Im vorgestern unter „Bücher zum Vers“ vorgestellten Arsenal findet sich auch manches Stück von Eduard Bauernfeld. Der war sich bewusst, kein „auctor maior“ zu sein, wie eines seiner Distichen verdeutlicht:
Publikum
Sage, was treibst du die Kunst? Erreichst doch nimmer das Höchste!
Pah! Ich befriedige mich, und ich genüge für euch.
– Kriegt einen Preis für die wirkungsvollste Verwendungs eines „Pah!“ in der deutschen Dichtung, nein?! Eine rührende Art bodenständiger Selbstbehauptung, jedenfalls. Jetzt aber zu einem der im Arsenal lagernden Texte des „auctor minor“ Bauernfeld:
Der beste Zustand
Nicht verliebt zu sein ist herrlich!
Alle Tagesstunden sind
Nun mein köstlicher Gewinn;
Muss jetzt nicht zu halben Tagen
Vor gewissen Fenstern lauschen,
Bin zu allem aufgelegt,
Habe Schlaf und Appetit.
Die Lektüre darf nicht ruhn,
Und der Menschen buntes Treiben
Steigt in klaren, frischen Bildern
Vor der freien Seele auf-
Und das freie Herz erstarkt,
Harrt in Ruhe seiner nächsten,
Seiner süßen Sklaverei!
Nichts besonderes, ein nettes, kleines Stück. In der Versbewegung kommt es mir allerdings ein wenig unentschlossen vor?! Das liegt, scheint mir, an den vielen betont endenden Versen. Fallen Versende und Satzende zusammen, kann die entstehende recht tiefe Pause die Rolle der unbetonten Schluss-Silbe im Vers übernehmen:
Alle Tagesstunden sind
Nun mein köstlicher Gewinn;
Hier gut erspürbar am zweiten, mit „Gewinn“ schließenden Vers. Im ersten Vers dagegen springt der Inhalt in den Folgevers, die Pause ist, wenn überhaupt vorhanden, hier kurz; und darüber hinaus ist die Hebungsstelle auch noch mit einem recht schmalbrüstigen „sind“ besetzt, was den Versschluss über die fehlende unbetonte Silbe hinaus noch weiter verwischt.
Ich glaube, dieser bei vielen Verfassern zu beobachtende Gedanke, durch das gelegentliche Zulassen eines betonten Vers-Schlusses die Versbewegung ein wenig aufzulockern, der Auflockerung aber gleichzeitig wieder entgegenzuwirken durch die Pause, die beim Zusammenfall von Vers- und Satz-Schluss entsteht: dieser Gedanke ist gut, und wer seine Texte in trochäischen Vierhebern so anlegt, schreibt ausdrucksstarke, wohlgeformte Verse.