Der Fall in den Fluss
Lene Levi lief besoffen
Nächtlich in den Nebenstraßen,
Hin und wieder „Auto“ brüllend.
Ihre Bluse war geöffnet,
Dass man ihre feine, freche
Unterwäsche und das Fleisch sah.
Sieben geile Männlein rannten
Hinter Lene Levi her.
Sieben geile Männlein trachten
Lene Levi nach dem Leibe,
Überlegend, was das kostet.
Sieben, sonst sehr ernste Männer
Haben Kind und Kunst vergessen,
Wissenschaft und die Fabrik.
Und sie rannten wie besessen
Hinter Lene Levi her.
Lene Levi blieb auf einer
Brücke stehen, atemschöpfend,
Und sie hob die wirren blauen
Säuferblicke in die weiten
Süßen Dunkelheiten über
Den Laternen und den Häusern.
Sieben geile Männlein aber
Fielen Lenen in die Augen.
Sieben geile Männlein suchten
Lene Levis Herz zu rühren.
Lene Levi blieb unnahbar.
Plötzlich springt sie aufs Geländer,
Dreht der Welt die letzte Nase,
Jauchzend plumpst sie in den Fluss.
Sieben bleiche Männlein rannten,
Was sie konnten, aus der Gegend.
Ein Gedicht von Alfred Lichtenstein, der den Vierheber hier nicht reiht, sondern vier Gruppen bildet, von denen jede wieder aus zweimal drei und einmal zwei Versen besteht. Jede dieser kleinen Einheiten fasst einen Satz.
So gesehen ein streng gebautes Gedicht?! Um so mehr fallen die beiden Dreizeiler der dritten Gruppe ins Ohr, da sie zum einen die Regel „Drei Verse = Ein Satz“ durchbrechen und zum anderen auch noch verschwenderisch viele Zeilenumbrüche aufweisen.
Auch bemerkenswert: sowohl in Bezug auf die „sieben Männlein“ als auch auf Levi wechselt der Text einmal in die Gegenwart!
Insgesamt also einiges an Auflockerung, die dem recht festen Aufbau entgegenwirkt, und aus dem entstehenden Spannungsverhältnis gewinnt Lichtensteins Gedicht eine schöne Lebendigkeit?!