Erzählverse: Der trochäische Vierheber (29)

„Diva Faustina“ von Jacob Julius David ist eine nicht mehr kurze, noch nicht lange Erzählung, wie man sie im 19. Jahrhundert  geschätzt hat.  Die meisten davon klingen heute überholt, so als gehörten sie unwiderruflich der Vergangenheit an. „Diva Faustina“ ist da keine Ausnahme; ich habe das Werklein aber doch gerne gelesen!

 

Durch den ungeheuren Zirkus
Klang der Abschiedsgruß der Tuba;
Und in stolzen Doppelreihen
Zogen nunmehr den Quiriten
Auf der Gladiatoren Rotten.
Schwerterklirrend, panzerrasselnd
Nahten, die im heißen Kampfspiel
Ihre Gegner überwunden.
Riesen waren’s und ihr Schreiten
Ließ den Boden dumpf erdröhnen,
Donnergrollend drang ihr Grüßen:
„Ave, Ave, Imperator!“

Nur ein einzger blieb zurücke;
Er erhob nicht seine Stimme
Mit den andern, müde schritt er,
Und des Schwertes starke Klinge
War ihm Stütze, wenn er wankte.
In der Mitte der Arena,
Atemholend, blieb er stehen.
Sein umflortes Auge kehrte
Sich zu jenen Marmorbänken,
Drauf der Senatoren Töchter
Lächelnd, reichen Putzes, saßen,
Jene suchend, der die besten
Seiner teuern Fechterkünste
Stets gegolten, die in heißen
Sommernächten sein gewesen;
Sein in schwülen, atemlosen
Nächten Roms …

Als er sie schaute,
Überlief ein starkes Beben
Seinen Leib; der Riese schwankte,
Fahl zum Tod rang er nach Luft.
Und er riss mit jähem Griffe
Auf sein Wams. Er wies dem Volke
All die vielen, schweren Narben,
Ihm in wilden Zirkusspielen
Schon geschlagen; hier die Spuren
Unbarmherzger Thrakerlanzen;
Dort den Krallengriff des Löwen,
Dann die Spur des Partherpfeiles.
Und aus tiefster und geheimster
Todeswunde floss gewaltig,
Unaufhaltsam, heiß und schäumend
Rotes Blut.

Der Fechter neigte
Sacht sein Haupt, dass blonde Haare,
Es umwallend, vorwärts fielen,
Hub mit letzter Kraft die Klinge,
Rief: „Faustina!“ Zuckend fiel er.

Doch Faustina? Sie erhob sich.
Vorgebeugt verfolgt‘ sie jede
Todeswindung des gestählten
Riesenkörpers, und ein leiser
Schauer lief durch ihre Brust.
Auf dem Sande der Arena
Flammte grell die Mittagssonne;
Ihre Wimper senkt‘ sie schattend –
War’s davor? War es in Trauer?

Dann, am Arme eines holden,
Wohlduftvollen Ritterjünglings
Stieg sie der Arena Stufen
Nieder sittig, zagen Ganges.

 

Das scheinen wieder recht prosanahe Vierheber zu sein; wie sehr sich das Ohr aber an die Bewegung gewöhnt, lässt sich an den beiden Stellen erkennen, an denen David einen Vers auf das Ende des einen und den Anfang des folgenden Abschnitts verteilt; die teilt er nach der dritten Silbe, aus

X x / X x / X x / X x

wird


X x X

x X x X x

– und die beiden plötzlich unbetont anhebenden (Kurz-)Verse stehen doch einigermaßen fremd im Text, verändern für einen Augenblick deutlich vernehmbar die Bewegung?!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert