„Der Tapfere“ von Johann Gottfried Herder erzählt eine Geschichte; aber der Text hat es nicht eilig damit. Erst einmal ergeht er sich im Langen und Breiten über das Wesen des Heldentums:
Ein böses Heldentum, wenn gegen Mensch
Der Mensch zu Felde zieht. Er dürstet nicht
Nach seinem Blut, das er nicht trinken kann;
Er will sein Fleisch nicht essen; aber ihn
Zerhaun, zerhacken will er, töten ihn! –
Aus Rache? Nicht aus Rache: denn er kennt
Den Andern nicht, und liebet ihn vielleicht.
Auch nicht sein Vaterland zu retten, zog
Er fernen Landes her. Ein Machtgebot
Hat ihn hieher geführet; roher Sinn,
Die Raubsucht, Sucht nach höhrer Sklaverei.
Von Wein und Branntwein glühend, schießt er, sticht
Und haut und mordet; mordet – weiß nicht, wen?
Warum? wozu? bis beide Helden dann,
Verbannt ins Schloss der Unbarmherzigkeit,
Ein Krankenhaus, mit andern Hunderten
Daliegen ächzend; und sobald den Krieg
Not und der Hunger endet, alle dann
Als Mörder-Krüppel durch die Straßen ziehn
Und betteln. Ach, sie mordeten um Gold,
Gedungne Helden aus Tradition.
Kein lyrischer Ton, mehr gepflegte Plauderei – die aber trotzdem durch den streng durchgeführten iambischen Fünfheber zusammengehalten wird?! Der letzte Vers ist dabei ein klein wenig knifflig zu lesen, aber das liegt an dem etwas unschönen Wort „Tradition“! Langeweile kommt jedenfalls nicht auf. Weswegen Herder auch weiterhin nicht zur eigentlichen Geschichte kommt, sondern „wahres Heldentum“ zu beschreiben beginnt:
Ein edler Held ist, der fürs Vaterland,
Ein edlerer, der für des Landes Wohl,
Der edelste, der für die Menschheit kämpft.
Nach diesen sinnspruchartigen Zeilen geht es dann, ganz langsam! wirklich zur eigentlichen Geschichte. Die lasse ich hier aber weg; Zweck des Beitrags ist schließlich, zu zeigen, wie auch gekonntes „Welterklären“ im Blankvers sein Zuhause hat und dank des Verses bei aller Freiheit der Gedanken, hierhin und dorthin zu wandern, doch immer gestaltet wirkt.