Bücher zum Vers (44)

Joachim Wohlleben: Die Sonne Homers

Dieses schmale, knapp über hundert Seiten starke Taschenbuch ist 1990 bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienen. Verhandelt wird in zehn Kapiteln der gewaltige Einfluss, den Homer auf die Menschen Ende des siebzehnten, Anfang des achtzehnten Jahrhunderts ausgeübt hat. Die einzelnen Kapitel sind dabei gewidmet: Winkelmann, Herder, Stolberg und andere, Hölderlin, Goethe, F. Schlegel, W. von Humboldt, Schelling und andere, Marx, Schliemann – alles Menschen mit großem Einfluss bis in die heutige Zeit, und alle auf die eine oder andere Art stark beeinflusst von Homer!

Goethe zum Beispiel. Erstaunlicherweise (man sollte meinen, er hätte genug über genug Selbstbewusstsein verfügt) stand ihm bei dem Plan eines epischen Werkes das gewaltige Beispiel des alten Griechen vor Augen; und er verzagte. Erst als Friedrich August Wolf 1795 gegen den Ilias- und Odysse-Verfasser „Homer“ aussprach und stattdessen mehrere Verfasser der beiden Epen annahm, fühlte sich Goethe frei. Wohlleben zitiert einen Brief Goethes an Wolf:

„Vielleicht sende ich Ihnen bald mit mehrerem Mute die Ankündigung eines epischen Gedichtes, in der ich nicht verschweige, wieviel ich jener Überzeugung schuldig bin, die Sie mirt so fest eingeprägt haben. Schon lange war ich geneigt, mich in diesem Fache zu evrsuchen und immer schreckte mich der hohe Begriff von Einheit und Unteilbarkeit der Homerischen Schriften ab, nunmehr da Sie diese herrlichen Werke einer Familie zueignen, so ist die Kühnheit geringer, sich in größere Gesellschaft zu wagen (…)“

Das so mögliche Werk war „Hermann und Dorothea“, und in der Elegie „Herrmann und Dorothea“ gibt es dann dieses Distichon:

 

Denn wer wagte mit Göttern den Kampf? und wer mit dem Einen?
Doch Homeride zu sein, auch nur als letzter, ist schön.

 

– Was dasselbe nochmal eingesteht, diesmal in Versform. Ähnlich groß war Homers Einfluss auch auf die anderen Betrachteten; erstaunlich, eigentlich, und sehr spannend nachzuvollziehen! Bei Schiller hat sich Wohlleben dabei den Titel des Bandes geborgt; dessen „Spaziergang“ schließt mit dem Pentameter

 

Und die Sonne Homers, siehe! sie lächelt auch uns.

 

Homer überall … Und für jeden, der heute in Versen erzählen möchte, sicher eine ebenso wichtige Größe!

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