Erzählformen: Das Madrigal (13)

Ab 1848 war Friedrich Rückert im Ruhestand, und was er ab da in seine Liedertagebücher schrieb, schrieb er unter dem festen Vorsatz, es zu seinen Lebzeiten auf keinen Fall mehr zu veröffentlichen; das hat er unter anderem auch in einigen Gedichten dieser Tagebücher so gesagt. Ob die Gedichte dieser Jahre dadurch anders klingen als die in den älteren Liedertagebüchern, noch freier, sorgloser im Bau? Hm. Auf jeden Fall klingen sie an manchen Stellen schon sehr rückschauend und abschließend:

 

Samen hab ich gesät,
Und geh in meinem stillen Lauf davon,
Weiß nicht was künftig geht
Früh oder spät
Viel oder wenig auf davon.

 

– So lautet eines der am 19. November 1850 ins Liedertagebuch eingetragenen Gedichte.  Ganz bestimmt keine große Dichtung, aber doch einen Blick wert durch  seinen Aufbau?!

Zu den unterschiedlichen Verlängen, die das Madrigal ja kennzeichnen, kommen noch einige doppelt besetzte Senkungen; dann ist da das seltsam verrückte „auf“, das dort, wo es zu stehen kommt, den Doppelreim „Lauf davon / auf davon“ (eigentlich ein identischer Reim, fast schon) ermöglicht, außerdem das „geh“ im zweiten, das „geht“ im dritten Vers erst einmal eigenartig nebeneinanderstellt; und schließlich – „auf davon“ – stark an den Ausdruck auf und davon erinnert, was da inhaltlich aber gar nicht mehr verhandelt wird im Gegensatz zum zweiten Vers. Oder doch?

Solche Texte finden sich bei Rückert viele. Ich mag sie, weil sie ziemlich unbekümmert von Erwartungen irgendwelcher Art einfach nur sich selbst genügen!

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