Erzählverse: Der Knittel (14)

In Goethes „west-östlichem Divan“ findet sich auch „Geständnis“:

 

Was ist schwer zu verbergen? Das Feuer!
Denn bei Tage verrät’s der Rauch,
Bei Nacht die Flamme, das Ungeheuer.
Ferner ist schwer zu verbergen auch
Die Liebe; noch so stille gehegt,
Sie doch gar leicht aus den Augen schlägt.
Am schwersten zu bergen ist ein Gedicht;
Man stellt es unter’n Scheffel nicht.
Hat es der Dichter frisch gesungen,
So ist er ganz davon durchdrungen.
Hat er es zierlich nett geschrieben,
Will er, die ganze Welt soll’s lieben.
Er liest es jedem froh und laut,
Ob es uns quält, ob es erbaut.

 

– Da bietet Goethe wieder einmal alles auf, was einen Knittel ausmacht, vor allem  die freie Verteilung von unbetonten Silben, insbesondere im Verseingang, der mal betont, mal unbetont ist.

Auch die Unklarheit bezüglich der Bewegungslinie eines Verses ist da – wie klingt zum Beispiel der Schlussvers?! Im schlichten „Auf und Ab“ käme er schwach daher – mir scheint diese Lesung kräftiger:

Ob es uns quält, ob es erbaut.
X x x X || X x x X

So ein „doppelter Choriambus“ setzt doch einen wunderbar deutlichen, hörbaren Schlusspunkt?!

Auch vernehmbar ist  die eine oder andere Härte im Satzbau; und der Paarreim, obwohl ja ein Kreuzreim das Gedicht einleitet.

Bemerkenswert auch, wie, sobald als drittes Beispiel das Gedicht genannt wird, ganz streng jedes Reimpaar einen Satz fasst!

Und inhaltlich? Da hat er recht, der Goethe; wie so oft …

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