Ein kurzes Gedicht eher lyrischer Art von Georg Britting, das die das Madrigal kennzeichnenden Freiheiten aber ähnlich weit treibt wie es Wieland im Erzählerischen tut (siehe 8 und 9):
In der ersten Frühe
Es weht
Mit grauen, glänzenden Lüften.
Im Garten steht
Ein nackter Knabe mit rosigen Hüften,
Eine Blume im Haar überm Ohr.
Er bricht
Das nachttautriefende Rohr.
Seine silberne Stimme spricht:
Licht!
– Aus: Georg Britting, Gedichte 1940 – 1951, Nymphenburger Verlagshandlung 1957, Seite 154.
Ob das jetzt ein gutes Gedicht ist, weiß ich nicht; es zeigt aber schön, wie der Reim auch mit unterschiedlich langen Versen, die zudem Senkungen mal hier, mal da zweisilbig besetzen (und dann sogar mit zweisilbigen Wörtern) gut zusammengeht und ein rundes ganzes ergibt bezüglich der Bewegung.
Wer so etwas selbst zu schreiben versucht, stellt wahrscheinlich fest, die ersten Versuche klingen nicht ganz so überzeugend; aber es lohnt sich, dranzubleiben, denn solche Gedichte schaffen es wahrscheinlich eher, den Reim ins 21. Jahrhundert zu retten, als noch eine weitere kreuzgereimte Vierheberstrophe …