Klopstock sagt:
Es ist überhaupt nicht leicht, die Bewegung des Silbenmaßes ihren Tanz so halten zu lassen, dass man sie in Wendungen leitet, die weder Anstrengung noch Schwäche zeigen, und ihren Zeitausdruck und Tonverhalt mit gleichem Schritt fortführt. Ich nenne dies vollendete metrische Schönheit.
Tanz. Ist Versbewegung Tanz? Ist Dichtung Tanz?
Klopstock lokalisiert das Musikalische der Rede allein in Takt-, Zeit- und Betonungsverhältnissen, nicht aber in deren klanglicher Substanz. Der Tanz nun ist eine solche musikalisch-rhythmische Bewegung ohne Klang. Zwar wird er meistens von Klang begleitet, unabdingbar ist eine solche Begleitung aber nicht. Zumal auf zugefrorenen Bächen oder Seen fällt sie in der Regel fort: auch deshalb ist der stumme Tanz auf dem Eis ein ideales Paradigma der Klopstockschen Poesie. (Winfried Menninghaus)
Schlittschuhlaufen. Schlittschuhlaufen und Dichtung?
Goethe, Dichtung und Wahrheit:
Besonders aber tat sich, bei eintretendem Winter, eine neue Welt vor uns auf, indem ich mich zum Schlittschuhfahren, welches ich nie versucht hatte, rasch entschloss und es in kurzer Zeit durch Übung, Nachdenken und Beharrlichkeit so weit brachte, als nötig ist, um eine frohe und belebte Eisbahn mit zu genießen, ohne sich gerade auszeichnen zu wollen.
Diese neue, frohe Tätigkeit waren wir denn auch Klopstock schuldig, seinem Enthusiasmus für diese glückliche Bewegung, den Privatnachrichten bestätigten, wenn seine Oden davon ein unverwerfliches Zeugnis ablegen. Ich erinnere mich ganz genau, dass, an einem heiteren Frostmorgen ich, aus dem Bett springend, mir jene Stellen zurief:
Schon von dem Gefühl der Gesundheit froh,
Hab’ ich, weit hinab, weiß an dem Gestade gemacht
Den bedeckenden Kristall.
Wie erhellt des Winters werdender Tag
Sanft den See! Glänzenden Reif, Sternen gleich,
Streute die Nacht über ihn aus!
Mein zaudernder und schwankender Entschluss war sogleich bestimmt, und ich flog sträcklings dem Ort zu, wo ein so alter Anfänger mit einiger Schicklichkeit seine ersten Übungen anstellen konnte. Und fürwahr! Diese Kraftäußerung verdiente wohl von Klopstock empfohlen zu werden, die uns mit der frischesten Kindheit in Berührung setzt, den Jüngling seiner Gelenkheit ganz zu genießen aufruft und ein stockendes Alter abzuwehren geeignet ist. Auch hingen wir dieser Lust unmäßig nach. Einen herrlichen Sonnentag so auf dem Eis zu verbringen, genügte uns nicht; wir setzten unsere Bewegung bis spät in die Nacht fort. Denn wie andere Anstrengungen den Leib ermüden, so verleiht ihm diese eine immer neue Schwungkraft. Der über den nächtlichen, weiten, zu Eisfeldern überfrorenen Wiesen aus den Wolken hervortretende Vollmond, die unserm Lauf entgegensäuselnde Nachtluft, des bei abnehmendem Wasser sich senkenden Eises ernsthafter Donner, unserer eigenen Bewegungen sonderbarer Nachhall vergegenwärtigten uns Ossiansche Szenen ganz vollkommen. Bald dieser, bald jener Freund ließ in deklamatorischem Halbgesang eine Klopstocksche Ode ertönen, und wenn wir uns im Dämmerlicht zusammenfanden, erscholl das ungeheuchelte Lob des Stifters unserer Freuden:
Und sollte der unsterblich nicht sein,
Der Gesundheit uns und Freuden erfand,
Die das Ross mutig im Lauf niemals gab,
Welche der Ball selber nicht hat?
Solchen Dank verdient sich ein Mann, der irgendein irdisches Tun durch geistige Anregung zu veredeln und würdig zu verbreiten weiß!
Eis, Tanz & Deklamatorischer Halbgesang
An Wohllaut und Melodie ist die nach-Klopstocksche Lyrik den ebenso spröden wie enthusiastischen [Klopstockschen] Oden weit überlegen; als metrischer Tanz bewahren diese dagegen einen exzeptionellen Rang, unreduzierbar auf eine bloße Vermittlerrolle, extrem und einzigartig in der deutschen Verskunst. (Winfried Menninghaus)