Erzählverse: Der Hexameter (56)

Wenn man sich, zum Beispiel auf Wikipedia, Carl Spitzwegs berühmtes Gemälde Der arme Poet ansieht, bemerkt man, dass an der Wand mit weißer Farbe das metrische Schema des Hexameters steht. (Der Wikipedia-Artikel behauptet seltsamerweise „An die Wand malte der Dichter mit roter Farbe wahrscheinlich das Versmaß des Hexameters.“ Hm.)

Diese Verbindung zwischen dem Verfassen von Hexametern und dem Leben in Armut fand ich ja noch nie sehr glücklich, doch vor einigen Tagen bin ich wieder daran erinnert worden durch einen Tagesspiegel-Artikel vom 14.7.2004, in dem Florian Felix Weyh über die Aussichten des heutigen Künstlers nachsinnt:

Heute steht der alternde Kunstheld genauso verloren auf dem Arbeitsmarkt herum wie ein Straßenkehrer ohne Schulabschluss. Mit kaum vermittelbaren Kenntnissen (‚Ich kann hexametern, aber nur bei sonniger Stimmung‘), fürs nachgeschobene Brotstudium zu alt.

Ja wie jetzt. Da hätte es sicher auch andere Beispiele gegeben … Aber gut. Ich verweise stattdessen auf Hölderlin, der in seinem „Archipelagus“ nicht den Hexameter als Beispiel für die brotlose Kunst gewählt hat, sondern mit Hilfe des Hexameters das vergebliche Schaffen nicht nur der Dichter, sondern aller beschrieben hat. Und wie:

 

Aber weh! es wandelt in Nacht, es wohnt, wie im Orkus
Ohne Göttliches unser Geschlecht. Ans eigene Treiben
Sind sie geschmiedet allein, und sich in der tosenden Werkstatt
Höret jeglicher nur und viel arbeiten die Wilden
Mit gewaltigem Arm, rastlos, doch immer und immer
Unfruchtbar, wie die Furien, bleibt die Mühe der Armen.

 

Wahrlich gewaltige Verse (die ersten Hexameter, die ich je gelesen habe), die oft wiedergegeben werden und zeigen, dass man vielleicht nicht reich, aber sicher berühmt werden kann mit dem „Hexametern“. Und das ist doch auch schon was …

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