Erzählformen: Das Reimpaar (18)

Reimpaare lassen sich selbstverständlich auch nutzen, um Strophen zu bauen. Wilhelm Jordans „Laurentiustränen“ sind ein Beispiel – die erste Strophe:

 

Mein Auge trank die stille Pracht
Der heiligen Laurentiusnacht.
Da schießt und rennts, da blitzt und brennts
Im Ruheglanz des Firmaments,
Als spalt‘ ein Stern zu Spänen.
Die lichte Kielspur ihrer Trift
Verschlingt sich mir zu Runenschrift,
Und Urgeheimes offenbart
Die scharenweise Niederfahrt
Der Himmelsfeuertränen.

 

Des heiligen Laurentius wird am 10. August gedacht, die „Laurentiustränen“ sind also die Perseiden, ein in der ersten Augusthälfte viele Sternschnuppen hervorbringender Meteorstorm.

Jordans Gedicht hat elf Strophen, alle gebaut wie die erste: Zwei Reimpaare aus männlich schließenden, iambischen Vierhebern, denen ein weiblich schließender Dreiheber folgt; dann wieder zwei vierhebige Reimpaare, und schließlich wieder ein mit dem ersten reimender Dreiheber. Die Strophenmitte weist immer einen tiefen Sinneinschnitt auf.

Insgesamt eine schöne, runde Form; und ein gutes Beispiel dafür, wie sich einzelne Bausteine zu beachtenswerten Strophen zusammensetzen lassen?!

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