Erzählverse: Der iambische Trimeter (15)

Ein recht kurzer Trimeter-Text von Christian Morgenstern:

 

Caesari immortali

Verzweifelnd, wie ich heut dem Unmut meiner selbst
entrinnen soll, ergreif‘ ich endlich den Plutarch
und schlage Cäsars Leben auf. Und mir geschieht,
als wüsch‘ ich mich in einem kalten klaren Quell
von aller Schwäche, Dumpfheit, Überspanntheit rein.
Ich fühle mich von jener zehnten Legion,
in die er seinen unüberwindlichen Willen goss;
und wo ein zager Flüchtling sich aufs Polster warf,
da steht ein straffer Krieger blitzenden Auges auf.

 

Inhaltlich muss ich Morgenstern die geschilderte Verwandlung glauben – bedenkenswerter sind sicherlich die Abweichungen, die er sich gegenüber dem strengen Auf und Ab des Trimeters erlaubt. Und da fällt eine sehr deutlich ins Ohr im drittletzten Vers, wo Morgenstern in einem einzelnen Wort gleich zweimal von der Lizenz Gebrauch macht, die Senkung statt mit einer unbetonten Silbe mit zwei unbetonten Silben zu füllen:

unüberwindlichen

X  x  x  X  x  x

Passt dann zum Inhalt, „überlebensgroß“, „alle Maße sprengend“ wären vielleicht passender; nur alternieren die dann wieder brav. Irgendwas ist immer …

Der Schlussvers nimmt diese plötzliche Beschleunigung dann noch einmal auf:

blitzenden Auges

X  x  x  X  x

– Wobei in allen Fällen die zwei unbetonten Silben so leicht sind, dass der Vers trotz allem kaum aus dem Tritt gerät. Wirkungsvoll!

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