Erzählformen: Das Madrigal (16)

„Der Hirsch, der Hase und der Esel“ von Ludwig Gleim klingt schon in der Überschrift wie eine Fabel und liest sich wenig anders:

 

Ein Hirsch mit prächtigem Geweih
Von achtzehn Enden ging spazieren.
Ein Hase lief vorbei,
Sah ihn und stutzte. Starr auf allen Vieren
Steht er und gafft ihn an.
Macht Männchen, geht heran,
Sagt: Lieber, sieh mich an!
Ich bin ein kleiner Hirsch;
Denn, spitz ich meine Ohren,
So hab‘ ich solch Geweih wie du!

Ein Esel hörte zu,
Sprach: Häschen, du hast Recht,
Wir sind von einerlei Geschlecht,
Der Hirsch, und ich, und du!

Der Hirsch tat einen Seitenblick
Und ging in seinen Wald zurück!

 

Was ein Madrigal kennzeichnet, ist da: unterschiedlich lange, hier iambische Verse; überschaubare Länge; und eine freie Reimstellung, wobei hier insofern eine Besonderheit enthalten ist, als dass auf den dreifachen Gleichklang „an – dran – an“ plötzlich zwei Waisen – „Hirsch“, „Ohren“ – unmittelbar aufeinander folgen! Das ist ein ziemlich harter Wechsel, aber auch die kennt das Madrigal; und eigentlich wird hier der Fluss des Textes dadurch nicht gestört!?

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