Der in der Bewegungsschule vorgestellte Vers berührt sich in vielen Punkten mit anderen Versen. Ich möchte daher hier ein Gedicht von Johann Heinrich Voß einstellen, „Friedensreigen“. Ich stelle seinen Bauplan vor und werfe einen etwas genaueren Blick auf zwei Strophen (wer das ganze Gedicht lesen möchte, kann unter „Gesammeltes“ vorbeischaun, wo ich den Bereich „Anapästische Verse“ etwas umgebaut habe – unter anderem ist da jetzt auch „Friedensreigen“ zu finden, nebst Anmerkungen von Wilhelm August Schlegel zum Aufbau des Gedichts).
Die von Voß entworfene Strophe hat neun Verse:
ta ta TAM ta TAM ta ta TAM ta
ta ta TAM ta ta TAM ta TAM
ta ta TAM ta TAM ta ta TAM ta
ta ta TAM ta ta TAM ta TAM
ta ta TAM ta TAM ta ta TAM ta
ta ta TAM ta TAM ta ta TAM ta
ta ta TAM ta TAM
ta ta TAM ta TAM
ta ta TAM ta ta TAM ta ta TAM ta TAM
Das Reimschema lautet a b a b c c d d d.
Die verwendeten Verse kommen sehr vertraut daher: V1, V3, V5, V6 sind „Schlussverse“, V7 und V8 sind „Halbverse“; und V9 ist ein „Vollvers“! Sicher, da sind einige „Verkürzungen“ eingemischt, aber die ändern nicht viel. Das tataTAM ist deutlich vernehmbar der Grundbaustein der Versbewegung, wie gleich in der ersten Strophe deutlich wird:
Mit Gesang und Tanz sei gefeiert,
O du Tag und, o Nacht, auch du!
Denn er kömmt, der Fried, und erneuert
Die Gefild uns mit Heil und Ruh!
Von der Grenze kehrt, wer gestritten,
Mit der Eichen Laub in die Hütten!
Oh, wie eilt ihr Gang
In der Trommeln Klang,
In der Hörner Getön und dem Siegsgesang!
„Mit Gesang„, „O du Tag„, „Denn er kömmt„, „Die Gefild“ – alles Sinneinheiten der Art „ta ta TAM“ am Versanfang! Und in der zweiten Strophe geht das genau so weiter: „Wer daheim„, „O hinaus„, „Mit der Lieb‚“, „Das Gepäck„, „Ja er lebt„, „Ja er lebt„, sechs „ta ta TAM“ eröffnen die ersten sechs Verse.
Da soll dem Leser und Hörer also etwas eingebläut werden; eine Bewegung erst einmal wirklich bewusst werden, ehe es an ihre Abwandlung geht. Und das gilt durchaus für ganze Verse: Das
ta ta TAM / ta TAM / ta ta TAM ta
des allerersten Verses kehrt immer und immer wieder. Zum Beispiel in der vierten Strophe:
Wie umzog uns schwarz das Gewitter
Der Verschwornen zu Fuß und Ross,
Der Tyrannen Schwarm und der Ritter,
Ein unzählbarer Mietlingstross!
Doch ein Hauch verweht das Getümmel
Und es strahlt die Sonn an dem Himmel.
Nun beginnt der Tanz
In dem Eichenkranz
Um der Freiheit Altar und des Vaterlands!
V1, V5, V6: Alles „ta ta TAM / ta TAM / ta ta TAM ta“. Nur V3 weicht leicht ab!
Noch zum neuten Vers, dem letzten der Strophe – hier „Vollverse“ zu sehen wird auch durch die Zäsur bestärkt, die in allen Strophen dort sitzt, wo sie in „unserem“ Vers auch sitzt; nämmlich genau in der Mitte. Also:
In der Hörner Getön || und dem Siegsgesang!
Um der Freiheit Altar || und des Vaterlands!
Es gäbe sicher noch viel zu entdecken in dieser Strophe, aber ich lasse es damit gut sein, denke ich. Wer mag, kann ja noch selbst schauen; und vielleicht ist die eine oder andere Anregung dabei für das Entwerfen einer eigenen Strophe?!