Erzählverse: Der Blankvers (33)

Christian Morgensterns „Der Schlaf“ ist ein seltsames Gedicht; das geht so:

 

Der Schlaf schickt seine Scharen in die Nacht,
Unholde, Legionen auf Legion …
Vom Rücken schleichen sie ihr Opfer an,
auf leisen Tatzen, und umarmen es,
wie Bären, unentrinnbar und geräuschlos, –
bis alle Muskeln ihm erschlafft, und stumm
von ihrer Brust der Leib zu Boden rollt …
Und wenn so alles hingebettet liegt,
so traben sie zu ihrem Herrn zurück,
und ihr Gebrumm erfüllt wie dumpfer Donner
die düstren Waldgebirge seines Reichs.

 

Eigenartige Bilder!? Aber nachdrücklich … Na, wie auch immer: Ich glaube, der Blankvers trägt hier nicht wenig zur Wirkung bei durch seine einmalige Mischung aus Vers-Strenge und Prosanähe. Morgenstern hat viele Gedichte in Blankversen geschrieben und hatte ein wunderbares Gefühl für die Möglichkeiten dieser Versart! Sich das Gedicht einige Male vorzusprechen und dabei hineinzuhören; das lohnt sich also auf jeden Fall.

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