Esaias Tegners „Frithiofs saga“
Wenn man, wie im letzten Hexameter-Eintrag, einen Text in zwei Sprachen gegenüber stellen kann – warum dann nicht auch in drei Sprachen? Neben Deutsch und Englisch wäre Schwedisch eine Möglichkeit. Da ist der Hexameter heimisch geworden, lange bevor Klopstocks Messias ihn 1749 fürs Deutsche gewann – schon 1658 brachte Georg Stiernhielm sein schwedisches Hexameter-Epos „Hercules“ heraus! Davon angeregt haben immer wieder schwedische Dichter den Hexameter verwendet.
Tegner hat die zu seiner Zeit (sein Werk erschien 1825) um die 400 Jahre alte „Frithiofs saga“ in zeitgemäße Verse gebracht, und einen Abschnitt eben auch in Hexameter. Da klingt dann der Auftritt eines Erzählers so:
Tyst satt lyssnande lag, och dess blickar hängde vid gubbens
läppar, som bi’t vid sin ros; men skalden tänkte på Brage,
när med sitt silfverskägg och med runor på tungan han sitter
under den lumimiga bok och förtäljer en saga vid Mimers
evigt sorlande våg, han själv en levande saga.
Ich kann kein Schwedisch, aber es ist schon erstaunlich, wie deutlich selbst dann die Hexameter-Bewegung durch die Verse schimmert – meistens finden sich die Betonungen fast von selbst. Aber was heißt das ganze nun? Hier eine zeitgenössische deutsche Übersetzung:
Still dann lauschten die Gäst‘, und es hing ihr Aug‘ an des Greisen
Lippen, wie an der Rose die Bien‘, und der Skalde gedachte
Bragas dann, des Gottes, der dort mit silbernem Bart sitzt,
Unter schattender Buch‘ und Sagen erzählet bei Mimers
Ewig murmelndem Born; er selbst die lebende Sage.
Die Übersetzung stammt von Amalie von Imhoff und war, soweit ich weiß, zu ihrer Zeit recht angesehen; manche ihrer Hexameter gefallen mir aber nicht so. Trotzdem habe ich ihre Verse gewählt, denn die Dame, Gattin eines Schweden und einige Jahre in Stockholm lebend, ist in der kleinen, feinen Welt der Hexametristen keine Unbekannte, hat sie doch 1799 selbst ein kleines Hexameter-Epos geschrieben, „Die Schwestern von Lesbos“, das hier, samt der etwas eigenartigen Rolle, die Goethe und Schiller dabei spielten, auch noch mal zur Sprache kommen soll! Nun aber zur englischen Übersetzung:
Hushed sat the listening bench, and their glances hung on the graybeard’s
Lips, as a bee on the rose; but the Scald was thinking of Brage,
Where, with his silver beard, and runes on his tongue, he is seated
Under the leafy beech, and tells a tradition by Mimer’s
Ever-murmuring wave, himself a living tradition.
Auch hier ist der Übersetzer jemand, der auch selbst in Hexametern gedichtet hat: Henry Wadsworth Longfellow, der hier ja schon mit seiner „Evangeline“ vertreten war. Und wieder sein wird, denke ich – seine Verse haben es mir nämlich wirklich angetan inzwischen. Seine Übersetzung scheint mir auch rund und klangvoll; zumindest schmeißt er da, wo es Frau Imhoff kurzzeitig aus der Kurve trägt, nicht gleichfalls einfach Ballast ab (med runor på tungan) …
Wie klingen die Verse hier, wie da, wie da? Da müsste man sich jetzt schon mit einem Engländer und einem Schweden zusammensetzen. Hm. Aber vielleicht findet sich ja ein des Internetsuchens Erfahrener, der irgendwo im Netz gesprochene Versionen auftreibt? Wäre doch mal was!
Ansonsten einfach mal die Geschichte lesen, auch in der Imhoff-Fassung – es lohnt sich, erst recht, wenn man sich sowieso etwas für die alten nordischen Geschichten erwärmen kann …
Und wenn man dann ab und an ins Original rüberschaut, kann man auch noch ein paar Brocken Schwedisch mitnehmen. Ich habe ja nie verstanden, warum man fremde Sprachen immer über Begrüßungsformeln, Gespräche beim Bäcker oder anderen alltäglichen Unfug lernen soll. Wer kann sich sowas merken? Da ist ein einprägsamer Vers doch wesentlich geeigneter!
glad som ett barn men fast som en man och vis som en gubbe
dichtet Tegner, und
Froh wie ein Kind und stark als ein Mann, ein Greis doch an Weisheit
übersetzt Imhoff; und schon hat man sechs Vokabeln beisammen, leicht zu merken, da aufgereiht auf den sechs Hebungen des Hexameters (wenn die Übersetzerin auch ihrem deutschen Vers zuliebe am Ende umstellt) …