Erzählverse: Der iambische Trimeter (9)

’s Fädel reißt, ’s reißt immer wieder reißt’s entzwei,
das will was heeßen! Na, was wird’s denn heeßen ernd:
als mach dich fertig, denn dein Lebensfädel, altes Weib,
wird auch ni mehr wer weeß wie lange halt’n. Der Mann
is weg. Is nunter! s‘ war a Tag, wie heute warsch,
da koama Leute, die’n nuntertrugen uf
a Schultern, und das fichtne Kästel schwamm davon,
als wie a Hobelspan in unserm Bache schwimmt.

… lässt Gerhart Hauptmann ein „am Spinnrad sitzendes altes Frauchen“, eine Gebirgsbäuerin sagen am Anfang von „Kaiser Maxens Brautfahrt“. Die wieder beginnt in Hauptmanns „Sämtlichen Werken“, Band 4 (Propyläen 1964), auf Seite 262.

Etwas seltsam wirkt es schon, wie da eher Dialekt den antiken, klassischen Vers füllt als die „Hochsprache“; aber es wirkt eben, erst recht, wenn die Trimeter des „Kaisers Max“ danebentreten, die wesentlich weniger bodenständig und bescheiden daherkommen, als er, vom Wege geirrt, in der Berghütte auftaucht:

Als wär‘ ich meines Augenlichts beraubt, als sei
tot meine Hand: denn niemand folgt auf meinen Wink!
als formt‘ ich Worte und es trüge sie kein Laut,
denn niemand ruft auf mein Gebot: Ja, hier, Herr, hier!

Nicht die besten Voraussetzungen für ein umgängliches Miteinander, könnte man meinen; doch dann taucht Anna auf, die Tochter der Bergbäuerin, und sagt Sätze wie:

Lass mich den Rock von deiner Schulter nehmen, Max.

– Es ist Liebe, beidseitig, wie aus Maxens Antwort schon vermutet werden kann:

Wie herrlich mir dies Abenteuer plötzlich scheint!

Den Schluss des Textes spricht allerdings wieder Emmerenz, allein zurückbleibend, während Anna und Max „davonspringen“:

Man is halt tot. Man stellt a Lichtel uf a Tisch
fer andre Leute, die de nich gestorben sein:
die sehn’s was in dem Lichte für a Zauber is,
und da dawider hält sich keene Finsternis.
Uns schließt sie ein.

Insgesamt ein wirksames Hin und Her, und die ganze, kleine „Idylle“ ist durchaus lesenswert; sowohl an sich, als auch in Hinblick darauf, was mit dem Trimeter alles angestellt werden kann; welche Ausdrucksmöglichkeiten er bietet.

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