Erzählverse: Der iambische Trimeter (5)

Neben der „antiken Auflockerung Spondäus“ , die im letzten Beitrag vorgestellt wurde, besitzt der Trimeter noch einige andere Möglichkeiten, das starre „Auf und Ab“ zu mildern. Allerdings werden diese Möglichkeiten sehr sparsam eingesetzt – kein Vergleich etwa zum Blankvers! Es müssen schon besondere Umstände vorliegen, wenn derlei gehäuft auftreten soll.

Als Beispiel habe ich „Kriegerisches“ ausgesucht. Einmal, als Beispiel für den nicht abgewandelten Trimeter, einige Vers aus August von Platens „Der romantische Ödipus“. Der war auch ganz wirklich Teil einer kriegerischen Auseinandersetzung: Heinrich Heine hatte in ein Werk Epigramme von Karl Immermann aufgenommen, von denen Platen sich angegriffen fühlte – da ließ er im „Ödipus“ also einen „Nimmermann“ auftreten, an den gegen Ende der „Verstand“ sein Verdammungsurteil spricht:

Und kraft der Vollmacht, welche mir die Kunst verlieh,
Und kraft des Scherzes, welchen ich bemeistere,
Der unter meinen Händen fast erhaben klingt,
Als wär’s der Andacht hoher Ernst, und kraft der Kraft
Zerstör‘ ich dich und gebe dich dem Nichts anheim.

Da ist kein Wackeln, keine Lockrung; unerbittlich schreitet der Vers seinen strengen Gang! Ein paar Verse später:

Und aus dem Schoße schütteln dich die wenigen,
Die noch geneigt dir waren, wie gemeinen Staub.
In meinen Waffen spiegle dich, erkenne dich,
Erschrick vor deiner Hässlichkeit und stirb sodann!

Alles nicht sonderlich nett, aber nichts im Vergleich zu dem Angriff gegen Heine, der gegen dessen Judentum ging; und nichts gegen Heines Gegenangriff, der von Platens Homosexualität aufs Korn nahm. Unschöne Szenen, hüben wie drüben …

Na, für den Vers ist wichtig: Keine Auflösungen, keine Abweichungen! Dagegen stelle ich einen Ausschnitt aus Friedrich Schillers „Die Jungfrau von Orleans“, wo die „Montgomery-Szene“ in Trimetern gehalten ist. Montgomery fleht Johanna auf dem Schlachtfeld um sein Leben an; sie anwortet:

Stirb Freund! Warum so zaghaft zittern vor dem Tod,
Dem unentfliehbaren Geschick? – Sieh mich an! Sieh!
Ich bin nur eine Jungfrau, eine Schäferin
Geboren, nicht des Schwerts gewohnt ist diese Hand,
Die den unschuldig frommen Hirtenstab geführt.
Doch weggerissen von der heimatlichen Flur,
Vom Vatersbusen, von der Schwester lieber Brust
Muss ich hier, ich muss, mich treibt die Götterstimme, nicht
Eignes Gelüsten – euch zu bittrem Harm, mir nicht
Zur Freude, ein Gespenst des Schreckens würgend gehn,
Den Tod verbreiten und sein Opfer sein zuletzt!
Noch vielen von den euren werd ich tödlich sein,
Noch viele Witwen machen, aber endlich werd
Ich selbst umkommen und erfüllen mein Geschick.
– Erfülle du auch deines. Greife frisch zum Schwert,
Und um des Lebens süße Beute kämpfen wir.

Auch hier ein ruhiger Beginn, bestenfalls ein Zeilensprung wäre erwähnenswert; aber dann diese beiden Verse:

Muss ich hier, ich muss, mich treibt die Götterstimme, nicht
Eignes Gelüsten – euch zu bittrem Harm, mir nicht
(zur Freude, …)

Hier löst sich, dem Inhalt und Johannas Gemütszustand entsprechend, der Grundaufbau des Trimeters fast auf! „Muss ich“ ist eine zweisilbige Eingangssenkung, die erste Betonung ist das herausgehobene „hier“; dann folgt ein scharfer Zeilensprung, der das „nicht“ noch einmal heraushebt. Der zweite Vers beginnt mit einer versetzten Betonung, statt „x X x X x“ geht es bis zum Einschnitt „X x x X x“, „Eignes Gelüsten“! Schließlich das herausgehobene „mir“ am Ende: alle bisherigen Heraushebungen waren betonte Silben, hier wird jetzt eine eigentlich unbetonte Silbe ausgezeichnet und muss daher vom Sprecher verstärkt vorgetragen werden; es entsteht also gleichsam ein „Spondäus“ am Versende, denn „nicht“ ist keinesfalls unbetont: „mir nicht„, „X X“!
Nach diesem Ausbruch beruhigt sich der Vers wieder und findet in sein regelmäßiges „Auf und Ab“ zurück; auch die Zeilensprüge sind weniger hart.

Wobei diese „doppelt besetzte Eingangssenkung“ ein klein wenig gefährlich ist, den der Leser muss sie ja auch sehen und hat an dieser Stelle – links steht nichts! – weniger Halt dafür als im Versinneren. Da kommt die zweisilbige Senkung auch vor bei Schiller, gleich im Anschluss! Montgomerry ist gefallen, Johanna ergreift noch einmal das Wort:

In Mitleid schmilzt die Seele und die Hand erbebt,
Als bräche sie in eines Tempels heil’gen Bau,
Den blühenden Leib des Gegners zu verletzen,
Schon vor des Eisens blanker Schneide schaudert mir,
Doch wenn es Not tut, alsbald ist die Kraft mir da,
Und nimmer irrend in der zitternden Hand regiert
Das Schwert sich selbst, als wär es ein lebend’ger Geist.

„blühenden“, „zitternden“ (sehr sinnig) sind zwei Beispiele für eine doppelt besetzte Innensenkung. Das Schiller die schon ganz bewusst gesetzt hat, lässt sich auch vermuten angesichts der verkürzten „heil’gen“ und „lebend’gen“?!

Bemerkenswert noch:

Den blühenden Leib des Gegners zu verletzen,

– Dieser Vers ist außerdem auch noch fünfhebig, und endet auf eine unbetonte Silbe! Eigentlich also ein Blankvers inmitten all der Trimeter. Oder eben, durch die Umgebung bedingt, ein stark aufgelockerter Trimeter; wie mans sehen will …

Auf jeden Fall ganz starke Verse meiner Meinung nach! Und Schiller hat der Trimeter auch sehr zugesagt; aber er ist als Vers eben doch weniger beweglich und anpassungsfähig als der Blankvers und hat sich auch darum als Dramenvers nicht durchsetzen können.

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