Das folgende Gedicht, entnommen Friedrich Rückerts „Liedertagebüchern“, wirkt nur im ersten Augenblick wie ein ganz gewöhnlicher Blankvers-Text:
Du fütterst deine Kuh im Stall, und merkst nicht,
O Mädchen, wer bei dir zu Gaste geht.
Die Mücke kommt um deine Kuh zu melken,
Sie melkt anstatt der Milch das Blut ihr ab.
Die Schwalbe kommt in deinem Stall zu nisten,
Und trägt die Mücken ihrer Brut ins Nest.
Die junge Schwalbe nährt sich von der Mücke,
Die von der Kuh sich nährte, die du nährst.
– Inhaltlich ein „typischer Rückert“?!
Was aber bezüglich der Form auffällt: Es wechseln immer Fünfheber mit betonter Schluss-Silbe mit solchen, die unbetont enden. Wenn man so will, sind es also vier genau gleichgebaute Verspaare, ein Eindrück, der sich verstärkt, da ja immer eines dieser Verspaare einen Satz, einen Gedanken fasst!
Ein klein wenig also wie ein Text in Distichen, nur dass es eben doch iambische Fünfheber sind. W
ieder eine Art und Weise mehr, wie Blankverse genutzt werden können – einfach einmal versuchen! Der Text gliedert sich angenehm unaufdringlich und ist doch viel „fester“, als es reine Blankverse im allgemeinen sind.