Leopold Schefer ist einer der vielen zu Lebzeiten berühmten, heute aber gut und gründlich vergessenen Dichter des 19. Jahrhunderts. Und das völlig zu Recht! Vor allem die eher didaktischen Gedichte, mit denen er bekannt geworden ist, kann man heute nicht mehr lesen. Tut man es aber doch, stellt sich schnell ein eigenartiges Gefühl ein – als steckte man den Kopf in eine Blechtonne, gegen die unaufhörlich getreten wird:
Das Sonnenstäubchen
Die Sonne zwar ist größer, aber nicht
Erstaunenswerter als – ein Sonnenstäubchen!
Der Mensch ist kleiner, aber nicht geringer
An Geist und Liebe als der Geist des Alls,
Und Gott und Mensch sind nur aus einem Stoff,
Dem einen Element im ganzen All.
Aus diesem Wort nimm dir Gesetz und Leben!
Ein unüblich kurzes, aber bezeichnendes Beispiel aus Schefers „Vigilien“ – manchmal ist ein Gedicht eben auch ein Holzhammer … Aber auch hier tut der Blankvers unbewegt und ungerührt seinen Dienst und ordet auch diesen Inhalt unauffällig, aber spürbar. Ein wunderbares Maß!