Erzählverse: Der Hexameter (66)

Hymnenvoll ist die Seele, sie soll sich in Hymnen ergießen!

 

Ein Hexameter Karl Ludwig von Knebels, der zu seiner Zeit vielleicht Gültigkeit hatte; heute ist das … schwierig. Schriebe man im Jahre 2014 einen Text, in Hexametern gar, in dem sich ein „Ich“ in seinem spannungvollen Verhältnis zum „Göttlichen“ beschreibt – wer läse das?! Genau.

Aber trotzdem, es ist schade; denn auch diese alten Texte haben einen besonderen Ton, etwas, das ins Heute übersetzt zu werden verdiente. Knebels obiger Vers steht einleitend vor seiner eigentlichen „Hymne an die Sonne“; deren Beginn, nach altem Brauch eine Anrufung der verhandelten, sprich zu verehrenden und zu preisenden Wesenheit, liest sich so:

 

Wie er dem Schoße des Meers entsteigt, der gewaltige Titan,
Sein viellockiges Haupt mit neuen Strahlen umwunden!
Erde schweigt, es schweiget das Meer, es schweigen die Lüfte,
Und ein heilig Gefühl durchdringt die Pole des Weltalls.
Lebenerwecker, komm! O komm, du freundlicher Tongott,
Sing dein unsterbliches Lied an der blauen Schale des Himmels!

 

„Titan“, etwas unerwartet, auf der ersten Silbe betont?! Jedenfalls wäre so eine Hymne eine gute Gelegenheit für jeden Versmacher, einmal über etwas anderes als sich selbst zu reden, zumindest: auch über etwas anderes.

Knebels „Hymnus an den Geist der Natur“ ist Fragment geblieben, die ersten Zeilen des Bruchstücks lauten:

 


Höre mich, Geist des Guten, und wende zum Guten das Schicksal!
Nur aus dem Herzen kommt, was Glück uns bringet und gut ist.
Gib, dass ich ohne Verblendung und Wahn, nicht frevelnd noch töricht,
Messe der Dinge Wert nach richtigem Maß und Verhältnis.
Lass micht verstehen dein Wort, und öffne das Herz und den Sinn mir,
Dass vor eitlem Schall ich vernehme die Stimme der Wahrheit.

 

Schon ein Gebet, aber das gehört zu einer klassisch dreiteiligen Hymne am Schluss ja auch dazu?!

Nun ist das sicher keine große Dichtung, ganz einfach, weil Knebel kein großer Dichter war. Aber einen gepflegten Hexameter zu schreiben verstand er, und einen Eindruck von den Möglichkeiten eine Hymne kann er auch vermitteln; durchaus.

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