Walther Hof gibt in seinem lesenswerten Buch „Hölderlins Stil als Ausdruck seiner geistigen Welt“ (Westkulturverlag Anton Hain 1954) auch einige Hinweise auf das Wesen der alkäischen Strophe (andere Beschreibungen finden sich in (2)!). Auf den Seiten 116 und 117 findet sich zum Silbenbild der Strophe:
x X x X x | X x x X x X
x X x X x | X x x X x X
x X x X x X x X x
X x x X x x X x X x
Die beiden ersten Zeilen sind gleich. Innerhalb der Zeilen sind erste und zweite Hälfte einander insofern entgegengesetzt, als die erste steigendes, die zweite fallendes Maß hat. In der Mitte, der Zäsur, stoßen aber keine Hebungen aufeinander, es kann also hier in keinem Sinn der Eindruck eines Gegeneinander entstehen. Vielmehr geht der Fluss der Bewegung durch die Pause hindurch. Beide Teile sind also einander harmonisch entgegengesetzt als steigender und fallender Ast eines Bogens. Stünde nach der Pause kein Daktylus, so entstünde eine ganz linerare Bewegung, weil die Pause dann gar nicht bemerkt würde. … Durch die Doppelsenkung aber wird die erste Hebung der zweiten Hälfte stärker hervorgehoben und damit auch die gegenrhythmische Unterbrechung in der Mitte. Mit der ersten Hebung der zweiten Hälfte beginnt so der Abklang, und zugleich bildet sie mit der durchklungenen Pause zusammen den Höhepunkt eines rhythmischen Bogens.
Hm. Die Zäsur ist im deutschen Elfsilber immer ein Problemfall gewesen; Bemerkenswert, wie sie Hof hier zu beschreiben versucht?! Zum dritten und vierten Vers (Seite 117, 118):
Den beiden ersten Zeilen, deren jede bis zu einem gewissen Grade in sich geschlossen und im Gleichgewicht ist, folgen nun die beiden letzten, die für sich unselbstständig sind und erst zusammen ein Ganzes bilden. Und zwar stehen die beiden Zeilen dieses „Abgesangs“ genau im gleichen Verhältnis zueinander wie die Hälften der ersten beiden Zeilen. Die erste Zeile des Abgesangs stellt eine Verlängerung der ersten Halbzeile dar und hat steigenden Rhythmus, die zweite hat den fallenden Rhythmus der zweiten Halbzeile, verdoppelt deren Daktylus und endet klingend, so dass sie gegenüber dem Hebungsschluss der zweiten Halbzeile wirklich einen Ausklang darstellt. Sie verdoppelt gleichsam die Versfüße des „Adoneus“, dessen Wesen idealer Ausklang ist. Entsprechend dieser Verstärkung des Bauprinzips der Halbzeilen ist auch die Zäsur zwischen dritter und vierter Zeile stärker als zwischen den Halbzeilen und, da ja auch hier ein Übergang besteht, der Bogen höher und gespannter als innerhalb der beiden ersten Zeilen. Endlich findet sich auc zwischen der zweiten Zeile und dem Abgesang der Übergang eines Wellentals, der Übergang von fallendem und steigendem Rhythmus, und zwischen Strophenschluss und Anfang der neuen Strophe ergibt sich dasselbe Verhältnis, so dass das Strophenenjambement von diesem Maß geradezu herausgefordert wird. Aber auch wo es nicht vorhanden ist, bietet das Versmaß niemals einen harten und unbedingten Abschluss, sondern immer einen weichen und offenen Ausklang.
Das liest sich sehr ähnlich dem, was andere auch sagen zum Strophenbau, aber eben nicht ganz genau so; und die grundlegenden Dinge noch einmal erklärt zu bekommen, schadet ohnehin nicht. Daher folgt jetzt auch noch, als Schluss, der nächste Satz Hofs, dessen Inhalt man nicht oft genug wiederholen kann:
Das alkäische Maß ist also zwar vierzeilig, aber dreiteilig.