Noch einmal Carl Spitteler, diesmal mit einem „literarischen Gleichnis“; so ist der Teil seiner gesammelten Werke benannt, in dem sich „Zwischen Ilias und Odyssee“ findet. Das ist ein, für heutige Ohren und Augen, einigermaßen eigenartiger Text:
„Hier dieser Ausdruck lügt. Ich will die Wahrheit.“
Die Muse sprach es, und Homer gehorchte.
Dann stand sie auf. „Ist’s möglich? Fertig?“ „Fertig“,
Bejahte sie, „und schön und groß und ewig.“
„Und ich bin frei?“ „Du sagst es: frei und ledig.“
Da sprang er jäh empor: „Unmenschliche,
Wohlan, vernimm mein Urteil: Jeder Gott
Ist gnädig, jedes Menschenherz spürt Mitleid,
Und seines Knechtes misst und schont
Selbst der Tyrann. Nur du fühlst kein Erbarmen:
Stündlich Gewissenssorgen Tag und Nacht
Und selbst im Traume keine Seelenrast.
Von neuen Bildern stets mein Auge voll
Und deine Hand erhoben zur Vernichtung.
Drum höre meinen Spruch: wir sind geschieden.“
Nach diesen Worten eilt er freiheitsdurstig
Hinunter in die Stadt, ein Stündchen Freundschaft
Zu gönnen sich zur Feier der Vollendung.
Doch wie er spät am Abend in sein Zimmer
Kehrte zurück, da schaut er trüb und traurig
Zwei lange Stunden auf das ewige, große,
Vollbrachte Werk. „Und innen auch verwaist,
Verwaist und öd und leer und einsam. Nirgends
Mühsal zum Trost und Pein und harte Arbeit.“
„Ich bins“, erwiderte die Muse flüsternd,
Und als er neuerdings den heiligen Schwur
Auf seinen Knien tat und seine Tränen
Benetzten ihre Hände: „Freund, du zagst?“
Fragte sie gnadenvoll. „Ich zage nicht.
Vergib, ich meins nicht, wie ichs weine. Komm,
Lass uns beginnen. Du bist mild und gut.“
So geht das heute nicht mehr – auch wenn mit Spitteler hier ein gestandener Nobelpreisträger Vorbild ist. Aber sein ganz eigener Ton ist schon ein Hinhören wert, seine Verse bewegen sich auf eine spröde und doch recht anziehende Weise?!