Erzählverse: Der Hexameter (39)

Paul Heyses „Thekla“ (7)

Die zentrale Szene der Legende, daher auch ohne große verstheoretische Unterbrechung vorgestellt!

Alles strömt ins Amphitheater, obwohl das Wetter nicht das beste ist:

 

Da schwand völlig der Mond, ein plötzlicher Sturmwind wälzte
Hinter den Bergen hervor ein Wolkengebirg, und bedrohlich,
Wie ein geborsten Gewölb, hings über den Häuptern der Menge.

 

Midas will Thekla nackt und gefesselt auf dem Scheiterhaufen sehen; das mit dem Nackten weiß aber Skyron zu verhindern, und die Fesslung ist unnötig, weil Thekla den Scheiterhaufen freiwillig besteigt und sich an den Pfahl stellt. Midas hält, die Fackel in der Hand, eine Rede, und dann:

 

Riefs und schleudert den Brand in das Fichtengestrüpp, und die Seinen
Taten es nach. Und ein Qualm stieg auf, und es schwärmten die Funken
Knisternd im Nadelgezweig.
.                                                                    Da horch! Hochher vom Gebirge
Schwang sich die Windsbraut auf und schnaubt‘ in die Tiefe. Gerölle
Riss sie vom Abhang nieder und trieb es in wütendem Wirbel
Über die Stufen hinab ins dichteste Menschengewoge.
Und sie fuhr in die Brände, zerwühlte sie, drängte mit schwerem
Odem die Gluten zurück und zerstreute die schweifenden Funken,
Dass die feurigen Zungen verloderten unten im Sande.
Doch in Purpur gehüllt, hoch unter dem Nachtfirmamente,
Raste das Wetter heran, und die Wolke zerriss, und ein Blitzstrahl
Flammte, solang wie ein Schwimmer den Hauch anhielte des Atems,
Dass in zuckendem Glanze die Nacht zum Tag sich erhellte.
Nur ein Schrei des Entsetzens erscholl ringsum in der Menge.
Denn als ließe der Berg sein felsiges Haupt von der Höhe
Rollen, den Bau zu begraben und weit zu verschütten die Ebne,
So vom Himmel erklang die betäubende Stimme des Donners
Furchtbar lange Minuten. Die Helle verschwand, und im Finstern
Dröhnte der Schall noch fort und erschütterte Mauern und Stufen.
Jetzo ein kürzerer Blitz, da brach das Gewölk, und der Regen
Prasselte laut in die Tiefe. Der Donner verscholl, von des Flutschwalls
Tosendem Heulen verschlungen. Hinaus in die ebene Landschaft
Wanderte schwer der Orkan und wälzte die Wucht des Gewitters
Über Ikonium hin und den See, und der düsteren Reise
Zeigten die Blitze den Weg.
.                                                             Im Sand, auf triefenden Sitzreihn
Lag das versammelte Volk mit geblendeten Augen und Sinnen
Wüst ineinander gewirrt. Besinnungslos in der Runde
Irrten in törichter Flucht um die Zinne des Amphitheaters
Weiber mit flatterndem Haar, am Arme die schreienden Kinder.

 

Und Thekla, in all der Verwirrung? Nun:

 

.                                                Da wagten verschüchterte Blicke
Sich vom Boden zu lösen, und sieh, in Mitten der Bühne
Stand noch immer das Opfer und wartete willig des Endes.

 

Nun gut … Und die anderen? Der Prätor kommt gerade wieder auf die Beine, da

 

Deutet er, schaudernd erwacht, mit gebrochenem Schrei an den Boden
Neben dem Holzstoß hin. Da lag zu Füßen der Leiter
Tot, das Gesicht vom Blitze verkohlt, der Kybelepriester.

 

Da scheint es mir berechtigt, zu sagen: Der Himmel hat, so oder so, sein Urteil gesprochen!

Ansonsten mal wieder eine Gewitter-Szene – zu denen scheinen sich die Dichter hingezogen zu fühlen … Eine gut gestaltete?! Hm, weiß nicht. Die Verse gefallen mir, aber inhaltlich ists natürlich schon sehr das Übliche. Na, mal sehen, wie es weitergeht – noch sind zwei Gesänge zu durchschreiten!

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