Bücher zum Vers (52)

Karl Vietor: Geschichte der deutschen Ode.

Schon 1923 zum ersten Mal erschienen, ist dieser Band auch heute noch eine Übersicht, die eigentlich jeder gelesen haben sollte, der selbst Oden schreiben möchte.

Die ersten hundert Seiten behandeln die Zeit vom Mittelalter bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts; auch wichtig, aber der eigentlich entscheidene Teil des Buches sind die dann folgenden Seiten, die Enwicklung der Ode bis hin zu ihrem Höhepunkt, den Oden Hölderlins; und ihrem daran anschließenden „Nachleben“, insgesamt noch einmal 200 Seiten, auf denen die verschiedenen Ausprägungen der Ode untersucht, erläutert und eingeordnet werden mit Hilfe beispielhafter Gedichte.

Aber auch allgemein sagt Vietor manches bedenkenswerte zur Ode. So zum Beispiel auf Seite 173 (der zweiten, 1961 in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt erschienenen Auflage):

„Man hat von jeher gesehen, dass die Ode zwischen Lied und Hymnus steht; zwischen der subjektiven, reinen Lyrik und der schon fast episch-objektivierenden Gattung des feierlichen Gesangs. … Denn es unterscheidet die Ode stark von den benachbarten Gattungen, von Lied und Hymnus, dass sie nicht geradezu einen Gefühlszustand, sondern immer zugleich ein gedankliches Element, ein Element der Reflexion enthält. Und gegen die reine Gedankendichtung grenzt sie andererseits ein Gefühlselement ab. … Ein ernster, würdevoller, gedanklich-empfindungshafter Charakter ist der Gattung durchaus ursprünglich.“

Das ist eine Gattungsbestimmung jedenfalls nicht vom Aufbau, von der  (metrischen) Form her, und dementsprechend wird man auch enttäuscht, sucht man Wissen um den Aufbau und die Verwendung von zum Beispiel antiken Strophenformen. Derartiges, wie etwa die sapphische, alkäische,  asklepiadeische Strophe, streift Vietor nur am Rande (Seite 176):

„Man kann nur herausfühlen, wie gerade diese rhythmisch durchgebildeten, abgemessen einherschreitenden, reimlosen Strophen dem Streben auf das kunstmäßig Strenge und auf den hohen Stil hin entgegenkamen.“

Aber gerade dieser weitere, vor allem inhaltliche Blick auf die Ode ist etwas, das zu überdenken sehr fruchtbar ist, will man sich selbst als Oden-Schreiber versuchen! Und in den Beispielen sind diese Strophen dann doch zumindest gegenwärtig.

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