Erzählverse: Der trochäische Fünfheber (3)

August von Platens märchenhaftes Epos „Die Abbasiden“ ist längst nicht so bekannt, wie es sein sollte. Daher stelle ich hier ein kleines Stück davon vor, einige Verse aus dem neun Gesänge umfassenden Werk!

Harun al Raschids Sohn Assad, auf der Suche nach seinem Bruder Amin, findet sich im zweiten Gesang in einer fremden Stadt wieder. Es ist Abend, und Assad beschließt, sich eine Bleibe zu suchen.

 

Als er dies erwägt, vernimmt er plötzlich
Paukenschall, Drommetenklang und Pfeifen,
Ja, Gesang erhebend naht ein langer
Zug von Fackeln. Junge Fraun und Männer
Gingen paarweis, um die Schläfe Rosen
Und in goldenen Körben Rosen tragend,
Die sie singend auf den Weg verstreuten;
Aber vier geschmückte Knaben führten
Einen weißen Zelter, bunt behangen.
Auf dem Zelter saß die schönste Jungfrau,
Übersät von Perlen und Rubinen;
Aber Tränen blitzen ihr im Auge,
Tränen fielen über bleiche Wangen,
Und unendlich wie der Seele Schönheit
Schien der Schmerz in ihrer schönen Seele.
Ihr zur Seite ritt ein Zwerg, phantastisch
Aufgeputzt, mit einem spitzen Höcker.
Wie die alte Fabel uns die Göttin
Ewiger Reize malt und widersinnig
Zugesellt ihr einen lahmen Unhold:
Also ritt auch jenes Paar selbander.
Aber Haruns Sohn verwandte keinen
Blick vom nassen Angesicht der Jungfrau.
Aufgeweckt von Mitgefühl, entschwebte
Seiner Brust der ersten Liebe Seufzer,
Und in Sehnsucht schmolz das tiefste Herz ihm.
Einen jungen Flötenspieler endlich
Aus dem Zug beiseite ziehend, lispelt
Schüchtern Assad dieses Wort ihm:
„Was bedeutet dieses Fest, und welche
Schöne Dame reitet auf dem Zelter?
Was beweint sie? Sag es mir, Geliebter!“

 

Ein sehr angenehmer, eingängiger Märchenton, den Platen das ganze Epos über durchhält, gleichgültig, ob die reine Handlung im Vordergrund steht oder eher ruhige Beschreibung. Dabei ist seine Sprache recht nah an der Prosa und erfüllt das Versmaß doch immer auf feine Weise; ganz selten lockert Platen dabei den strengen Gang der Trochäen durch eingestreute zweisilbig besetzte Senkungen auf: „goldenen“, „ewigen“. Das wirkt immer einfach, ist es aber nicht – aus dem dritten Gesang:

 

Schlanke Säulen aus geflecktem Marmor
Trugen blühende Myrtenlaubgewölbe,
Wohlgeruch verbreitend; auf Geländern
Standen ringsumher bemalte Krüge,
Schöngeformt und voll der schönsten Rosen:
Einem Landhaus glich das Schloss, und einsam
Auf Terassen, durch Zitronenwäldchen
Sanft beschattet, die das Meer bespülte,
Lag’s in hügelreicher Küstenlandschaft.

 

– Wer diese Art von Beschreibung einmal selbst versucht, wird feststellen: Das klingt mühelos und ist doch wirklich harte Arbeit …

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