Das Königreich von Sede (5)

Eingebettet in Stille, umhüllt von bäumischem Dämmer
Endlich, endlich! den Schrei der Grübeleule zu hören,
Just wenn des Daseins Zweck dem sinnenden Vogel sich aufschließt:
Hat sich des Königs Seher, hat Pulverfass sich begeben
Tief in den alten Wald, in sein Herz, zu den Bäumen der Vorzeit.
Alle die Stunden ging er des Tags, und wurde der Welt fremd;
Alle die Stunden saß er der Nacht, ein unendliches Lauschen;
Hört, was zu hören sein Wunsch war, und ahnt, was am Grunde des Schreis ruht.

Traurig kehrte zurück aus dem Wald, und fröhlich! der Seher,
Pulverfass, der nah am Tintenfässchen die Schatten
Hinter sich ließ der Bäume, die Kneipe betrat; und nach Wein rief.

Wein war verlangt, und Wein ward gebracht, und immer noch mehr Wein,
Bis zu Beginn der Nacht, im Licht des Monds und der Sterne,
Pulverfass, der Seher, von Wein und von Ahnungen trunken,
Heimwärts wankte, und schwankend kam: hin zum Trinkerschicksal,
Einer Verzweigung des Wegs, so genannt, weil der Weg hin zum Schlosstor
Links von ihr abging, rechts jedoch: der zur Jauchegrube.
Kehrte ein Zecher heim vom Tintenfässchen, so gab ihm,
gab dem gesamten Schloss nicht anzuzweifelnde Antwort
Auf die Frage, ob angeheitert, ob völlig besoffen
Er sich der Heimat nährt: die mit Weisheit gesegnete Gablung.

Antwort gab sie auch diesmal, gab Pulverfass ihre Antwort
Und dem gesamten Schloss, als hoch auf die Mauern, zur Wache:
Jauche, in die etwas stürzt, und ein angewiderter Schrei drang.

Wenige Schritte entfernt, am Graben, hatte Prinz Klappstuhl
Dieses vernommen; er riss sein Denken vom Denken der Frösche
Los und rannte zur Grube, und holte dabei aus der Tasche:
Wäschekammern, ein Paar. Ein solches trug jeder, dem einmal
Antwort gegeben hatte der Gabelung tiefere Weisheit,
Bei sich. Die eine drückte der Prinz auf die eigene Nase;
Streckte die Hand aus und zog den Seher mit Schwung aus der Grube;
Nahm dann die zweite und setzte sie Pulverfass auf die Nase.
Schweigend standen sie nun, und kamen zu Atem; doch schließlich
Fragte der Prinz, die Stimme erfüllt von leicht näselnder Neugier:

„Sag mal – ein Seher zu sein, was bringt das, wenn solcherlei … Unglück
Nicht vorhersehbar ist, und also nicht zu verhindern?“

„Klappstuhl, Junge“, begann nicht nur näselnd: auch lallend der Seher,
„Alles vorherzusehen, verlangte, zu jeder Minute
Über die Kugel gebeugt zu schauen die eigene Zukunft;
Aber was gäb’s dann zu sehen? Nur mich, der ich über die Kugel
Hingebeugt bin, und mich drin sehe, wie über die Kugel …“

Pulverfass verstummte, und während der Prinz noch versuchte,
Schlau zu werden aus dem, was der Seher ihm eben verkündet:
Trat ihm dieser so fest, wie sein Rausch es irgend erlaubte,
Auf den Fuß, und ein Schrei! drang, laut und vernehmlich, zum Schloss hin,
Drang auch zum Tintenfässchen, und weiter zum alten Wald noch,
Tief hinein, nun schon leis‘, und doch zweifelsfrei: eine Antwort.

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