Ich hatte im ersten Eintrag zum „Reimpaar“ erwähnt, ich zweifele etwas an seiner Tauglichkeit, heute noch Mittel des verslichen Erzählens sein zu können. Einer der Gründe für diese Annahme sind die „Altlasten“ dieser Form!
Und sieh! und sieh! an weißer Wand
Da kam’s hervor wie Menschenhand;
Ein sehr bekanntes Reimpaar, wie das ganze erzählende Gedicht, aus dem es stammt: „Belsazar“ von Heinrich Heine. Aber so bekannt es auch ist, andere sind bekannter und zahlreicher:
Helene denkt: „Dies will ich nun
Auch ganz gewiss nicht wieder tun.“
– Aus Wilhelm Buschs „Die fromme Helene“. Auch das ist sicher ein erzählender Text, aber eher ein heiterer; und mit einem solchen Erzählen wird das Reimpaar, denke ich, auch erst einmal in Verbindung gebracht?! Und wer da im Reimpaar ernst erzählen möchte, der enttäuscht erst einmal Erwartungen und schreibt gegen enttäuschte Erwartungen an.
Ich stelle daher hier, als winzigkleines Gegengewicht, einen sehr unheiteren Reimpaar-Text vor, „Schnitzwerk an einem Hochaltar“ von Josef Weinheber, zu finden im zweiten Band von Weinhebers „Gesammelten Werken“, erschienen 1954 bei Müller, auf den Seiten 374 und 375:
Mit Schatten grau und Flammen rot,
das Leben hie und hie der Tod,
und Erd und Himmel, schön gestuft,
zum Lob befeuernd, wen es ruft,
und mit Gestalten um und an
und Bildern sinnvoll angetan
und durch und durch von Wundern groß,
so liegt die Welt in Gottes Schoß,
so steht die Zeit in Gottes Licht,
der Künstler, dem das Herz dran bricht,
der Meister, dem die Seel drin schmolz,
er schnitt es frommer Hand ins Holz,
und königliche Gloria
im Faltenwurfe siehst du da,
und Kron und Zepter schwerer Art
und Angesicht mit Rauschebart,
und Blattwerk, üppig auferbaut,
so seltsam, wie du’s nie geschaut,
und Macht, die wissend um die Welt
das Reich in hohen Händen hält.
Sei also leise, komm, tritt ein!
Hier ruht der Traum bei Brot und Wein,
das Herz, das fromm und gläubig schmolz,
will schlafen hier im braunen Holz,
all, was geschehen ist, geschah
in königlicher Gloria,
die Wölbung schweigt, die Stille lebt,
sieh, wie der Engel betend schwebt,
zu künden Gottes Kraft und Gunst:
Und dieses alles durch die Kunst.
Ein Text, der einfacher erscheint, als er ist, und dem in seiner Wirkungsweise nachzuspüren durchaus lohnt; und vor allem ein ernster Text, ganz und gar, wenn auch beschreibend und nicht erzählend.