Erzählverse: Der Hexameter (33)

Paul Heyses „Thekla“ (1)

Ein Hexameter-Epos, das ich im Moment mal wieder lese. Ich weiß nicht wirklich, was ich davon halten soll … Die Hexameter sind jedenfalls schön, ein wenig zu sehr am antiken Hexameter entlang gedacht, vielleicht, aber das fällt gar nicht auf. Ich schreibe einfach mal zu jedem Gesang einen kurzen Beitrag und weiß dann vielleicht am Ende mehr?!

Heyse entfernt sich nicht allzuweit von der zugrundeliegenden Heiligenlegende. Im ersten Gesang wandern ein Grieche und ein Einheimischer nach Ikonium; Dabei treffen sie auf einen Christen, der sich ihnen anschließt. Als sie in der Stadt eintreffen, feiert man gerade ein Fest zu Ehren der Kybele.

Auf der Wanderung erzählt der Grieche von einem Mann, der ein Kalb am Strick führt, doch plötzlich:

 

Stürmt uns hoch von der Matte zu Tal mit freudigem Brüllen
Eine gewaltige Kuh wie toll und törig entgegen.
Fest auf das Tierlein war ihr glänzendes Auge geheftet,
Denn sie glaubt es das ihre. Nun war das herrlich zu schauen,
Wie aus strotzendem Euter, gewaltsam schwankend im Laufe,
In vier Strahlen die Milch, ein lebendiger Brunnen, herausschoss
Über die Blumen und Gräser, ein Bild kraftsprühenden Reichtums.

 

Entgegen allem, was diese Zeilen vermuten lassen, ist das Epos fast vollständig humorfrei!

Zum Versbau möchte ich nur eine Sache anmerken:

Es ist ja nicht nur, aber besonders auch im Hexameter so, dass innerhalb des Verses die metrischen Grenzen nicht mit den Sinn- und Wortgrenzen zusammenfallen sollten, weil der Vers sonst an zu „klappern“ fängt, sprich: eintönig wird. Ich leihe mir als Beispiel einen Hexameter von Albrecht Schaeffer:

 

Gotthold Efraim Sebulon Sundermann, Meister des Schuhwerks

 

Hier fallen die Wortgrenze bei den ersten vier Füßen immer mit den Grenzen der metrischen Einheiten zusammen:

Gotthold / Efraim / Sebulon / Sundermann, / Meister des / Schuhwerks

Und es leuchtet ein, dass, sollte solcherlei mehrere Verse hindurch geschehen, von der im Hexameter geforderten Abwechslung keine Rede mehr sein kann. Heyse handhabt das natürlich besser:

In vier / Strahlen die / Milch, || ein le- / bendiger / Brunnen, her- / ausschoss

In diesem Vers decken sich metrische Einheit und Sinn- bzw. Worteinheit nie! Diese Spannung ist eines der Dinge, die den Vers so lebendig wirken lassen.

Bei Heyse kommen der Christ und der Grieche, der sich als Philosoph herausstellt, ins Gespräch. Gewichtige Dinge werden verhandelt:

 

Nur das Gemeine verwandelt sich nicht und das Niedre vergeht nicht.
Mit sich eins ist der einzelne nur. Wie Blätter des Waldes
Sind die Gedanken der Völker. Die heut in Blüte gestanden,
Über das Jahr am Boden verfaulen sie, und der Geringste
Tritt sie mit bäurischem Fuß in den Staub, weil über dem Haupt ihm
Neues unendliches Laub um die Blüte der Zukunft gaukelt.

 

Im letzten Vers verzichtet Heyse auf die übliche Schlussformel „X x x / X x“: „Zukunft / gaukelt“. Das ist aber eine seltene Ausnahme!

Am Ende des Gesangs sind aber alle Philosophirereien vergessen und die drei betrachten den Festumzug, der

 

Plötzlich erschien um die Krümme des Wegs. Wie helles Getümmel
Rasender Bienen sich drängt um den brennenden Korb in der Nachtluft,
So vielhäuptig umgab die schwärmende Menge der Göttin
Wandernden Thron. Kienfackeln, im Kreis umwirbelnd, versprühten
Blutigen Schein, und die Cymbel erklang zu den Flöten und Hörnern,
Während die tobende Pauke die fiebernden Sinne verwirrte.

 

Tja, auch in der Antike wusste man zu feiern … Beachtlich die vielen Partizipien.

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