster gebaut ist. Es wirkt erst einmal ungewohnt, ist aber gut verständlich und erreicht den Leser gerade durch seine Frische!

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