Wieder ein neuer Text im Hinterzimmer des Verserzählers: Vom Wohlklang der Reime.
Er enthält einen Teil einer Reimlehre Gottfried August Bürgers. Das liest sich sicherlich alles etwas altertümlich, hat aber auch Vorteile – da spricht jemand, der auch selbst ein Dichter war, über etwas, das unverzichtbarer Bestandteil seines Dichtens war, und das gibt dem Inhalt einen ganz anderen Klang als ihn modernere Reimlehren haben, die meist etwas leb- und geistlos wirken auf mich!
Reime von einfachen oder verdoppelten gleichen Konsonanten sind in männlichen sowohl als weiblichen Wörtern wohlklingend. Zum Beispiel gab, Bad, klar, empor, Natur, Stier, Gabe, Gnade, ziere, geboren, Fluren, Stamm, Lamm, Flamme, Kette, Affe und weitere.
Von gleichem, ja vielleicht noch vorzüglicherem Wohlklang sind auch die Wörter, in denen die flüssigen Konsonanten l, m, n, r sich vor andere stellen, weil sie sich mit dem folgenden sehr leicht vermählen, und dem Wort noch mehr Metallklang geben. Zum Beispiel Wald, Gestalten, stammte, Falbe, Stunde, warb, Garben, Sturme.
Wenn die flüssigen untereinander selbst sich gatten, so entstehen dadurch die schönsten, tönendsten Reime, zum Beispiel Halme, Palme; lerne, ferne; Zorne, Dorne; Harme, erbarme; und weitere.
– Als kleiner Ausschnitt. Das kann man nun für sich selbst annehmen oder ablehnen; aber alleine über das, was einer der berühmteren Reimer deutscher Sprache über den Wohlklang von Reimen schreibt, nachgedacht zu haben, bringt die meisten heutigen Reimfreunde (vor allem die am Anfang ihrer Bemühungen) einen nicht kleinen Schritt weiter, denke ich! Und sei es nur durch die Schärfung des Bewusstseins dafür, dass Reime nicht stumm auf dem Papier stehen, sondern gesprochener Klang sind und als solcher beurteilt werden wollen (und müssen).