Erzählformen: Die Brunnen-Strophe (8)

Wenn man in Gedichtsammlungen des 19. Jahrhunderts stöbert, findet man neben guten Texten (meist von den „üblichen Verdächtigen“) auch viele nicht allzu überzeugende Werke. Oft gibt diesen die Brunnenstrophe Form – sie ist leicht zu füllen und gestaltet die Sprache trotzdem merklich. Niclas Müllers „Abends“ etwa, gefunden in „Deutschlands Dichter von 1813 bis 1843“, klingt so:

 

Die Abendglocke schallet
Und mahnt zur Ruh die Welt,
Ein stiller Friede wallet
Hin übers Ackerfeld.

O kehre, sanfter Friede,
In unsre Hütte ein,
Du sollst in meinem Liede
Dafür gepriesen sein.

 

Ja. Was soll man da noch sagen? Das ist dann schon wieder so schlicht, dass es überzeugend wirkt.  „In der Poesie ist er ganz und gar Autodidakt. Seine Lieder sind zart in Bildern und Gedanken und gediegen in der Form“, weiß Herausgeber Karl Gödeke über den Verfasser zu berichten, und man ahnt, was er damit meint … Die „gediegene Form“ lässt sich hier vielleicht an der Aufteilung beider Strophen in zwei gleiche Hälften erkennen (V1 + V2, V3 + V4), wozu die Brunnenstrophe allgemein neigt ; was der Satzbau leicht auseinanderdrückt, führt der Reim wieder zusammen, und  dieses Gegen- und Miteinander lässt die Strophe lebendig wirken.

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